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„Es gilt, jetzt keine Schwäche mehr zu zeigen“

Henning Fritz vor dem Champions-League-Duell gegen Chambéry im Interview

Es kommt selten vor, dass ein Handballer der Rhein-Neckar Löwen während der Saison Zeit findet, um ein paar Tage auszuspannen. Deshalb genoss Henning Fritz die Möglichkeit, seine Familie in Magdeburg zu besuchen, als die aktuellen Nationalspieler mit ihren Auswahlteams quer durch Europa beschäftigt waren. Der Torhüter der Badener nutzte die Gelegenheit, um seinem Körper eine kleine Pause zu geben und gleichzeitig dem Kopf eine Auszeit zu gewähren. Nach dem erfolgreichen Oktober ohne Niederlage und vor den schwierigen Aufgaben im November holte der Weltmeister von 2007 noch einmal tief Luft. In der Champions League will sich Fritz in den Heimpartien gegen Chambéry Savoie HB und RK Gorenje Velenje schadlos halten, wie er im Interview erklärt.

Herr Fritz, eine Woche lang war in der Trainingshalle der Rhein-Neckar Löwen wenig los. Fast der komplette Kader war mit dem jeweiligen Nationalteam unterwegs und auch die Trainer waren nicht vor Ort. Wie haben Sie eigentlich trainiert?

Wir haben vormittags gemeinsam gearbeitet. Wir waren zwar nicht mehr so viele Spieler, haben aber Kraft- und Lauftraining absolviert, wir hatten Pläne, die wir erfüllt haben. Abends haben wir dann mit der Regionalliga-Truppe trainiert. Das hat auch gut geklappt.

Während die Nationalspieler im Einsatz waren, nutzten Sie die freie Zeit am Wochenende, um Ihre Familie in Magdeburg zu besuchen. Wie groß ist die Erleichterung, einmal durchschnaufen zu können?

Ich bin froh, dass ich diese Zeit habe, da ich im Moment nicht zur Nationalmannschaft gehöre. Ich genieße es, auch wenn es nur ein kurzer Zeitraum ist, in dem ich mich auf die Familie konzentrieren kann.

Welchen Nutzen hatte die freie Zeit für Sie?

Normalerweise spielt Handball die zentrale Rolle für mich. Jetzt hatte ich die Chance, Handball einmal aus dem Kopf zu bekommen. Das ist deshalb ein Vorteil, weil der Kopf so etwas Entspannung erhält, ehe es für uns ja wieder mit einem vollen Programm weiter geht. Jetzt kann ich mit voller Kraft wieder an die nächsten Aufgaben herangehen.

In der Champions League heißen die Gegner Chambéry und Gorenje Velenje. Welche Ziele haben Sie sich für diese Partien gesteckt?

Das sind zwei Partien, die wir gewinnen wollen und müssen, wenn wir unser Ziel erreichen wollen. Das lautet, die Vorrundengruppe zu gewinnen. Schließlich haben wir im Heimspiel gegen Kielce  bereits einen Punkt verschenkt. Deshalb gilt es jetzt, keine Schwäche mehr zu zeigen, auch wenn wir die Gegner auf keinen Fall unterschätzen dürfen. Trotzdem sind das unter dem Strich Pflichtaufgaben mit dem Heimvorteil im Rücken. Wir versuchen natürlich, diese Spiele souverän zu gestalten, damit wir wieder unser Selbstvertrauen aufbauen können vor den schweren Aufgaben im November.

Im Oktober waren die Löwen richtig gut in Schuss. Ärgert es Sie, dass die Länderspielpause aus Ihrer Sicht zum falschen Zeitpunkt kam?

Natürlich ist es etwas ärgerlich, wenn so eine Pause in einer Phase kommt, in der es für die Mannschaft richtig gut läuft. Aber das kann man sich am Ende ja nicht aussuchen, solche Pausen gibt es halt. Wir müssen ganz einfach versuchen, so schnell wie möglich wieder in den Fluss zu kommen, der uns zuletzt so erfolgreich gemacht hat.

Sie sind ein erfahrener Spieler, der die Champions League und die Weltmeisterschaft gewonnen hat. Welche Unterschiede gibt es für Sie zwischen einem Spiel in der Königsklasse und der Bundesliga?

