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Große Ziele, große Sorgen (MM)

Mannheim. Thorsten Storm kennt dieses Gefühl. Und zwar seit Jahren. Doch er will sich nicht daran gewöhnen. Warum auch? Der Manager der Rhein-Neckar Löwen ist ein optimistischer Mensch, der an Siege und das Potenzial seiner Mannschaft glaubt. Doch die lässt ihn in schöner Regelmäßigkeit im Stich. Am Samstag leistete sich der Handball-Bundesligist gegen die MT Melsungen mit dem 30:30 (17:15) den nächsten Patzer. Und so stand Storm mit versteinerter Miene in den Katakomben der SAP Arena und sollte erklären, warum sich die Badener nach dem 32:33 in Hannover erneut einen Ausrutscher erlaubt hatten.

Der Manager hielt einen Augenblick inne, wählte sorgsam seine Worte und drückte sich halbwegs diplomatisch aus. In ihm dürfte es jedoch gebrodelt haben. „Das war eines der schlechtesten Spiele, das ich je von uns gesehen habe. Ich bin enttäuscht. Wir haben den Anspruch, Melsungen zu besiegen“, meinte Storm, der noch froh über einen Zähler sein durfte. Immerhin hatten die Nordhessen bis 47 Sekunden vor dem Abpfiff mit 30:28 geführt.

Anderseits sahen die Badener beim 21:16 (36.) schon wie der sichere Sieger aus. „Es war unnötig, diese Partie aus der Hand zu geben. Wir hätten die Begegnung entscheiden müssen. Es kann nicht sein, dass die Mannschaft einfach das Tempo rausnimmt“, schimpfte Storm, der nur 5543 Zuschauer in der Arena begrüßen durfte: „Solch eine Leistung trägt nicht dazu bei, dass künftig mehr Fans kommen.“

Keine Frage: Die Löwen haben einen schweren Stand, woran sie selbst schuld sind. Jahrelang sprach der Aufsichtsratsvorsitzende Jesper Nielsen von Titeln und weckte überzogene Erwartungen, die kaum erfüllt werden konnten. Jetzt müssen die Gelbhemden die Suppe auslöffeln.

Svensson nicht nominiert

Im Kampf um die Champions-League-Plätze droht der EHF-Cup-Starter früh in der Saison vorentscheidend ins Hintertreffen zu geraten. Die Ziele sind groß, die Sorgen auch. In Hamburg, Berlin, Flensburg und Kiel dürfte man sich am Samstag auf jeden Fall über das Ergebnis in Mannheim amüsiert haben – zumal das Remis so vollkommen unnötig für die Löwen war.

Storm kritisierte die Chancenverwertung, aber auch die Leistung der Torhüter Goran Stojanovic und Henning Fritz. Im Vorfeld hatten sich die Badener dafür entschieden, Torwart-Trainer Tomas Svensson nur als Offiziellen, aber nicht als Spieler auf den Spielberichtsbogen zu schreiben, obwohl dort noch Platz gewesen wäre, weil die Löwen nur 13 statt der erlaubten 14 Akteure nominierten. Ein Fehler? „Was soll ich dazu sagen? Das müssen Sie den Trainer fragen“, verwies Storm auf Coach Gudmundur Gudmundsson.

Der Isländer fand es in Ordnung, sich selbst der Option Svensson beraubt zu haben. „Sicherlich waren unsere Schlussmänner nicht gut. Aber zuletzt haben wir uns auf sie verlassen können, wir vertrauen ihnen. Zwei Torhüter sollten reichen“, stellte Gudmundsson klar. Ansonsten ging aber auch der Trainer mit seinen Jungs hart ins Gericht: „45 Minuten lang haben wir ordentlich gespielt – und dann in einer Viertelstunde alles verschenkt.“ Genauso wäre es den Löwen zuletzt fast in Lemgo ergangen. „Dort hatten wir bereits Glück“, sagte Storm, während Gudmundsson sein Team erneut ermahnte: „Es ist gefährlich, einfach nachzulassen. Bei uns passiert das zu plötzlich. Und dann dauern die schlechten Phasen zu lange.“

In der Tat: Wenn man die Badener auf dem Weg zum Sieg sieht, brechen sie oft ein. Sie wirken nicht gefestigt. An der Belastung kann das keinesfalls liegen, weil die Champions League verpasst wurde. „Wir hatten genügend Vorbereitungszeit für dieses Spiel“, merkte Storm angesichts der zehntägigen Pause süffisant an. Auffällig ist allerdings, dass die Alternativen auf der Bank fehlen. Bestes Beispiel: Karol Bielecki. Der verunsicherte Halblinke hätte zurzeit vermutlich sogar bei einer Sechs-Tore-Führung in einem Testspiel nicht den Mut für einen Torwurf.

Die Problematik des Leistungsabfalls durch Spielerwechsel führt zwangsläufig zu der Frage: Sind die Löwen kein Top-Klub in der Krise, sondern einfach nicht besser? Möglicherweise war der Sieg über Hamburg der Ausrutscher und nicht das Remis gegen Melsungen. Am Freitag wir sich zeigen, wohin die Reise der Gelbhemden führt: Es geht nach Magdeburg. Und es herrscht akuter Fehlstart-Alarm. Die Zeit, ein Zeichen zu setzen, ist reif.

Von Marc Stevermüer