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„Es liegt alles in unseren Händen“
Kim Ekdahl Du Rietz im Interview
Rückraumspieler Kim Ekdahl Du Rietz spricht nach dem Hinspiel im Achtelfinale der VELUX EHF Champions League bei HC Zagreb und vor dem Heimspiel seiner Mannschaft am kommenden Mittwoch gegen den Bergischen HC über das Titelrennen in der Bundesliga, die Europameisterschaft und seinen Job als Model.
Kim, von September bis Dezember und auch zu Jahresbeginn seid ihr von Spiel zu Spiel gehetzt. Im März ging es da schon entspannter zu.
Kim Ekdahl du Rietz: Ich fand das Programm seit der EM ganz gut (lacht). Wir mussten erst richtig Gas geben, dann kam eine Pause, in der wir etwas durchschnaufen konnten. Jetzt müssen wir gegen den Bergischen HC und im Champions League Rückspiel gegen Zagreb wieder alles geben, und dann steht erst einmal wieder eine Länderspielpause an.
Wie hast du die freie Zeit genutzt?
Ekdahl du Rietz: Vor dem Spiel in Stuttgart hatten wir ein freies Wochenende, da war meine Schwester mit ihrem Sohn und ihrem Mann da. Ich hatte richtig viel Zeit für meinen Besuch, das war natürlich perfekt.
Du vermisst also auch nicht den Spiel-Rhythmus?
Ekdahl du Rietz: Zehn Tage sind für uns Handballer eigentlich echt eine lange Zeit, aber zehn Tage sind eben auch nur zehn Tage. Da verliert niemand seinen Rhythmus und keiner verlernt das Handballspielen (lacht).
Die ersten Wochen nach der Europameisterschaft galten als richtungsweisend. Wie fällt dein Fazit aus?
Ekdahl du Rietz: Wir wussten, dass sich in dieser Phase viel entscheiden kann. Wir hätten viel wegwerfen können, denn die Aufgaben waren wirklich schwer: auswärts in Göppingen, in der Bundesliga und im Pokal gegen Melsungen, das Heimspiel gegen Flensburg, die letzten Spiele in der Gruppenphase der Champions League. Unter dem Strich können wir zufrieden sein, wie es gelaufen ist. In der Meisterschaft sind wir immer noch vorne dabei, im Pokal haben wir uns fürs Final Four qualifiziert und in der Champions League haben wir Platz fünf vermieden.
Schmerzt die Heim-Niederlage gegen Flensburg?
Ekdahl du Rietz: Natürlich wollten wir dieses Spiel gewinnen. Ich habe in meinen dreieinhalb Jahren bei den Löwen nur drei Heimspiele verloren und wenn wir diese zwei Punkte geholt hätten, hätte es sehr gut ausgesehen für uns. Für die Flensburger war es die letzte Chance, im Titelrennen noch einmal anzugreifen. Leider haben wir sie zurückkommen lassen. Ich hätte sie lieber distanziert. Andererseits ist es unser Anspruch, ab jetzt jedes Spiel zu gewinnen. Und dann ist es egal, was die Flensburger machen, die liegen zwei Punkte hinter uns. Der THW Kiel liegt hingegen nach Punkten gleichauf mit uns – also schauen wir auch zunächst einmal auf den THW.
Es bleibt spannend.
Ekdahl du Rietz: Auf jeden Fall, aber es liegt alles in unseren Händen. Unsere Aufgabe gegen den Bergischen HC müssen wir lösen – und dann warten die harten Prüfungen und schweren Auswärtsspiele im Saison-Endspurt auf uns. Aber das gilt auch für Kiel und Flensburg.
Ihr habt zuletzt zwei Mal denkbar knapp die Meisterschaft verpasst. Denkt ihr darüber nach?
Ekdahl du Rietz: Nein, das ist längst abgehakt. In der vergangenen Saison war es auch nicht so dramatisch, weil wir uns lange darauf einstellen konnten, dass es für die Meisterschaft nicht reichen wird. Im Torverhältnis lagen wir früh deutlich hinter dem THW zurück – und als wir dann noch im April in Wetzlar verloren, war das Thema endgültig erledigt. Aber wie gesagt: Uns war schon vorher klar, dass es nicht reichen wird.
Im Gegensatz zu 2014…
Ekdahl du Rietz: Vor zwei Jahren hatten wir eine ganz andere Situation: Wir waren vor dem letzten Spieltag Tabellenführer und viele haben mit unserer Meisterschaft gerechnet. Das Wettschießen mit dem THW um die Meisterschaft war schon eine sehr intensive Erfahrung, aber es kann gut sein, dass es jetzt wieder so kommt. Uns ist klar, dass wir ab jetzt auch um jedes Tor spielen. Wir dürfen von nun an in keiner Partie auch nur eine Minute nachlassen.
Ihr redet ganz offen von der Meisterschaft. Das war in den vergangenen zwei Jahren nicht so.
Ekdahl du Rietz: Als ich vor dreieinhalb Jahren gekommen bin, war der THW Kiel das Nonplusultra und der große Favorit. Das ist er vor jeder Saison, auch vor dieser. Die Kieler müssen normalerweise jedes Jahr Meister werden. Aber wir waren oft nah dran und wissen, was wir leisten können. Und dann ändern sich auch die Ziele. Wir wussten vor dieser Saison, dass wir oben mitspielen können. Wahrscheinlich war aber keiner von uns darauf vorbereitet, dass es so gut läuft. Aber jetzt ist die Chance da – und die wollen wir nutzen. Jetzt gibt es nichts anderes mehr, als jedes Spiel zu gewinnen und die Meisterschaft zu holen.
Auch im DHB-Pokal habt ihr noch eine Titelchance.
