Veröffentlichung:

Emotionaler Abgang mit Stil (MM)

13 200 Fans feiern den „Meister der Herzen“ / Liga ehrt Gudmundsson, Landin und Schmid

MANNHEIM. Er ist die Symbolfigur der Trauer. Des Frustes. Der Enttäuschung. Weinend sitzt Kim Ekdahl du Rietz am Samstag in der Gummersbacher Arena auf dem Hallenboden. Ein 40:35-Sieg reicht nicht, weil der THW Kiel mit 37:23 gegen die Füchse Berlin gewinnt und in der Abschlusstabelle zwei Treffer vor den punktgleichen Badenern liegt.

Als der Traum platzt, kann niemand Ekdahl du Rietz trösten. Weder Oliver Roggisch noch Manager Thorsten Storm. Nichts hören. Nichts sehen. Nichts sagen. Doch nach einer Nacht mit wenig Schlaf sieht die Welt schon wieder anders aus. Zumindest ein bisschen. Der Rückraummann trägt beim Abschiedsspiel von Oliver Roggisch das Löwen-Maskottchen „Conny“ auf seinem Rücken und auch ein Lachen huscht über das Gesicht des eigentlich stets gut gelaunten Schweden – wenngleich er einräumt, dass der verpasste Titelgewinn ihn noch längere Zeit schmerzen wird.

Als die Löwen einer nach dem anderen in die Arena kommen, sind die Fans schon da. Sie stehen gerade jetzt felsenfest hinter ihrer Mannschaft. Das Plakat „Meister der Herzen“ muntert ein wenig auf, der anerkennende Applaus sowieso. „Dieser Empfang hilft uns über die Tränen hinweg“, sagt Kapitän Uwe Gensheimer nach unglaublich intensiven 24 Stunden. „Der Zuspruch der Fans hilft, auch wenn das Lachen noch ein bisschen gequält ist“, stimmt Patrick Groetzki zu. Am Samstagabend habe die Mannschaft noch lange zusammengesessen, berichtet der Rechtsaußen: „Das hat gut getan. Aber heute Morgen war es dann wieder ziemlich schwer.“

Wie überragend die Leistung der Löwen in der vergangenen Saison war, zeigt die Wahl der Trainer und Manager aller 18 Erstligisten. Bester Torwart: Niklas Landin. Bester Spieler: Andy Schmid: Bester Trainer: Gudmundur Gudmundsson. Alle drei Titel gehen an den Vize-Meister. „Die Anerkennung meiner Leistung freut mich. Aber ich wäre lieber Meister geworden“, spricht Landin das aus, was auch die anderen beiden Geehrten denken. „Das ist eine schöne Auszeichnung, ein kleines Trostpflaster. Aber so richtig werde ich mich darüber wohl erst in zwei oder drei Wochen freuen können“, macht Schmid deutlich, dass er jetzt Zeit braucht. Der nervenaufreibende Titelkampf, die überragenden Auftritte in drei Wettbewerben, die leeren Hände am Ende. All das muss der Schweizer erst einmal verdauen.

„Es war über viele Wochen ganz eng an der Tabellenspitze. Und deshalb ist es klar gewesen, dass es dramatisch ausgehen und einer Zweiter wird“, sagt der alles überragende Löwen-Spieler der vergangenen Saison: „Ich habe Kiel einen Sieg mit 15 Toren Differenz zugetraut, wir haben nicht hoch genug gewonnen. Aber letztendlich ging es nicht nur um den THW und uns, sondern auch um Gummersbach und die Berliner Füchse. Unser Gegner hat auf jeden Fall bis zum Schluss alles gegeben.“

Als Schmid und Landin geehrt werden, rufen die 13 200 Zuschauer ihre Namen. Die Fans jubeln, sie feiern ihre tragischen Helden – und verneigen sich vor Trainer Gudmundsson. Die Mannschaft versammelt sich bei der Preisverleihung um ihren scheidenden Coach, die Spieler klatschen – und der Isländer nimmt jeden noch einmal herzhaft in den Arm. „Diese Auszeichnung bedeutet mir sehr viel, weil die Wahl von meinen Kollegen getroffen wurde“, sagt der Trainer nach einem emotionalen Nachmittag: „Es war schön, dass wir uns noch einmal mit den Fans getroffen haben und Spaß hatten. Die Situation nach dem Erlebnis in Gummersbach war schon schlimm genug. Wenn wir jetzt einfach so auseinandergegangen wären, hätte das für manch einen ein trauriger Sommer werden können.“

So kommen die Löwen zum Trainingsauftakt am 14. Juli wieder zusammen. Kapitän Gensheimer wird dann den nächsten Anlauf unternehmen, um sich seinen Lebenstraum zu erfüllen: „Momentan fühlt es sich so an, als habe man uns etwas weggenommen, was eigentlich uns gehört. Mit diesem Gefühl kann das Ziel nur Angriff sein.“

Von Marc Stevermüer