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„Handball ist keine Mathematik“

Børge Lund vor dem dritten Duell gegen den THW Kiel im Interview

Der gute Draht von Børge Lund zu den früheren Mitspielern aus Kiel ist nicht abgebrochen. Nach dem 30:30 zwischen den Rhein-Neckar Löwen und den „Zebras“ in der Champions League am zurückliegenden Freitag saß der Norweger noch lange in der Kabine der Gäste und pflegte die Freundschaft zu den Kameraden von einst. Mit ihnen hatte er zwischen 2007 und 2010 immerhin drei Deutsche Meisterschaften, einen nationalen Pokalsieg und einen Titel in der Champions League gefeiert – das schweißt zusammen. Mittlerweile liegt diese Episode allerdings hinter Lund, der seit Sommer bei den Badenern eine zentrale Figur in der Abwehr und im Angriff einnimmt.

Und in dieser Rolle schont sich der Rotschopf nicht, was ein Eisbeutel verdeutlicht, den er nach den Spielen am rechten Knie trägt. Die hohen Belastungen der Vergangenheit haben dazu geführt, dass ihn eine chronische und schmerzhafte Entzündung zwischen Patellasehne und Kniescheibe malträtiert. Das ist allerdings kein Grund, sich nicht dennoch in jeder Partie voll und ganz für die Mannschaft einzusetzen. Vor dem dritten Spiel gegen den THW innerhalb von elf Tagen am Mittwoch (20:45 Uhr) äußert sich Lund zur Entwicklung der Löwen, seinem eigenen Eingewöhnungsprozess und den Möglichkeiten, den „Zebras“ im dritten Vergleich die erste Niederlage beizubringen.

Børge, einige Top-Spiele liegen hinter euch. Wie fällt Dein bisheriges Fazit aus?

Die Bilanz nach den Spielen ist natürlich nicht gut. Wir hätten die Spiele in Flensburg und Hamburg gewinnen können und müssen. Auch im Heimspiel gegen Kiel in der Champions League war mehr drin als ein Unentschieden. In allen Partien hatten wir die Möglichkeiten, zu gewinnen, deshalb können wir nicht zufrieden sein.

Alle Spiele waren bis in die Schlussminuten eng, was sind aus Deiner Sicht die Ursachen, dass es nicht zu mehr gereicht hat?

Es gibt keine klare Ursache, beziehungsweise nicht einen Grund, woran es liegt. Wir haben in den Matches ja gut gespielt, der Verein und die Mannschaft sind eindeutig auf dem richtigen Weg. Im Moment fehlt uns eben noch ein kleines Stück. Und wir arbeiten hart daran, den letzten Schritt noch zu gehen. Aber ich sage ja nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, dass uns noch etwas Konstanz fehlt. Das liegt natürlich auch daran, dass die Mannschaft noch nicht so gewachsen ist wie zum Beispiel das Team aus Kiel. Deshalb braucht es Zeit, aber wir zeigen ja jede Woche, dass wir jedes Spiel gewinnen können.

Dennoch reichte es bislang gegen die großen Gegner nicht …

Der Unterschied zu diesen Klubs ist die Konstanz über Jahre hinweg. Kiel zum Beispiel wechselt jedes Jahr ein oder zwei Spieler, die viel leichter zu integrieren sind, als wenn fünf oder sechs Neue kommen. Die Neuzugänge bekommen durch die Akteure, die schon länger da sind, schnell die Siegermentalität vermittelt. Das macht die Sache für die Mannschaft einfacher. Aber noch einmal: Ich bin überzeugt, dass wir bei den Löwen auf einem richtig guten Weg sind. Wir wissen, dass wir jeden Gegner schlagen können.

Das hat bisher aber noch nicht geklappt …

Noch nicht, aber das wird sich ändern.

Obwohl Du mit dem THW in jedem Jahr Titel gewonnen hast, hast Du Dich zu einem Wechsel zu den Löwen entschieden. Bist Du mit diesem Entschluss zufrieden?

Ich bin wahnsinnig froh, hierhergekommen zu sein. Ich stehe jetzt wieder in einem Team, dass stark genug ist, um Titel zu gewinnen.

