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Enttäuscht, aber auch stolz

Mannheim. Die Tür blieb zu. Keiner kam mehr raus, keiner wollte mehr raus. Die Stimmung war im Keller nach diesem 30:30-Remis, nach der gefühlten Niederlage in der Königsklasse gegen Kiel. Die Rhein-Neckar Löwen verschanzten sich in der Kabine. Drin war es still, mucksmäuschenstill. Niemand brüllte, niemand fluchte. Jeder schien mit sich selbst beschäftigt zu sein, versuchte zu verarbeiten, was kaum zu verarbeiten ist. Es war wie ein Déjà vu-Erlebnis, ein Backflash. Gestern Hamburg, heute Kiel: Beide Male scheiterte man auf der Zielgeraden, belohnte sich nicht für einen starken Auftritt.

Und dann ging sie plötzlich doch auf, die Kabinentür. Robert Gunnarsson, der Kreis-Bär, tapste aus dem Arena-Bauch hinaus, zurück auf die Platte. Seine Mundwinkel hingen. Jeder Schritt fiel ihm schwer. Zuvor hatte er sich völlig verausgabt, zerrissen für den Sieg, der am Ende doch keiner war. „Wir waren so nah dran: Wir hätten das erledigen müssen“, grinste der Isländer gequält, zuckte mit den Schultern und lief weiter. Draußen warteten die Fans. Sie wollten Autogramme von ihren Helden, von den Fast-Siegern.

Gudmundur Gudmundsson, sein direkter Vorgesetzter, referierte derweil auf der Pressekonferenz. Irgendwie wirkte der Trainer zufrieden, irgendwie aber auch nicht. Mal lächelte er, mal legte er die Stirn in Falten, grübelte. Ihm ging vieles durch den Kopf. Positives und Negatives, Erfreuliches und Ärgerliches. Zum Beispiel, dass man „über 60 Minuten den besseren Handball als Kiel“ gespielt hat. Aber eben auch, dass man im entscheidenden Moment mal wieder patzte: Keiner hatte die zündende Idee, niemand. Der Ball wurde hin und her geschoben und mit ihm die Verantwortung: Fünfeinhalb Minuten lang. 330 Sekunden, in denen den Löwen kein einziger Treffer mehr glückte. Zum Haare raufen war’s. Wie in Hamburg.

Gudmundsson hat es genau beobachtet. Sein Fazit: „Zum Schluss haben wir leider falsche Entscheidungen getroffen. Aber Fehler gehören dazu.“ Kritik verkniff er sich. Öffentlich sowieso: „So etwas passiert in meinem Kopf, dort mache ich mir Gedanken“, sagt er und stellt sich vor sein Personal: „Wir sind auf einem richtig guten Weg, brauchen momentan nur eins: Geduld und Vertrauen.“

Das haben sie. Der Geschäftsführer steht voll dahinter, ist begeistert: „Wir spielen einen richtig attraktiven, schnellen und modernen Handball“, schwärmt Thorsten Storm, „wir haben nun mehrfach verdeutlicht, dass wir auch gegen die Großen in Europa mehr als nur mithalten können.“ 12.337 Ufo-Gäste können es bezeugen, denn die waren aus dem Häuschen, entfachten phasenweise eine atemberaubende Stimmung. Storm: „Der Funke ist übergesprungen, das ist wichtig. Die Spieler brauchen ihre Fans bei Heimspielen. Genau an diesem Niveau müssen wir alle weiterarbeiten. Dann wird aus diesem Team etwas.“

Am Mittwoch um20.45 Uhr kreuzt der THW erneut in der SAP Arena auf. Diesmal mit einem glücklicheren Ende? Storm ist optimistisch: „Wir müssen dort weiter machen, wo wir aufgehört haben, mit Spaß, Spiel und Körpereinsatz.“ So wie Patrick Groetzki und Uwe Gensheimer, die Flügelzange. Beide brannten ein Feuerwerk ab. Storm fand’s klasse: „Toll, was die zurzeit zeigen.“

Zudem wird am Mittwoch wohl auch mal wieder einer etwas zeigen, der schon lange nichts mehr gezeigt hat: Kapitän Gudjon Valur Sigurdsson steht vor seinem Comeback. Die Ärzte gaben ihm grünes Licht. Gleichzeitig wird sich Niklas Ruß verabschieden. Er kehrt noch in dieser Woche nach Friesenheim zurück. Storm: „Er hat zwar nicht oft demonstrieren können, was er drauf hat, aber neben einem Uwe Gensheimer ist das auch nicht einfach. Danke an Niklas! Er wird seinen Weg machen.“

Und es gibt noch mehr Neuigkeiten. Nach RNZ-Informationen ist die Nachfolge von Kasa Szmal geklärt: Goran Stojanovic (VfL Gummersbach) wird ihn im Sommer 2011 beerben. Storm wollte das nicht bestätigen: „Wir melden uns erst, wenn eine endgültige Entscheidung für die Nachfolge von Kasa gefallen ist.“ Doch das ist ohnehin Zukunftsmusik.

Aktuell interessiert nur eins: Der Bundesliga-Knaller gegen Kiel. Laut Gunnarsson kann aber nichts schief gehen: „In Hamburg haben wir mit einem Tor verloren, gegen Kiel Unentschieden gespielt und nun gewinnen wir mit einem Tor gegen Kiel, das ist doch eine einfache Rechnung.“

Von Daniel Hund

 29.11.2010