Veröffentlichung:

Fritz: „Das war ein Schritt zurück“

Mannheim. Am Ende jubelten sie. Aber nur kurz, nur für ein paar Sekunden. Da rissen sie die Arme in die Höhe, die Rhein-Neckar Löwen, freuten sich über den finalen Reflex von Henning Fritz. Der Torwart war es, der am Ende artistisch den Punkt (31:31) gegen Lemgo festhielt. Allerdings nur einen. Und der war zu wenig, viel zu wenig. Fritz, ein Freund klarer Worte, machte seinem Ruf dann auch alle Ehre. Auf dem Weg in die Kabine sprach er Klartext, schüttelte immer wieder den Kopf: „Das heute war ein verlorener Punkt, ein Schritt zurück. Mir ist so etwas einfach unerklärlich.“ Und im Welt-Handballer von 2004 brodelte es weiter, unaufhörlich: „Wie kann man ein Spiel nur so weggeben, gerade jetzt, wo man eigentlich eine Super-Chance hat, um den Titel mit zuspielen.“

Rums, bums, das saß. Und war nachvollziehbar. Denn zu begreifen war es nicht, was sich da drei Tage vor Heiligabend in der SAP Arena abgespielt hatte. Schöne Bescherung, dachte auch ein Großteil der 8.813 Zuschauer, die genauso fassungslos auf den riesigen Video-Würfel starrten, wie ihre abgestürzten Helden auf der Platte. Gemeinsam grübelte man über einem Rätsel, einem unlösbaren, stellte sich immer wieder die gleiche Frage:Wie konnte das nur passieren? Wie ist solch ein Einbruch möglich? Selbst Gudmundur Gudmundsson, der Trainer, der Taktikfuchs, war ausnahmsweise mal ratlos, suchte den Lösungsansatz, fand ihn aber nicht: „Ich kann mir das selbst nicht erklären, aber ich denke, dass uns in der zweiten Halbzeit insbesondere die nötige Konzentration gefehlt hat.“

Wie auch immer, plötzlich klappte nichts mehr. Hinten löchrig, vorne einfallslos, nicht zwingend. Und das nach einer ersten Halbzeit, in der fast alles geklappt hatte: Zuckerpässe, Traumtore, perfekte Gegenstöße. Nach der Pause zeigten sich dann nur noch wenige. Eigentlich nur noch einer: Olafur Stefansson. Der Älteste übernahm Verantwortung. Vom Sieben_Meterpunkt, aus dem Rückraum, irgendwie war er überall. Eine One-Man-Show. Der Altmeister sprühte förmlich vor Tatendrang, Energie. Schade, dass der Rest nicht mehr mitzog.

Andererseits hat sich die Niederlage irgendwie auch angedeutet. Schon seit Wochen lag sie in der Luft. Sowohl gegen Celje als auch gegen Gummersbach kamen die Badener mit dunkelblauen Augen davon. Beide Duelle entschied man erst in den Schluss-Sekunden für sich. „Und nun haben wir eben mal die Quittung kassiert“, erklärte Manager Thorsten Storm, den der Punktverlust rein äußerlich nicht sonderlich mitzunehmen schien. Doch das täuschte. Er litt, aber still, ohne Draufzuschlagen. „Da gibt Kiel einen Punkt ab und dann das: Normalerweise musst du als Spieler doch jetzt erst recht brennen, aggressiv zur Sache gehen.“ Verwalten ist da fehl am Platz.

Vorwürfe an „Gudmi“ wären aber wohl der falsche Ansatz: Er kann nichts dafür, wenn seine Asse vor dem Tor den Killerinstinkt vermissen lassen. Selbst Bjarte Myrhol, eigentlich die Zuverlässigkeit in Person, scheint seine Kaltschnäuzigkeit im Schneegestöber abhanden gekommen zu sein. „Mister Hundertprozent“ pendelte sich mal nur bei 80 Prozent ein. „Möglicherweise ist Bjarte ein wenig überspielt“, stellt sich Storm vor seinen Kreismann.

Aber am Dienstag war nicht alles schlecht. Die Pokalauslosung machte aus einem gebrauchten Tag doch noch einen erträglichen. Im Viertelfinale wartet ein Heimspiel gegen die MT Melsungen. Das nennt man Losglück. Storm drückt sich diplomatischer aus: „Wir sind einen Schritt vor dem Final Four, wo wir wieder hin wollen. Das Spiel gegen Melsungen gibt uns die große Chance dazu.“

Der Manager hatte am späten Dienstagabend sein Lächeln jedenfalls wiedergefunden. Im Business-Club, oben in der zweiten Etage des Ufos, plauderte er mit Uli Roth, dem Manager der SG Leutershausen. Beide lachten viel. Und verabschiedeten sich gemeinsam. Roth griff Storm unter die Arme. Der Ex-Rekordnationalspieler schleppte einen großen Löwen-Karton aus der Arena und grinste: „So weit sind wir also schon.“

Deutet sich da etwa eine neue Kooperation an, kommen sich Löwen und „Teufel“ näher? Storm schmunzelt: „Mit den beiden Roth-Brüdern bin ich seit vielen Jahren befreundet, wir sind uns, was die Entwicklung und Anforderungsprofile im Handball betrifft immer sehr einig.“

Demnach spricht also eigentlich nichts gegen eine Partnerschaft mit der SG Leutershausen, falls sich das Verhältnis zur TSG Friesenheim nicht wieder bessert?!

Von Daniel Hund

 23.12.2010