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Ganz viel Leerlauf, wenig Glanz

Mannheim. Gudmundur Gudmundsson kam als erster. Er grummelte, er murmelte, er verdrehte immer wieder die Augen. Frustriert marschierte der Trainer der Rhein-Neckar Löwen in Richtung Arenabauch. Raus aus dem Rampenlicht, rein in die Kabine, in die Abgeschiedenheit, zu den Leidensgenossen. Dort erwartete der Isländer seine Spieler: Zur Analyse, zum Krisengespräch. Er dürfte ihnen die Ohren lang gezogen haben. Denn das, was sein Personal kurz zuvor geboten hatte, war zu wenig, ging gar nicht. Gegen die HSG Wetzlar, ein Kellerkind, reichte vor 6112 Zuschauern es gerade so zu einem 26:26 (14:15)-Remis. Unglaublich – aber wahr.

Patrick Groetzki war hernach einer der wenigen, die stehen blieben, die sich dem medialen Frage-Antwort-Spiel stellten. Obwohl es schwer fiel: „Ehrlich gesagt fehlen mir die Worte“, flüsterte Groetzki. Seine Schultern hingen, seine Augen starrten ins Leere, doch dann kam es doch noch, sein Fazit. Es war vernichtend: „Dieses Unentschieden, über das wir am Ende sogar noch froh sein müssen, war ein Riesen-Rückschlag für uns. Heute sollten sich alle mal hinterfragen.“

Ein paar Meter weiter stand Henning Fritz. Zusammengekauert vor einer Wand. Er, der „Hexer“, der einstige Welt-Handballer, ist bekannt für klare Worte. Und auf die musste man nicht lange warten. Sie kamen wie aus der Pistole geschossen. Präzise und schmerzhaft. „Fritze“: „Es ist schon sehr verwunderlich, dass wir ein Team, das wir klar schlagen müssen, nicht souverän dominieren.“

Vor dem Anwurf, beim Einspielen, waren die Fan-Augen vor allem auf einen Mann gerichtet: Olafur Stefansson. Den Denker und Lenker, den Anführer. Ein Ausblick, der so manchen Anhänger verwundert zurückließ. Denn wie ein Kandidat für den Operationstisch sah der Routinier nicht aus. Im Gegenteil. Das Sorgenkind machte alles mit: Passte, dirigierte, ballerte. Seine Knie schienen ihm keine Probleme zu bereiten. Wenig später stand er dann auch prompt in der Start-Sieben, nahm Maß und traf: Der Isländer schoss das erste Löwen-Tor, kurz und trocken ins linke untere Eck.

Doch beruhigend wirkte sich seine Rückkehr nicht aus. Ein Masterplan, eine spezielle Taktik, war nicht zu erkennen. Wenn, dann zauberten nur einzelne. Uwe Gensheimer zum Beispiel. „Gensel“ bewies mal wieder eindrucksvoll seine Klasse. Egal, ob aus dem Rückraum oder auf der linken Außenbahn: Der Friedrichsfelder kann’s einfach, gleicht einem Präzisionsgewehr im Dauerfeuer-Modus. Nervenstark ist er noch dazu: Acht Sekunden vor Schluss versenkte der Publikumsliebling den entscheidenden Siebenmeter zum 26:26-Endstand.

Nach jubeln war ihm aber nicht. Keinem war nach jubeln. Nicht nach diesem Spiel, nicht gegen diesen Gegner. Denn letztlich wird nur eines in Erinnerung bleiben: Viel Leerlauf und ganz wenig Glanz. Eben das, was nicht zu den eigenen Ansprüchen passt. Oder um es mit den Worten von Löwen-Manager Thorsten Storm auszudrücken: „Jeder sollte sich heute mal Gedanken machen, überlegen, wie unsere Saisonziele eigentlich aussehen.“

Themenwechsel: Vieles deutet darauf hin, dass die Badener nochmals kurzfristig auf dem Transfermarkt zuschlagen werden. Ein Torhüter scheint bereits im Anflug zu sein. Gudmundsson: „Wir brauchen einen als Absicherung, denn Kasa Szmal hat bereits angekündigt, dass er operiert werden muss.“ Und Stefansson? Der Trainer: „Da müssen wir den Montag abwarten.“ Gabor Anscin (TSG Friesenheim ) gilt als heißer Anwärter.

Von Daniel Hund

 14.02.2011