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Helden in der Heimat

Die spanischen Zwillinge Gedeón und Isaías Guardiola spielen bei den Löwen – und sind der Stolz ihrer Geburtsstadt

MANNHEIM. Die katholische Kirche Sankt Bartolomeu ist die größte Sehenswürdigkeit im spanischen Petrer, der 42 000-Einwohner-Stadt 40 Kilometer nordwestlich von Alicante. Doch seit diesem Sommer gibt es eine weitere Attraktion. Die örtliche Sporthalle trägt seit wenigen Wochen den Namen Gedeón und Isaías Guardiola. Die Zwillinge in Diensten des Handball-Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen sind momentan die prominentesten Söhne der Stadt, entsprechend werden sie jedes Mal gefeiert, wenn sie nach Hause kommen. Erst recht, nachdem sie im Mai mit den Löwen den EHF-Pokal gewannen und Gedeón dazu im Januar Weltmeister wurde.

„Die Menschen in unserer Heimat wollen immer Fotos und Autogramme von uns. Das ist sehr aufregend“, berichtet Kreisläufer Gedeón von einem Sommer mit vielen Terminen in Petrer. Auch Rückraumspieler Isaías erinnert sich gerne an die erholsame Auszeit in der Heimat: „Wir sind Helden in unserer Stadt. Die Einwohner verfolgen dort unsere Spiele im Internet. Das ist unglaublich.“

Seit einem Jahr leben die Zwillinge nun in Heidelberg, die Löwen sind für die zwei Spanier die erste Auslandsstation – und nach ein paar Anlaufschwierigkeiten kommen sie in Deutschland immer besser zurecht. Die Sprache sei zunächst das größte Hindernis gewesen, darin sind sich die beiden 28-jährigen stets gut gelaunten Brüder einig. Doch mittlerweile klappt die Kommunikation immer besser, dazu kommt der sportliche Erfolg. „Die erste Saison war fantastisch. Ich habe viel gelernt. Eine neue Sprache, eine neue Art des Handballspiels, ein neuer Verein. Und dann gewannen wir auch noch den EHF-Pokal. Es war das erste Mal, dass Gedeón und ich zusammen einen Titel holten“, freut sich Isaías, während sein Bruder bereits wieder dem Winter entgegenfiebert – trotz der für ihn ungewöhnlich kalten Temperaturen: „Ich liebe die deutschen Weihnachtsmärkte.“

Hinter Gedeón liegen aber nicht nur aus sportlicher Sicht die ereignisreichsten Monate seines Lebens, im Juni 2012 heiratete er auch noch seine Freundin Paula Orgilés Calpena. „Erst die Hochzeit, dann der Umzug nach Deutschland. Diese Zeit war sehr aufregend und wir sind glücklich, hier zu sein. Denn in unserer Heimat gibt es große wirtschaftliche Probleme“, sagt der Abwehrchef der spanischen Weltmeister-Mannschaft, der aufgrund der Olympischen Spiele im vergangenen Jahr auf eine Hochzeitsreise verzichten musste. Die Flitterwochen wurden in diesem Sommer in New York nachgeholt – und American-Football-Fan Gedeón konnte nicht widerstehen, sich einen Helm der New York Jets zu kaufen. Auf dem Handball-Feld will er diesen zwar nicht zum Einsatz bringen, gleichwohl weiß er um die knüppelharte Arbeit in der Abwehr. Der Kreisläufer ist sich für nichts zu schade, geht dahin, wo es wehtut – und genießt die Bundesliga, zumal es mit dem spanischen Klub-Handball immer weiter bergab geht. Zuletzt ereilte den ehemaligen Verein seines Bruders, Renommierklub Atlético Madrid, das finanzielle Aus. „Eine traurige Nachricht. Spekuliert wurde darüber ja schon lange. Ein Ende mit Schrecken ist auf jeden Fall besser als die ewigen Gerüchte“, meint der Rechtshänder – und erhält Zustimmung von Isaías, der ein vernichtendes Urteil fällt. „Handball in Spanien genießt mittlerweile einen Amateurstatus. Es ist eine Schande, was aus diesem Sport geworden ist, gerade weil ihn so viele Menschen ausüben. Aber es fehlt einfach an professionellen Strukturen, wenn ich das mit Deutschland vergleiche“, meint der Linkshänder, der viele Jahre in der Liga Asobal spielte und in dieser Zeit das eine oder andere Mal auf sein Gehalt warten musste.

Diese Sorgen hat er bei den Löwen nicht, weshalb das Kraftpaket den Sommer unbeschwert in seinem Strandhaus auf Ibiza verbrachte. Dort leitete er ein Handball-Camp: „Ich finde es wichtig, dass Kinder Tipps von Profis bekommen.“ Was ihn ihm steckt, wird er nach der Verletzung von Alexander Petersson mehr denn je beweisen müssen. „Ich bin bereit“, kündigt Isaías an. Mit guten Leistungen möchte er sich für die Nationalmannschaft empfehlen. „Mein achtes Länderspiel soll nicht mein letztes gewesen sein.“ Vielleicht gelingt es ihm sogar, mit seinem Bruder auch im Dress der spanischen Auswahl eine Medaille zu gewinnen. In Petrer würden sie sich garantiert etwas einfallen lassen. Platz für Denkmäler gibt es bestimmt.

Von Marc Stevermüer