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Frust und Wut (SOAK)

Selten zuvor hatte man Gudmundur Gudmundsson so aufgewühlt erlebt. Der Trainer des Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen redete sich in Rage, regte sich fürchterlich auf, übte schonungslos Kritik. Die schützende Hand, die er sonst so gerne – und vielleicht viel zu oft – über seine Stars hält, benutzte der Isländer des Handball-Bundesligisten diesmal für eine verbale Ohrfeige. Diese 32:33-Niederlage gegen den VfL Gummersbach, den erneut fahrlässigen Umgang mit einem komfortablen Vorsprung (18:14/31. Minute) ließ ihn aus der Haut fahren. „Ich bin riesig enttäuscht von meiner Mannschaft“, nahm der Trainer kein Blatt vor den Mund. Die desolate Startphase inklusive 1:8-Rückstand (12.) nervte ihn, der Gummersbacher Siegtreffer von Barna Putics zwei Sekunden vor dem Schlusspfiff brachte ihn auf die Palme. Gudmundssons Geduldsfaden war gerissen, das Fass übergelaufen. „Wir wussten doch, was uns erwartet“, schimpfte der Isländer wie ein Rohrspatz.

Den plan-, kraft- und emotionslosen Auftritt zu Beginn empfand er als persönliche Beleidigung, so richtig schlimm machte den Abend aber erst der Gummersbacher Siegtreffer. Ungestört durfte Putics quasi mit dem Schlusspfiff Maß nehmen und sich die Ecke aussuchen, die badischen Abwehrspieler eskortierten ihn höflich, hielten einen vornehmen Sicherheitsabstand und bewarben sich um den Friedensnobelpreis, anstatt den Gegner am Torwurf zu hindern und einen Freiwurf zu verursachen. „Unser Defensivverhalten in der letzten Szene ist einfach enttäuschend. So darf man keinen Spieler kurz vor Schluss werfen lassen. Wir laufen nur mit, attackieren nicht“, sagte Gudmundsson.

Dabei hatte es nach dem Katastrophenstart zunächst ganz gut ausgesehen. Die Löwen berappelten sich, begeisterten nach dem 1:8 mit einer 15:6-Serie bis zur Pause. Dem VfL verging Hören und Sehen im badischen Angriffswirbel, beim 16:14-Halbzeitstand hatten die zuvor noch laut pfeifenden Fans die ersten zwölf Minuten vergessen. „Dass wir zur Pause sogar in Führung lagen, war ein Wunder. Unsere Aufholjagd war phänomenal, da haben wir ganz stark gespielt“, musste sich der Trainer die Augen reiben. Wieder einmal zeigte seine Mannschaft zwei Gesichter, nach dem 18:14 (31.) schien alles nach Plan zu laufen.

Doch dann stellte der VfL auf eine offensive Deckung um – und den Löwen fiel plötzlich nicht mehr viel ein. „Uns haben die Lösungen im Angriff gefehlt“, monierte Zarko Sesum. Die Gelbhemden nahmen sich unvorbereitete Würfe, leisteten sich technische Fehler, bauten den Gegner auf. Wie schon zu Beginn lief der VfL einen Gegenstoß nach dem anderen, insgesamt zwölf an der Zahl. In dieser kritischen Phase hätten die Badener einfache Tore gebraucht, schnörkellose Rückraum-Raketen von Karol Bielecki, der dafür alle Voraussetzungen mitbringt. Doch wieder einmal ging der Pole unter, nach einigen Fehlversuchen zu Beginn verweigerte er förmlich den Torwurf.

„Enttäuscht“ sei er von Bielecki, gab Gudmundsson unumwunden zu. Es war ja schließlich nicht das erste Mal, dass der Großverdiener untertauchte. An ihm allein lag es indes nicht, dass die Gelbhemden verloren. „Auch andere hatten einen schwierigen Tag“, erklärte der Trainer. Zum Beispiel Mittelmann Andy Schmid. Der Schweizer fand keinen Zugriff auf das Spiel, konnte den badischen Angriffsbemühungen weder eine Struktur verleihen noch selbst Torgefahr ausstrahlen. Und deshalb probierte es Gudmundsson mit dem achtfachen Torschützen und gelernten Halbrechten Krzysztof Lijewski auf der Mitte. „So haben wir noch nie gespielt. Es war aus der Not geboren und hätte ja fast noch für einen Punkt gereicht.“ Doch dann verteidigten die Löwen naiv – und es kam Barna Putics.

Von Marc Stevermüer