Veröffentlichung:

Erst Gala, dann Glücksgefühle

Mannheim. Er sah müde aus, doch Uwe Gensheimer genoss den Augenblick. Als der Linksaußen am Mittwochabend das Spielfeld in der SAP Arena verließ, jubelten die Fans ihrem Liebling zu. Sie erhoben sich von ihren Sitzen – und Gensheimer erntete Sonderapplaus. Der Gang in die Kabine wurde dank seiner grandiosen Leistung beim 34:22-Sieg der deutschen Handball-Nationalmannschaft über Brasilien zum Triumphmarsch. Zehn Würfe, zehn Tore – besser ging es nicht.

Der gebürtige Mannheimer hielt dem Druck stand. Er musste gegen die Südamerikaner etwas ganz Besonderes zeigen, um noch ein EM-Ticket zu bekommen. In den beiden Länderspielen zuvor gegen Island hatte er noch wegen einer Wadenzerrung gefehlt. Doch die Verletzung behinderte ihn gegen Brasilien nicht. Mit traumwandlerischer Sicherheit versenkte er den Ball immer wieder im Netz. Und gestern wurde der 23-Jährige von den Rhein-Neckar Löwen dafür belohnt. Der Gala folgten die Glücksgefühle, Bundestrainer Heiner Brand nominierte den Rechtshänder für die Europameisterschaft in Österreich. Ebenfalls im deutschen Aufgebot, das am 19. Januar zum EM-Auftakt auf Polen trifft, stehen die Löwen Oliver Roggisch und Michael Müller.

Klein nur Zuschauer

„Das Spiel gegen Brasilien war vielleicht der letzte Mosaikstein, der die Entscheidung des Bundestrainers beeinflusst hat“, sagte Gensheimer, der sich wahnsinnig über die Nominierung freute. Sein großer Traum ging endlich in Erfüllung. Nach einigen vergeblichen Anläufen ist er nun zum ersten Mal bei einem bedeutenden Turnier dabei.

Der bodenständige Mannheimer rückte für den arrivierten Dominik Klein in den Kader, dem Kieler bleibt diesmal nur die Zuschauerrolle. „Das ist sehr bitter, aber ich bin Profi genug, das zu akzeptieren. Wäre ich Bundestrainer, hätte ich vielleicht genauso entschieden“, zeigte sich Klein als fairer „Verlierer“ im Kampf um die EM-Tickets. Er wusste: Seine Leistungen waren in den vergangenen Monaten nicht annähernd so gut wie die von Gensheimer, der dennoch nur als zweiter Mann für die Linksaußenposition nach Österreich fährt. Dieser Tatsache ist sich auch der sympathische und ehrgeizige Löwen-Star bewusst. „Torsten Jansen ist die Nummer eins. Aber natürlich hoffe ich auf viele Spielanteile. Ich will mich so gut wie möglich präsentieren.“

Löwen-Trainer Ola Lindgren verfolgte Gensheimers Gala am Mittwoch live in der Halle und freute sich, als er von der Nominierung des Rechtshänders erfuhr. „Uwe hat eine ganz starke Halbserie bei uns gespielt, in der Nationalmannschaft immer seine Leistung gezeigt und sich im Konkurrenzkampf gegen den etablierten Dominik Klein durchgesetzt. Wem so etwas gelingt, der hat die EM-Teilnahme einfach verdient. Diese Nominierung ist logisch“, sagte Lindgren, der für seinen Schützling gleich noch einen Tipp parat hatte: „Er sollte die Europameisterschaft genießen. Ein großes Turnier ist immer etwas ganz Besonderes.“

Mehr Hilfe kann Gensheimer von seinem Klub-Trainer in den nächsten zwei Wochen allerdings nicht erwarten. Denn der Coach und der Linksaußen werden schon bald zu Gegnern. Lindgren betreut bei der EM die schwedische Auswahl und trifft mit seinen Landsleuten am 22. Januar auf Deutschland. Zudem geht es in der Vorrunde noch gegen Slowenien und Polen. Beim WM-Dritten stehen wiederum die Löwen Karol Bielecki und Slawomir Szmal im Kader. „Eigentlich“, lacht Lindgren, „hätten wir die erste Runde in Mannheim ausspielen können.“ Gensheimer wäre das sicherlich auch recht gewesen.

Marc Stevermüer

 15.01.2010