Wie bewertest Du die ersten Monate mit der neuen Mannschaft?

Ich finde, dass wir schon sehr weit gekommen sind. Ich bin der Meinung, dass wir von Spiel zu Spiel besser werden. Auch im Training sind Fortschritte erkennbar, von Woche zu Woche. Ich habe hier sehr gute Handballer um mich herum und glaube, dass wir noch nicht am Ende unseres Weges sind.

Wie bewertest Du Deine ersten Monate aus sportlicher Sicht persönlich?

Es ist wichtig, dass die Mannschaft erfolgreich spielt. Wenn ich nicht gut drauf bin, kommt Andy Schmid und bringt eine gute Leistung. Das ist entscheidend. Insgesamt bin ich aber zufrieden. Ich bin zu den Löwen gekommen, weil ich mehr Spielanteile in der Offensive wollte und das ist eingetreten. Natürlich brauche auch ich noch etwas mehr Zeit, um noch besser mit den Mitspielern eingespielt zu sein, aber ich bin guter Dinge für die Zukunft.

Wenig Einspielzeit hast Du mit Bjarte Myrhol gebraucht, den Du aus Nordhorn und von der norwegischen Nationalmannschaft kennst. Welche Rolle hat er bei Deinem Wechsel zu den Löwen gespielt?

Es hat alles einfacher gemacht. Ich habe mich vor dem Wechsel mit ihm unterhalten und er hat positiv über den Klub gesprochen. Ich wäre auch zu den Löwen gekommen, wenn Bjarte nicht hier wäre, aber so war die Entscheidung leichter.

Wie bist Du mittlerweile privat in der Region angekommen?

Wir, das heißt meine Frau Tone, unser Sohn Lukas und ich, haben ein Haus in Rauenberg bezogen. Ganz in der Nähe von Bjarte Myrhol übrigens, wir sind fast Nachbarn. Ich fühle mich hier sehr wohl und da wir bereits direkt nach der Saison umgezogen sind, ist die Eingewöhnung sehr leicht gefallen.

Mit Bjarte spielst Du nicht nur bei den Löwen zusammen, sondern ihr seid  auch in der Nationalmannschaft feste Größen. Welche Ziele hast Du bei der WM im Januar in Schweden?

Wir waren in den zurückliegenden Jahren bei den großen Turnieren immer gut im Geschäft, aber wir haben es nicht über die Hauptrunde hinaus geschafft. Deshalb muss es jetzt das Ziel sein, es einmal weiter zu schaffen.

Bis zur WM stehen noch ein paar Aufgaben mit den Löwen an. Jetzt geht es zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit gegen den THW Kiel. Das erste Spiel ging verloren, das zweite endete Unentschieden, fehlt nur noch …

… ein Sieg, ja. Aber Handball ist keine Mathematik.

Worauf wird es im Duell gegen den Deutschen Meister ankommen?

Es werden, wie immer auf diesem Niveau, Kleinigkeiten entscheiden. Wir müssen die richtigen Schlüsse aus den ersten beiden Partien ziehen, damit wir diesmal das bessere Ende für uns haben.

Der THW hat nach der Niederlage beim HSV Hamburg Druck, weil der Anschluss nach oben nicht verloren gehen soll. Kann das ein Vorteil für die Löwen sein?

Die Kieler sind es gewohnt, mit Druck zu spielen. Der THW will jedes Spiel gewinnen, allein das verursacht Druck. Das ist ähnlich wie bei uns. Beide Mannschaften sind daran gewöhnt, unter Druck zu stehen. Deshalb wird das nicht entscheidend sein.

Was muss passieren, damit Du in ein paar Monaten von einer erfolgreichen Saison sprichst?

Im Grunde ist es immer dann ein Erfolg, wenn man einen Titel in der Hand hat. Aber es ist jetzt schwer zu sagen, was für uns ein Erfolg ist. Andersrum kann ich es besser sagen: Wenn wir nicht bis zum Ende in drei Wettbewerben dabei sind, wäre ich enttäuscht.