Ekdahl du Rietz: Wir wollen den Pokal gewinnen. Und deswegen ist es uns egal, dass wir beim Final Four wieder auf Flensburg treffen. Uns war schon vor der Auslosung klar, dass der Weg zum Titel über Flensburg führt. Man muss diesen Gegner schlagen, entweder im Halbfinale oder im Endspiel.
In den vergangenen beiden Jahren seid ihr jeweils im Halbfinale an Flensburg gescheitert…
Ekdahl du Rietz: Es ist echt ein komischer Zufall, dass wir nun schon zum dritten Mal in Folge im Halbfinale aufeinandertreffen. Aber ich kann versichern: Die Vergangenheit spielt für uns keine Rolle.
Wie hast du eigentlich die Europameisterschaft verfolgt?
Ekdahl du Rietz: Nicht besonders intensiv. Ich habe nur drei komplette Spiele gesehen. Ich habe abends oft mit unserer Drittliga-Mannschaft trainiert und tagsüber habe ich mich um den Umzug von meiner Freundin und mir gekümmert. Es blieb wenig Zeit, mir mehr Spiele anzuschauen. Ich weiß aber auch nicht, ob ich mir mehr Spiele angesehen hätte, wenn ich die Zeit gehabt hätte. Was ich aber sagen kann: Es ist ganz schön, eine Europameisterschaft vom Sofa aus zu verfolgen (lacht).
Die Zuschauer strömten zuletzt zu euren Heimspielen – auch unter der Woche. Das war nicht immer so. Woran liegt das?
Ekdahl du Rietz: Man muss beachten, dass wir gegen Melsungen und Flensburg Topspiele hatte. Da wäre die SAP Arena sowieso voll geworden. Aber es freut mich natürlich, dass für das Heimspiel gegen den Bergischen HC auch verhältnismäßig viele Karten verkauft wurden. Der Bundesliga-Handball profitiert ganz eindeutig vom EM-Titel der deutschen Nationalmannschaft, Handball ist in vielen überregionalen Medien nun deutlich präsenter und taucht auch mal auf der Titelseite auf. Aus meinem Freundeskreis haben sich viele Leute gemeldet, die bei der EM zum ersten Mal Handball geschaut haben und denen diese Sportart richtig Spaß gemacht hat. Durch die EM wurden bestimmt neue Fans gewonnen – umso wichtiger ist es allerdings, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, damit das auch so bleibt.
Was könnt ihr als Löwen von der deutschen Nationalmannschaft lernen?
Ekdahl du Rietz: Es ist schwierig, das zu vergleichen. Ich glaube, die waren etwas mehr Außenseiter als wir (lacht).
Und wie macht sich der EM-Titel bei den Löwen bemerkbar?
Ekdahl du Rietz: Mit Hendrik Pekeler haben wir ja auch einen Europameister im Kader. Der kommt jetzt nach den Spielen immer als einer der letzten Löwen in die Kabine, weil er so viele Interview- und Autogrammwünsche erfüllen muss. Nach dem WM-Titel 2007 war dafür neun Jahre lang Oliver Roggisch bei uns verantwortlich (lacht).
Mit dem Bergischen HC hattet ihr zuletzt immer mal wieder Probleme. Droht euch am Mittwoch wieder ein Geduldsspiel?
Ekdahl du Rietz: Ich hoffe nicht. In der SAP Arena sahen wir auch immer ganz gut gegen den BHC aus. Aber wenn wir auswärts beim Bergischen HC ranmussten, wussten wir immer: Das wird schwer, das wir knapp. Deswegen bin ich froh, dass wir zuhause spielen.
Du spielst nicht mehr für dein Heimatland, hast aber die Erfahrung Olympia schon gemacht und 2012 mit Schweden Silber in London geholt. Worauf können sich denn deine Löwen-Kollegen im Sommer freuen?
Ekdahl du Rietz: Olympia-Silber 2012 war natürlich mein sportlicher Karriere-Höhepunkt. Ansonsten weiß man erst einmal gar nicht so genau, was bei Olympia auf einen zukommt. Für uns kam dann vor vier Jahren noch dieser sportliche Selbstläufer dazu, der eine unglaubliche Euphorie ausgelöst hat. Keine Frage: Olympia ist etwas Besonderes. Die Deutschen sind ja sicher dabei und die schwedische Nationalmannschaft hat die Chance, sich erneut für Olympia zu qualifizieren. Ich wünsche meinem Löwen-Kollegen Mikael Appelgren und der gesamten schwedischen Mannschaft natürlich, dass sie es packen. Rio wird bestimmt richtig geil, das klingt noch verlockender als London. Das war ja praktisch um die Ecke.
Was macht dein Psychologie-Studium?
Ekdahl du Rietz: Es läuft sehr gut und es macht viel Spaß. Ich würde gerne noch mehr machen, aber dafür fehlt dann doch ein wenig die Zeit.
Du warst als Model für das Mode-Label UANDWOO deiner Löwen-Kollegen Uwe Gensheimer und Andy Schmid aktiv. Ein Bild zeigt dich nur mit einem Handball und Socken „bekleidet“. Wie fielen die Reaktionen aus?
Ekdahl du Rietz: Zunächst haben sich viele Leute gemeldet, es war sogar eine Zeitung aus Schweden dabei. Dass das Bild so hohe Wellen schlägt, hätte ich nicht gedacht. Aber es kehrte auch recht schnell wieder Ruhe ein. Das Shooting war auf jeden Fall eine schöne neue Erfahrung und ich würde es noch einmal machen, wenn Uwe und Andy mich fragen. Ich finde, ich muss mich für das Bild ja auch nicht schämen (lacht).