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Gudmundsson packt die Turnschuhe ein

Heidelberg. Es war eine Reise ins Ungewisse. Kaum Spieler, wenig Selbstvertrauen – so hatten sich die Rhein-Neckar Löwen am Mittwoch auf den Weg in Richtung Balingen gemacht.Zurückkamensie als Helden, als Kämpfer: Mit neun Mann, dem letzten Haufen Aufrechter, stürmten die Gelben am Mittwochabend die Sparkassen Arena. Eine Festung, die man in der Regel nicht so einfach stürmt. Ein Mix aus Wille, Können und Kampfkraft ist in Balingen gefragt. Dort, wo Handball noch gearbeitet wird. Doch genau das können die Löwen eben auch.

Nach dem 30:24-Erfolg war Gudmundur Gudmundsson stolz auf seine Arbeiter. Der Trainer: „Mich hat dieser Auftritt sehr gefreut. Uns standen ja nur achteinhalb Spieler zur Verfügung!“ Achteinhalb? „Ja, achteinhalb. Denn Krzysztof Lijewski ist längst noch nicht wieder voll da. Mehr als ein Kurzeinsatz war bei ihm nicht drin.“

So viel zu Balingen. Weiter geht es in Schweden. Schon morgen, bei Eskilstuna Guif. Ein Gegner, der unbedingt aus dem Weg geräumt werden soll. Schließlich hat man ein großes Ziel: den Titel, die Krone im EHF-Cup. Doch wer Gudmi kennt, der weiß: Der kleine Isländer mit dem großen Handball-Sachverstand denkt nur in kleinen Schritten, immer von Spiel zu Spiel. Demnach ist da momentan nur eins, das interessiert: Eskilstuna Guif. Gudmundsson, der Analytiker. „Ich habe mir bereits einige Videos angeschaut.“ Und was er sah, war alles, nur nicht beruhigend: „Die spielen richtig unangenehm, laufen schnelle Gegenstöße, agieren richtig aggressiv.“

Kapitän Uwe Gensheimer und Co. Sind also gewarnt. Wobei das Co. nach wie vor „überschaubar“ ausfällt. Patrick Groetzki (Flüssigkeit im Knie) und Börge Lund (Leistenprobleme) werden auch beim Gastspiel im Land der Elche fehlen. „Beide sind noch lange nicht da, wo sie sein müssten, um mitspielen zu können.“ Gudmundsson wirkt nachdenklich, als er das sagt. Groetzki dürfte wohl in der kommenden Woche wieder eine Alternative sein. Die Rückkehr von Lund steht hingegen in den Sternen. „Bei ihm ist es kompliziert“, verrät sein Trainer, „in seinem Fall kann ich keine verbindliche Aussage machen.“

Apropos Lund, es hätte übrigens nicht viel gefehlt, und er wäre nach der EM überhaupt nicht mehr zurück ins Löwen-Gehege gekommen. Der Norweger, der bei den Löwen noch bis 2013 unter Vertrag steht, war bei mehreren Klubs im Gespräch. Unter anderem auch bei der MT Melsungen. Dies war am letzten Samstag bereits im Raum Melsungen in der Zeitung Extra-Tip zu lesen. Allerdings auch, dass es sich zerschlagen hätte. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. „Wir wollten ihn schon für die Rückrunde verpflichten“, erklärt Melsungens Trainer Michael Roth: „Die Vereine waren sich eigentlich auch einig, aber Börge wollte nicht.“ Noch nicht?! Roth: „Wir versuchen jedoch eine Lösung für die neue Saison zu finden.“

Findet man eine, würden sich Lund und Neuzugang Ekdahl du Rietz nicht mehr im Kronauer Trainingszentrum über den Weg laufen. Das schwedische Rückraum-Juwel verstärkt im Sommer bekanntlich das Rudel. Allerdings (vorerst) nur für eine Saison – wie es Löwen- Manager Thorsten Storm zu Wochenbeginn sagte. „Nur für eine Saison?“, wunderte sich Gudmi gestern im RNZ-Gespräch, „ich dachte es wäre für länger…“

Egal, momentan hat man andere Sorgen. Am Samstag gilt es, die Achtelfinal- Hürde im EHF-Cup zu überspringen. Mit achteinhalb Mann. Oder vielleicht doch neuneinhalb? Der Trainer kramt möglicherweise nämlich noch eine Geheimwaffe heraus: sich selbst. Gudmundsson, der Schelm: „Ich werde mein Turnschuhe auf jeden Fall mitnehmen.“

Von Daniel Hund

 10.02.2012