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Guardiolas glückliches Grinsen (MM)

Beim 25:23-Erfolg der Rhein-Neckar Löwen über Berlin gehört der Spanier zu den Sieggaranten

MANNHEIM. Eine Stunde nach Spielende brandet Applaus im Business Club der SAP Arena auf. Die Menschen an der Theke und den Tischen stellen ihre Gläser weg, legen das Besteck zur Seite. Sie brauchen ihre Hände, denn sie klatschen. Alexander Petersson betritt den Raum. Jener Mann, der zuvor acht Tore gegen seinen Ex-Klub Füchse Berlin markiert und damit die Rhein-Neckar Löwen zum 25:23-Sieg geführt hat.

Ähnlich ergeht es Uwe Gensheimer, als er nach der Partie und der Rückeroberung der Tabellenspitze die Kabine verlässt und in den Innenraum zurückkehrt. Der Mannheimer schreitet durch die Katakomben Richtung Spielfeld – und als sein Schnauzbart sichtbar wird, hallt ein Jubelschrei durch die Halle für jenen Mann, der drei Minuten vor dem Abpfiff mit einem frechen Siebenmeter die erste Löwen-Führung nach der Pause besorgte.

Lob von Roggisch

Applaus für Petersson, Jubel um Gensheimer. Doch es gibt da noch einen, der entscheidenden Anteil am Erfolg der Badener hat: Gedeón Guardiola. Und zwar nicht nur wegen seiner drei Tore, sondern vor allem aufgrund seiner exzellenten Deckungsarbeit. Wenn nicht Abwehrchef Oliver Roggisch selbst, wer sonst könnte die Defensivleistung des Spaniers besser beurteilen: „Gedeón war einer der Garanten für den Sieg.“ Roggisch steht oft genug im Schatten der Offensivkünstler. Er weiß, wie es ist, wenn die Torjäger gelobt werden, obwohl ein Spiel 25:23 ausgeht. Weil es immer einfacher ist, eine Leistung nach Strichen für Tore zu beurteilen.

In der Schlussphase gegen Berlin ist es aber nicht die Petersson-Show, die den Sieg bringt. Gewiss: Der Isländer ist verantwortlich dafür, dass die Löwen überhaupt noch die Chance auf zwei Punkte haben. Aber in den Vordergrund spielt sich plötzlich Guardiola. Mit einer Energieleistung erobert er zwei Minuten vor dem Abpfiff bei einer 23:22-Führung den Ball. Ein Grinsen huscht kurz über sein Gesicht, als er da auf Höhe der Mittellinie steht und das Spielgerät ganz fest in seinen Händen hält. „Das war Adrenalin pur“, sagt der 28-Jährige nach der Begegnung in einem Mix aus Englisch, Deutsch und Spanisch. Immer wieder klopft der Kreisläufer mit der rechten Faust auf sein Herz, immer wieder spricht er ein Wort: „Emoción.“ Guardiola sagt es einmal, zweimal, dreimal; „Emoción, Emoción, Emoción.“

Der Ballgewinn an sich freut ihn, Sekunden später macht er auch noch das Tor zum 24:22. „In einem engen Spiel in einer entscheidenden Phase so wichtig zu sein, ist ein unglaublich schönes Gefühl“, sagt der Rechtshänder, der vor der Saison zusammen mit seinem Bruder Isaías zu den Löwen wechselte und für Bjarte Myrhol in die Partie gekommen war: „Ich fühlte mich bereit, seine Rolle zu übernehmen.“

Zuletzt war Guardiola nur sporadisch im Einsatz, doch gegen Berlin sind vor 10 975 Fans seine Kämpfer-Qualitäten gefragt – keine einfache Situation: „Solch ein Spiel habe ich gebraucht. Das Vertrauen der Jungs in mich spüre ich seit dem ersten Tag. Jetzt bin ich glücklich, es zurückgezahlt zu haben.“ Das Lob von Trainer Gudmundur Gudmundsson ist ihm sicher. „Er hatte einen großen Anteil am Erfolg“, sagt der Isländer – und Manager Thorsten Storm adelt den Spanier: „Wenn Uwe Gensheimer als Künstler gilt, dann geht Gedeón als Arbeiter durch. Und solch ein Typ ist für den Erfolg genauso wichtig.“

„Sensationelles Spiel“

Guardiola selbst bekommt das alles nicht mit. Der Olympia-Teilnehmer ist noch mit sich selbst beschäftigt, von seinen Gefühlen überwältigt, als er über das zuvor Erlebte spricht. „Eine grandiose Stimmung, ein sensationelles Spiel – ich bin einfach nur glücklich.“ Das ist auch Roggisch, der das Löwen-Team immer mehr zusammenwachsen sieht: „Gedeón war gegen Berlin wertvoll und wird immer wichtiger werden. Wir müssen auch die anderen Jungs, die zuletzt nicht so viel gespielt haben, weiter ins Team einbauen. Denn die Saison ist noch lang.“

Gezweifelt haben die Löwen an Guardiolas Qualitäten nie. „Er ist Nationalspieler. Wir Schweizer haben in der EM-Qualifikation mit 22:33 gegen Spanien verloren. So schlecht kann Gedeón also nicht sein“, meint Andy Schmid, der sich vor zwei Wochen nach dem Länderspiel in Schaffhausen allein auf den Weg zurück in die Rhein-Neckar-Region machte. Der Regisseur flachst: „Wir waren so unterlegen, was soll ich den mitnehmen und mit ihm reden?“ Schmid steht lieber mit Guardiola im gleichen Team, vor allem wenn der Kreisläufer eines zeigt: Emoción, Emoción, Emoción.

Von Marc Stevermüer