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Erfolgreich auf dünnem Eis (RNZ)

Heidelberg. Er sprach schnell, in kurzen, abgehackten Sätzen. So, als hätte er selbst mitgespielt, als wäre er völlig außer Puste. Gudmundur Gudmundsson, der Trainer der Rhein-Neckar Löwen, war am Samstagabend aufgewühlt, sichtlich mitgenommen. Aber auch froh und erleichtert. Über einen Big Point im hohen Norden, über eine Dienstreise nach Schweden, die sich lohnte. Die Badener schlugen bei Eskilstuna Guif nämlich eiskalt zu, kämpften sich in der Schlussphase noch zu einem 35:34 (17:19)-Hinspiel-Sieg im Achtelfinale des EHF-Cups.

Und der kann in der Endabrechnung Gold wert sein. Gudmundsson, der alte Handball-Hase, weiß das natürlich. Er sagt: „Gewinnst du auswärts, ist das logischerweise ein Riesen-Vorteil für das Rückspiel. Dafür muss ich meiner Mannschaft ein dickes Kompliment machen.“ Mit den Glückwünschen war das am Samstagabend aber so eine Sache. Gudmi nahm sie nämlich nicht an. Noch nicht. Nicht vorkommendemSamstag, nicht vor dem Rückspiel. Sein „Halbzeit-Fazit“: „Uns wird sicher wieder ein Kraftakt bevorstehen. Dieser Gegner kann viel.“

Vor allem Tempo aufnehmen: Im Hinspiel wurden die Gelben anfangs phasenweise regelrecht überrannt. Schnelle Mitte, Gegenstöße, die Schweden spulten das komplette Programm ab. Und die Löwen? Die machten mit, rannten als gäbe es kein Morgen mehr. „Genau das war unser großer Fehler vor der Pause“, blickte Gudmundsson auf die hektische erste Halbzeit zurück: „Wenn du keine Alternativen mehr auf der Bank hast, weil alle anderen verletzt sind, musst du anders auftreten. Einfach klüger.“

Gesagt, getan. Nach dem Wechsel wurde es anders. Besser! Insbesondere einer warf sich mehr und mehr in den Vordergrund: Bjarte Myrhol, der teuflisch gute Kreismann. Mit der schwedischen Abwehr spielte er Katz und Maus. Zwölf Mal schlug er zu, traf aus allen Lagen, leistete sich 60 Minuten lang nicht einen Fehlversuch. Doch der Erfolg hatte viele Väter. Beteiligt waren alle.

Uwe Gensheimer und Andy Schmid zum Beispiel. Beide behielten in der Schlussphase den Durchblick, drehten in den letzten fünf Minuten ein 32:34 noch in ein 34:34. Und als sich viele bereits mit einer Punkteteilung abgefunden hatten, kam der, der am Samstag so häufig kam: Bjarte Myrhol, die Tormaschine aus Norwegen. Gudmundsson war sein größter Fan. Der Isländer: „Was Bjarte geleistet hat, das war Weltklasse, eigentlich unglaublich!“

Am Samstag, es war um kurz vor 21 Uhr, wurde dann erst mal ein wenig gefeiert. Im ganz kleinen Kreis, unter Löwen eben: Frisch geduscht trafen sich die Auswärtsfahrer in einem Lokal, speisten, lachten und plauderten. Danach verabschiedete man sich in die Nacht. Und die war kurz: Schon um 6.30 Uhr klingelte gestern der Wecker. Die Rückreise stand an. Zuhause angekommen, gab’s dann prompt trainingsfrei für die Sieger. Gudmundsson: „Bei einem derart dünnen Kader ist die Erholung fast wichtiger als das Training.“

Stimmt, am Mittwoch um 20.15 Uhr geht es ja schon weiter. In der SAP Arena wartet Hannover-Burgdorf. Richtig, der Gegner, der den Löwen in der Hinrunde einen herben Dämpfer verpasst hatte. In Burgdorf kassierten Uwe Gensheimer und Co. ein 32:33. Nun will man sich rächen, verzichtet aber auf markige Sprüche. Kein Wunder, bei der Personallage.

Manager Thorsten Storm: „Uns stehen aktuell nur sieben Feldspieler zur Verfügung. Zudem steht Krzysztof Lijewski mit einer Außenbandverletzung auf dem Feld, das spricht für seine tolle Einstellung. Klasse, wie die Mannschaft diese schwere Situation meistert.“ Doch auch Storm ist Realist, er weiß: ewig kann das nicht gutgehen. Irgendwann gibt’s auf die Pfoten. Storm, der Nachdenkliche: „Wir bewegen uns auf dünnem Eis. Aber unsere Möglichkeiten, jemanden zusätzlich zu verpflichten, sind begrenzt. Wirtschaftlich und auch im Hinblick auf die Alternativen.“

Ab dem Sommer wird Alexander Petersson eine Alternative auf Halbrechts sein. Der Isländer kommt aus Berlin, gilt als Kämpfer, als großer Hoffnungsträger. Derzeit ist er jedoch Patient, kein Leistungsträger. Eine schwere Schulterverletzung bremst ihn bei den Füchsen aus. Schwarzmaler – und davon gibt es einige – malen gar den Teufel an die Wand, sagen: „Der Petersson, der wird vielleicht nie mehr richtig fit.“ Gudmi und Storm widersprechen dem. Energisch tun sie das. Storm sagt: „Ich denke, dass man ihn in Berlin schnellstmöglich wieder einsetzen wird.“Aber auch:„Zugleich hoffe ich, dass man ihm die Zeit gibt, die Überbelastung der Schulter völlig auszukurieren.“

Eskilstuna: Aren 10, Tholin 9, Zachrisson 5, Akermann 4, Andresson 2, Axell 1, Blank 1, Petersson 1, Oldberg 1.

Löwen: Myrhol 12/12, Schmid 6, Gensheimer 4/3, Bielecki 3, Müller 3, Lijewski 3, Cupic 3, Gunnarsson 1.

Von Daniel Hund

 13.02.2012