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Favoritenrolle? Nein, danke! (MM)

Die Rhein-Neckar Löwen tun plötzlich das, was sie schon seit Jahren wollen: Sie eilen in der Handball-Bundesliga von Sieg zu Sieg. Mit einer umgebauten Mannschaft. Mit Ruhe im Umfeld. Mit einem reduzierten Etat. Und ohne den einstigen Geldgeber Jesper Nielsen. „Früher hat der Verein von sich aus hohe Ziele formuliert, jetzt tun das die anderen für uns“, sagt Geschäftsführer Thorsten Storm.

MANNHEIM. Richtig spannend wurde es erst nach der Pressekonferenz. Peter David, Trainer des Handball-Bundesligisten TV Großwallstadt, stand auf und rief Thorsten Storm, dem Manager der Rhein-Neckar Löwen, zu: „Ihr habt eine Super-Mannschaft. Ihr habt Alexander Petersson. Ihr seid oben dabei. Das habe ich immer gesagt.“ Schon zuvor hatte der Coach die Gelbhemden mit Komplimenten überhäuft: „Das sind die besten Löwen aller Zeiten. Dieses Team wird um die Meisterschaft spielen.“

Seine Worte waren durchaus verständlich, hatten die Gelbhemden doch zuvor den TVG 60 Minuten lang beherrscht und dank einer formidablen ersten Halbzeit einen ungefährdeten 30:24 (17:9)-Erfolg eingefahren. Und Storm, der Macher der Löwen, nahm Davids freundliche Worte natürlich auch gerne an. Lob tut immer gut, insbesondere nach schwierigen Zeiten. Aber unkommentiert wollte er diese Komplimente nicht im Raum stehen lassen. „Es sind erst vier Spiele absolviert. Da kann man uns nicht zum Favoriten machen. Es gibt da noch den THW Kiel, der in der vergangenen Saison drei Titel gewonnen hat. Auf uns kommen noch ganz andere Aufgaben zu. Wir sind erst einmal froh, mit 8:0 Punkten gestartet zu sein.“

Die Löwen haben aus der Vergangenheit gelernt, ihre Lehren aus den unrealistischen Zielsetzungen und Versprechen des ehemaligen Geldgebers Jesper Nielsen gezogen. Bescheidenheit ist angesagt – und die tut den Badenern gut. Favoritenrolle? Nein, danke! „Früher hat der Verein von sich aus hohe Ziele formuliert, jetzt tun das die anderen für uns. Das ist der Unterschied“, konnte sich Storm einen kleinen Seitenhieb gegen Nielsen nicht verkneifen: „Wir gehen mit dem Lob realistisch um. Was die anderen sagen, ist uns egal. Wichtig ist für uns, dass wir wieder positiv wahrgenommen werden und vom Image der großspurigen Löwen wegkommen. Dabei hilft uns die Mannschaft. Wir wissen, dass wir gute Typen geholt haben. Aber auch die brauchen Zeit, um sich einzuspielen. Deshalb war mit diesem Start nicht zu rechnen.“

Die Gefahr, jetzt die Bodenhaftung zu verlieren, besteht bei den Spielern offenbar nicht. Dafür sorgt Trainer Gudmundur Gudmundsson – und auch Routinier Oliver Roggisch. „Wichtig ist zu Saisonbeginn nicht der Tabellenrang, sondern die Tatsache, dass wir ohne Minuspunkt dastehen. Wir schauen nicht auf unsere Platzierung, sondern auf den nächsten Gegner“, sagte der in Aschaffenburg erneut starke Abwehrchef. Er freute sich über die vier Siege in vier Spielen, zumal drei davon in der Fremde erzielt wurden: „Das sind die Partien, die man gewinnen muss, wenn man oben mitspielen will. Das ist uns in den vergangenen Jahren leider zu selten gelungen.“ Doch vielleicht ist damit jetzt endgültig Schluss, weil endlich eine Einheit auf dem Feld steht. „Solch eine Geschlossenheit und solch eine Mannschaftsleistung habe ich bei den Löwen noch nie erlebt“, berichtete Roggisch. Seine Worte lassen tief blicken. Schließlich trägt das Kraftpaket seit 2007 das badische Trikot.

Die Rhein-Neckar Löwen tun plötzlich das, was sie schon seit Jahren wollen: Sie eilen in der Handball-Bundesliga von Sieg zu Sieg. Mit einer umgebauten Mannschaft. Mit Ruhe im Umfeld. Mit einem reduzierten Etat. Und ohne den einstigen Geldgeber Jesper Nielsen. „Früher hat der Verein von sich aus hohe Ziele formuliert, jetzt tun das die anderen für uns“, sagt Geschäftsführer Thorsten Storm.

Von Marc Stevermüer