Eigentlich gibt es da für mich keinen besonderen Unterschied. In der Champions League ist es zwar so, dass du gegen Kontrahenten antrittst, die du nicht jeden Tag siehst, aber auch das ist durch die vielen Fernsehübertragungen nicht mehr ganz so extrem wie früher. Für mich zählt nur der Grundsatz, dass ich jede Partie gewinnen will, ganz unabhängig, in welchem Wettbewerb wir uns gerade befinden. Ich schaue mir den Gegner auf Video an, konzentriere mich auf die Wurfbilder der Angreifer und da ist es für mich zweitrangig, ob wir in der Bundesliga, im Pokal oder in der Champions League sind.

Also gibt es keine Besonderheiten?

Ich habe keine anderen Emotionen. Das ist ein Spiel, das ich gewinnen will. Und das alleine zählt.

Die Duelle in der Champions League bilden den Auftakt zu einem heißen November, in der in der Bundesliga schwere Aufgaben warten. Was muss passieren, damit Sie anschließend von einem erfolgreichen Monat sprechen?

Bei den Ansprüchen, die wir haben, können wir uns keine Ausrutscher erlauben. Deshalb ist für uns jedes Spiel wichtig. Meine persönliche Einstellung ist es, alle Partien gewinnen zu wollen und ich glaube, das sieht der Rest der Mannschaft auch so. Wir haben am Anfang der Saison gegen Kiel und Hamburg schon zwei Partien verloren, weil bei uns das Selbstvertrauen gefehlt hat und die Truppe noch nicht in bester Verfassung war, deshalb müssen wir jetzt punkten.

Wie weit sind die Löwen in ihrer Entwicklung? Wie weit ist das Team gewachsen?

Die Leute konnten sich ein gutes Stück weiter integrieren, was für uns sehr wichtig war. Es ist immer schwer, den genauen Leistungsstand anzugeben, aber ich bin der Meinung, dass wir schon gut dastehen. Jetzt muss es im November unser Ziel sein, in Gummersbach und Lemgo Big Points zu landen. Das sind wichtige Partien, und wenn wir dort gewinnen würden, hätten wir einen wichtigen Schritt getan.

Was macht die Rhein-Neckar Löwen in dieser Saison aus, wo liegen die Stärken?

Das kann man jetzt schwer sagen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr denke ich, dass wir schon noch mal einen Schritt nach vorne gemacht haben. Die Partien in Hannover oder Dormagen hätten wir wahrscheinlich auch gewonnen, aber sicher nicht so deutlich, wie das jetzt der Fall war. Wir ziehen unser Spiel inzwischen viel besser durch und das stimmt mich positiv für die kommenden Wochen und Monate.

Was sind die Pluspunkte der Löwen im Augenblick?

Wir haben in der Abwehr eine gewisse Stabilität reinbekommen. Das ist sehr wichtig und eine gute Grundlage für unser Spiel. Außerdem sind wir im Angriff jetzt viel disziplinierter, was auch ein Fortschritt ist. Wir haben zwar in allen Spielen immer noch Phasen, in denen das verloren geht, aber wir können das weiter reduzieren. Die gefestigte Abwehr und das verbesserte Angriffsspiel zusammen machen uns noch stärker.

Von der sattelfesten Abwehr profitieren natürlich auch die Torhüter. Wie zufrieden sind Sie, dass Ola Lindgren so viel Wert auf die Defensive legt?

Für einen Torwart ist es natürlich von Vorteil, wenn die Abwehr gut funktioniert. Wenn man eine solche Abwehr vor sich hat, sieht man als Keeper immer besser aus, weil man Paraden zeigen kann. Es ist aber auch für unser Spiel sehr wichtig, weil wir so immer wieder zu einfachen Toren über den Gegenstoß kommen. Es nimmt Druck vom Team, wenn man sich nicht jeden eigenen Treffer hart im Positionsangriff erarbeiten muss.

Was ist vor dem Hintergrund, dass die Löwen immer besser in Schuss kommen, in dieser Saison aus Ihrer Sicht noch möglich?

Ich denke, wir sollten jetzt nicht davon sprechen, was wir am Ende erreichen wollen. Ganz sicher stecken wir uns als Mannschaft intern hohe Ziele, aber im Moment geht es für uns darum, unser Spiel zu verbessern und zu einer Einheit zusammenzuwachsen. Wir gehen jede Partie so an, dass wir sie gewinnen wollen, und mit dieser Marschroute fahren wir ganz gut.