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Gut gerüstet dank Mamas Kuchen (MM)

Praktisch über Nacht erfüllte sich sein Traum von der Handball-Bundesliga: Ende des vergangenen Jahres wechselte Stefán Sigurmannsson zu den Rhein-Neckar Löwen. Nach der Rückkehr von Uwe Gensheimer ist er nicht mehr der Alleinunterhalter auf Linksaußen – doch damit hat der Isländer kein Problem.

Die Mama war glücklich, der Sohn kam im Sommer nach Hause. Und das sogar für fünf Wochen. Viel war in den vergangenen neun Monaten in der Karriere von Stefán Sigurmannsson passiert. Praktisch über Nacht wechselte er Ende 2012 vom isländischen Erstligisten Haukar Hafnarfjördur zu den Rhein-Neckar Löwen. Er verließ seine Heimat, seine Familie – und brach mit damals 22 Jahren zu einem Abenteuer auf, von dem er immer geträumt hatte. Die Bundesliga. „Stefan kam nur mit einem kleinen Koffer“, erinnert sich Trainer Gudmundur Gudmundsson, der seinen Landsmann auf Linksaußen für den verletzten Uwe Gensheimer schnell in die Mannschaft einbaute.

Der Wechsel nach Deutschland, ein neues Land, eine neue Liga, eine neue Sprache. Die Entwicklung zum Leistungsträger. All das meisterte der Flügelflitzer – und zur Krönung gab es an seinem 23. Geburtstag den Titel im Europapokal. Kurios: Mit Haukar Hafnarfjördur war er aus dem EHF-Cup ausgeschieden, am Ende hielt der Isländer die Trophäe in seinen Händen: „Das ist eine verrückte Geschichte. Ich bin vielleicht der erste Spieler, der einen Titel gewinnt, obwohl er aus dem Wettbewerb ausgeschieden ist.“

Sigurmannssons Eltern verfolgten die Entwicklung ihres Sohnes genau und sind stolz auf ihn. „Sie haben mich immer unterstützt und sich gefreut, als der Wechsel zu den Löwen klappte“, berichtet der Isländer und ergänzt mit einem schelmischen Schmunzeln: „Okay, Mama war ein bisschen traurig, dass sie ihren kleinen Jungen verloren hat.“

Immerhin: Zuletzt konnte sie den Filius verwöhnen. „Es tat gut, zu Hause zu sein. Mittlerweile kommen meine Eltern aber auch oft nach Deutschland. Erst am Freitag sind sie zurückgefahren, sie waren drei Wochen hier. Meine Mutter hat mir immer Kuchen gebacken – das hat mir sehr geholfen bei diesem harten Training in der Vorbereitung“, berichtet der Linksaußen mit glänzenden Augen. Keine Frage: Der Rechtshänder genoss die Zeit mit der Familie, nur das Wetter spielte beim Heimat-Trip nicht mit. „Das war der kälteste Sommer seit 1955“, sagt Trainer Gudmundsson, dem die niedrigen Temperaturen beim Fischen allerdings wenig ausmachten. Sigurmannsson hätte es hingegen gern ein wenig angenehmer gehabt. Er verzieht das Gesicht beim Blick zurück: „15 Grad – wenn wir Glück hatten.“

Umso wärmer war es, als die Saisonvorbereitung beim Bundesligisten startete. „Ich kam hier hin und dann waren es 38 Grad. Die erste Woche war schwer für mich“, blickt der 1,96-Meter-Mann zurück: „Das Training war bislang sehr, sehr hart. Es ist meine erste Saisonvorbereitung mit den Löwen, wir haben unheimlich viel im Kraft- und Ausdauerbereich gearbeitet. Aber das war sehr wichtig, um gut durch die Runde zu kommen. Jetzt spielen wir etwas mehr Handball.“

Zum Beispiel beim Intersport-Masters um den Kempa-Cup, wo die Badener nach ihrem deutlichen 33:23-Auftaktsieg am Freitag über den TV Neuhausen gestern gegen Frisch Auf Göppingen verloren (24:27) und RK Zagreb mit 29:20 bezwangen. Heute steht das Spiel um Platz drei gegen den TV Bittenfeld an – und auch in diesem Duell wird sich Sigurmannsson die Einsatzzeit mit Gensheimer teilen müssen. Nach der Rückkehr des Kapitäns ist die Rolle als Alleinunterhalter auf Linksaußen Geschichte, was für den Isländer aber kein Problem ist: „Ich weiß, dass ich der zweite Mann bin und noch sehr hart arbeiten muss. Uwe ist ein guter Spieler und ich kann viel von ihm lernen. Wir haben in dieser Saison aber so viele Partien durch die Champions League. Deshalb denke ich, dass ich meine Einsatzzeiten bekommen werde.“

Den Begegnungen in der Königsklasse fiebert der Rechtshänder schon jetzt entgegen, war er doch noch nie in diesem Wettbewerb am Ball. „Ich freue mich riesig, auch wenn auf uns sehr schwere Aufgaben warten“, weiß der Blondschopf um die starken Gegner und den immensen Reisestress. Fast jeden dritten Tag ein Spiel – so sieht der Terminkalender bis zum Jahreswechsel aus. So schnell geht es für ihn also nicht mehr nach Island. Aber dort wird es ja auch sowieso immer kälter.

Von Marc Stevermüer