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Kein Wille, kein Kampf (RNZ)

Kiel/Heidelberg. Kopfhörer auf, MP3-Player an – Kopf aus. So oder so ähnlich könnte in der Nacht auf Donnerstag der Plan von so manchem Spieler der Rhein-Neckar Löwen ausgesehen haben. Doch mit Plänen ist es eben immer so eine Sache: Ausgeheckt sind sie schnell, umgesetzt dafür oft nur schwer. Vor allem diesmal: Das Rudel befand sich im Mannschaftsbus, tuckerte quer durch Deutschland, startete von ganz oben und wollten ach fast ganz unten. Von Kiel nach Kronau. Viele Stunden hat das gedauert.

Stunden, die sich zogen wie Kaugummi und nur schwer zu ertragen waren. Denn da tauchten immer wieder diese Bilder auf. Unterbewusst zwar, aber sie waren da. Bilder einer Demontage, von Einbahnstraßen-Handball in die falsche Richtung. Mit 25:33 ging das badische Handball-Flaggschiff an der Ostsee unter. Und das war noch Glück im Unglück. Denn der THW Kiel zog bereits zu Beginn der zweiten Halbzeit die Handbremse, wechselte häufig, probierte viel. Fast schien es so, als hätte der Rekordmeister Mitleid mit seinen Gästen.

Wie es so weit kommen konnte, wusste auch Manager Thorsten Storm nicht. Er grübelte: „Es gibt unterschiedliche Niederlagen und diese passt nicht zu uns.“ Was er meinte, ist klar: Ihm fehlte der Kampf, die Leidenschaft, der Wille. Den dünnen Kader ließ der Ex-Kieler jedenfalls nicht als Ausrede gelten. Im Gegenteil: „Klar, wir gehen auf dem Zahnfleisch, trotzdem hätte unbedingt mehr Spielfreude und Gegenwehr kommen müssen.“

Erschreckend war insbesondere, was Karol Bielecki auf die Platte brachte. Der Pole mit dem knallharten Wurf war mehr Hindernis als Hilfe. In der ersten Halbzeit warf er gefühlte acht Mal aufs Tor, rein ging keiner. Schlimmer noch: Bielecki traf nicht mal das Tor. Entweder schlugen die Bälle oben im Fangnetz ein oder rasten am rechten Pfosten vorbei. Erklärungsversuche: „Karol hat es probiert, aber sein Problem war, dass er einfach nicht getroffen hat“, erklärte Storm, der Ratlose. „Er ist zurzeit unser einziger Mann für diese Position.“ Druck, mit dem er offenbar nicht klarkommt.

Einer, für den Druck ein Fremdwort zu sein scheint, ist Uwe Gensheimer. Der Alleskönner. Der Kapitän war zuletzt stets der Fels in der Brandung, die Allzweckwaffe der Löwen. Rückraum, linker Flügel, egal – „Gensel“ kann’s überall. In Kiel war er der einzige Löwe, der Normalformerreichte. „Normalform? Für mich hat nichts mit normal zu tun: Was er bringt, ist überragend.“ Gut, dann anders: Gensheimer hielt auch in Kiel sein galaktisches Level. Acht Tore hat er erzielt. Und das gegen eine Mannschaft, die derzeit weltweit ihresgleichen sucht.

Wenigstens ein Lichtblick, doch halt, es gibt noch einen weiteren: Am 9. März scheint für die Löwen endlich mal wieder Zahltag zu sein. Für das Heimspiel um 19.45 Uhr gegen den Altmeister aus Magdeburg sind bereits 9.000 Tickets verkauft worden. Storm: „Freitagabend ist ein guter Termin.“

Zarko Sesum wird dann wohl noch nicht dabei sein. Er hat nach wie vor das gleiche Problem: sein Auge. Rechts sieht er kaum etwas. Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels. Storm: „Er wird spätestens heute operiert. Möglicherweise war es auch schon am Donnerstag so weit.“

Von Daniel Hund