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Höchststrafe, Hohn und Häme (MM)

Kiel. Selbst der Hallensprecher verkniff sich einen hämischen Seitenhieb nicht. Wer den Schaden hat, der muss für den Spott bekanntermaßen nicht sorgen. „Die Rhein-Neckar Löwen kämpfen um die Teilnahme an der Champions League, in der dicke Zusatzeinnahmen garantiert sind – und die können die Löwen ja wohl gut gebrauchen.“ Keine Frage: Der badische Handball-Bundesligist, er wurde schon vor dem Anpfiff der Begegnung beim THW Kiel ob seiner finanziellen Lage ein erstes Mal gedemütigt, Teil zwei folgte später auf der Platte.

Phasenweise vorgeführt

Mit 33:25 demontierten die Norddeutschen die überforderten Gelbhemden, die sich ihrem Schicksal ergaben und höhnischen Applaus der 10 250 Zuschauer ernteten, als Karol Bielecki Mitte der zweiten Halbzeit nach unzähligen Fehlversuchen endlich sein erstes Tor erzielte. Die Partie war da freilich längst entschieden, weil sich die Mannschaft von Trainer Gudmundur Gudmundsson zu keinem Zeitpunkt als Spitzenteam präsentierte und – quasi als Höchststrafe – phasenweise vorgeführt wurde.

Dabei gab es vor gar nicht allzu langer Zeit noch Momente, in denen der THW in den Löwen einen ernsthaften Rivalen wachsen sah und um seinen Status als unangefochtene Nummer eins fürchtete. Doch seitdem Geldgeber Jesper Nielsen die Lust an seinem badischen Projekt verloren und sich der Klub selbst einen Sparkurs verordnet hat, wissen die Kieler, dass sie aus Mannheim nichts mehr zu befürchten haben. Süß schmecken die Siege über die Löwen dennoch, zu präsent sind noch Nielsens Provokationen und forsche Sprüche. Ausbaden muss die Häme jedoch nicht er, sondern die Mannschaft, die sich zu allem Überfluss an der Ostsee auch noch unter ihren Möglichkeiten präsentierte.

„Wir haben uns den Schneid abkaufen lassen. Es muss doch Spaß machen, sich mit Kiel zu messen. Auch wenn man mit drei Toren Differenz verliert, bekommt man keine Punkte. Aber ich mag es nicht, wenn man sich abschlachten lässt“, fand Manager Thorsten Storm klare Worte und wollte weder die strapaziöse Anreise mit dem Bus noch die immense Belastung für den von Verletzungen geplagten Kader gelten lassen: „Da waren keine Löwen auf dem Platz. Man sollte zumindest versuchen, Paroli zu bieten.“

Rang drei „bisschen weit weg“

Durch das 25:33 wuchs der Rückstand für die Gelbhemden auf den dritten Platz, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt, auf fünf Minuszähler an. Eine Kurskorrektur gibt es dennoch nicht. „Nach einer Niederlage in Kiel wäre es nicht der richtige Zeitpunkt, die Saisonziele zu korrigieren“, meinte Storm. Er räumte jedoch ein: „Rang drei ist jetzt ein bisschen weit weg. Wir werden aber alles geben, ohnehin kämpfen wir zurzeit an vielen Fronten.“

In der Tat bereitet nicht nur die sportliche Situation Kopfzerbrechen, auch die Zukunftsplanung gestaltet sich schwierig. Wie viel Geld gibt Nielsen noch, wie viel kann er überhaupt noch zahlen? Laut aktuellen dänischen Medienberichten schrumpft das Vermögen des Unternehmers wegen der Krise des Schmuckherstellers Pandora, an dem er beteiligt ist. Gegenüber „Sporten.dk“ weigert sich Nielsen allerdings weiterhin, von einer wirtschaftlichen Schieflage zu sprechen: „Alles ist still.“ Oder doch nur Ruhe vor dem Sturm? Für Gesprächsstoff dürfte in den nächsten Wochen zudem die Personalpolitik sorgen. Während die Löwen auf einem guten Weg bei der Vertragsverlängerung von Oliver Roggisch sind, weil dieser wohl Gehaltseinbußen in Kauf nehmen würde, fehlt ihnen aufgrund laufender Verträge der Handlungsspielraum bei anderen Profis.

Zuletzt war ein Abschied von Børge Lund ein Thema. „Ich möchte meinen Vertrag bis 2013 erfüllen“, sagt allerdings der Norweger, der mit Melsungen in Verbindung gebracht wurde: „Es gibt keine Anfrage und kein Angebot. Mein Berater und ich haben noch nicht einmal mit Melsungen gesprochen.“ Die Löwen in dieser Angelegenheit offensichtlich schon – was eher weniger als die feine englische Art gilt.

Von Marc Stevermüer