Veröffentlichung:

Gensheimers große Gier (MM)

Rhein-Neckar Löwen starten in die Saisonvorbereitung / Verpasste Meisterschaft soll Motivationsschub geben

MANNHEIM. Nikolaj Jacobsen zeigte mit einem Grinsen in Richtung Laufbahn. „Da werden die Jungs ab Dienstag sehr viel Zeit verbringen“, sagte der neue Trainer der Rhein-Neckar Löwen. Und schnell wurde klar: Dieser Mann lacht und flachst gerne. Hier ein flotter Spruch, da ein kleiner Seitenhieb. Spaß wird beim 42-jährigen Dänen ganz groß geschrieben – wenn er nicht gerade zum Lauftraining bittet.

Voraussichtlich am 23. August starten die Löwen mit einem Heimspiel gegen den SC Magdeburg in die Saison. Bis dahin bleiben dem Nachfolger von Gudmundur Gudmundsson sechs Wochen Zeit, um die Mannschaft kennenzulernen, sie körperlich auf ein Topniveau zu bringen und mit ihr an der Taktik zu feilen. Das Horror-Ende der abgelaufenen Spielzeit mit dem verpassten Titelgewinn soll keine Rolle mehr spielen. „Nach der vergangenen Saison wollte ich einfach nur noch weg“, gestand Uwe Gensheimer, der sich bestens auf den Malediven erholte. „Das war wichtig für den Kopf und für den Körper. Es ist mir sehr gut gelungen, Abstand zu gewinnen. Jetzt freue ich mich wirklich auf die neue Saison.“

Streben nach Glück

Nach dem Trauma sprüht der Anführer des Löwen-Rudels nur so vor Tatendrang. „Wenn man so etwas wie wir am letzten Spieltag erlebt hat, muss man sich neue Ziele setzen. Auf uns warten die nächsten Herausforderungen“, richtete der Weltklasse-Linksaußen den Blick in die Zukunft. Seinen Traum von der Meisterschaft mit den Löwen hat der waschechte Mannheimer natürlich noch nicht aufgegeben, das Streben nach Glück und die Gier auf den Titel sind vermutlich jetzt sogar noch größer als jemals zuvor: „Wenn man so nah dran war, will man es auch mal schaffen. Unser Wille ist ungebrochen. Die Spieler, die vergangene Saison auch da waren, wissen genau, wie sich diese Enttäuschung angefühlt hat. Das wollen wir nicht noch einmal erleben. Und das werden wir den Neuzugängen einimpfen.“

Manager Thorsten Storm geht ebenfalls davon aus, dass die verpasste Meisterschaft keine negativen Auswirkungen mehr auf die Zukunft haben wird. „Wir haben einen neuen Trainer, der neue Impulse setzen wird. Diese Veränderung ist wahrscheinlich sogar ein Vorteil, um die vergangene Saison zu vergessen“, sagte der Geschäftsführer, der traditionell keine Angaben zum Etat machte. Der Vermarkter-Deal mit IMG garantiert dem Bundesligisten allerdings jährlich sechs Millionen Euro, das Gesamtbudget dürfte demnach bei ungefähr 7,5 Millionen Euro liegen. Reicht das aus, um Meister zu werden? Storm geht auf jeden Fall davon aus, dass die Löwen wieder eine gute Rolle in der Handball-Bundesliga spielen werden. „Flensburg hat ein paar wichtige Spieler verloren, Hamburg kann ich gar nicht einschätzen, Berlin hat ein ähnliches Niveau wie in der vergangenen Saison. Favorit ist Kiel.“

Trainer Jacobsen will sich auf keine Platzierung bei der Formulierung eines Saisonziels festlegen. „Ich sage es einmal vorsichtig: Unter den ersten fünf Mannschaften sollten wir schon landen“, sagte der Däne, der bei aller Bescheidenheit aber auch ehrgeizige Ziele mit dem Vizemeister verfolgt: „Ich bin hier, weil ich etwas gewinnen will.“ Eine andere Aussage würde bei diesem Kader auch wenig Sinn machen. „Ich werde bei dieser Mannschaft jeden Morgen mit einem Lachen aufwachen und mich darüber freuen, dass ich mit diesen Spielern arbeiten darf“, weiß der Trainer die Qualitäten seines erstklassig besetzten Ensembles zu schätzen: „Ich habe die Truppe, die ich haben wollte.“

Sind die Löwen nach ihren klugen Transfers vielleicht sogar stärker als in der vergangenen Saison? „Das hoffe ich“, ließ sich Jacobsen nicht aus der Reserve locken und verwies auf die Unerfahrenheit seines Teams. „Wir haben eine sehr junge Mannschaft. Mads Mensah Larsen und Harald Reinkind sind riesige Talente, aber auch nicht sonderlich alt.“ Mit Tim Suton, der in der vergangenen Saison als 18-Jähriger Torschützenkönig der Zweiten Liga wurde, stößt ein weiterer Rohdiamant zur Mannschaft.

Die ersten Trainingswochen verpasst der Rückraumspieler allerdings, weil er mit der deutschen Junioren-Nationalmannschaft an der Europameisterschaft teilnimmt. „Das ist einfach schlecht, wenn dieses Turnier in die Saisonvorbereitung fällt“, ärgerte sich Jacobsen, der in taktischer Hinsicht vor allem an der Abwehr arbeiten will. „Die Löwen haben in der Vergangenheit hauptsächlich mit 6:0-Formation gespielt. Das werden wir auch weiterhin tun. Aber ein, zwei weitere Varianten sollten wir auch beherrschen.“

Zunächst einmal stehen aber viele Laufeinheiten auf dem Trainingsplan, Team-Koordinator Oliver Roggisch will diese übrigens auch bestreiten. Jacobsen vernahm das mit Interesse und versprach: „Das wird er nicht lange durchhalten.“

Von Marc Stevermüer