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Hunger der Löwen noch nicht gestillt
Kiel/Heidelberg. Nein, alltäglich war das nicht. In Kiel gewinnt man nicht mal eben so. Nicht dort, nicht beim Rekordmeister, nicht in einer der sichersten Handball-Festungen Europas. Neun Mal hatten die Rhein-Neckar Löwen bereits an der Ostsee gejagt und neun Mal bissen sie sich die Zähne aus. Meist deutlich, meist verdientermaßen. Und dann dieser zehnte Anlauf, dieser Auftritt zum Einrahmen.
Den Spielern sah man sie an, die Genugtuung, die Erleichterung, die Freude über das 33:31. Kaum war’s rum, schon lag man sich in den Armen. Übereinander, untereinander. Uwe Gensheimer und Co. bildeten ein menschliches Knäuel, das kurzzeitig sogar durch die Ostseehalle robbte, rollte. Bilder, die unter die Haut gingen, die zum Mitlachen animierten. Zumindest als Nicht-Kieler, als neutraler Handball-Fan, als Löwen-Anhänger natürlich sowieso.
Doch es gab auch Ausnahmen im badischen Lager: Thorsten Storm und Gudmundur Gudmundsson, der Manager und der Trainer, dieKommandobrücke der Badener. Beide wirkten erstaunlich aufgeräumt. So, als hätte ihre Mannschaft gerade einen Pflichtsieg beim DHC Rheinland gelandet und eben keinen historischen Triumph im XXL-Format.
Gudmundsson fast schon entschuldigend: „Natürlich freue ich mich, aber ich konzentriere mich eben immer relativ schnell wieder auf den kommenden Gegner.“ Schnell ist gut, der Paukenschlag im hohen Norden war zu diesem Zeitpunkt gerade mal 90 Minuten alt. Und in Storm hatte er einen Verbündeten. Der Manager: „Klar ist das toll, unter dem Strich gibt es dafür aber auch nur zwei Punkte.“
Irgendwie verwirrend, diese Löwen. Oder doch eher imponierend? Ihr Hunger nach Erfolgen scheint grenzenlos zu sein. Ein bisschen Analyse war dann aber dennoch drin. Mit „Gudmi“, mit dem Baumeister des sportlichen Höhenflugs. Er nahm sich Zeit, verabschiedete sich gedanklich kurz von seinem nächsten Masterplan, mit dem er am Samstag die SG Flensburg-Handewitt (19 Uhr, SAP Arena) in die Knie zwingen möchte.
Vor allem zwei Namen fielen in der Aufarbeitung immer wieder: Kasa Szmal und Zarko Sesum. Sie waren seine Matchwinner, d i e Kiel-Bezwinger schlechthin. „Beide haben überragend gespielt. Kasa im Tor sogar sensationell: Er hat 55 Prozent der Bälle abgewehrt“, sprach’s und studierte vorsichtshalber nochmals die handgeschriebene Statistik: „Ja, es stimmt. 55 sind unglaublich, oder?“
Weg von Storm und Gudmundsson, hin zu einem weiteren starken Mann im Löwen-Gehege, dem wohl stärksten überhaupt. Richtig, gemeint ist Jesper Nielsen. Schmuckbaron, Aufsichtsratsboss, Hauptsponsor – ein Däne für alle Fälle. Und der hatte eine Vorahnung. Gudmundsson sei Dank, der war seine ganz persönliche „Glaskugel“. Nielsen verrät: „Ich habe tagsüber mehrmals mit Gudmi geredet, dabei habe ich irgendwie deutlich gespürt, dass da heute etwas geht.“ Am Tag danach wich die Freude dann dem Stolz: „Wir konnten in dieser Saison damit alle vier möglichen Punkte gegen Kiel holen. Unsere Kiel-Phobie ist weg – ganz klar.“
Wie auch immer, das Saisonziel, der dritte Platz, ist mittlerweile mehr als nur greifbar. Langeweile droht aber nicht. Nicht mit Nielsen. Wo er ist, ist Alarm. Längst hat er ein neues und realistisches Ziel im Auge: die Vize-Meisterschaft, das Abfangen des THW Kiel. Momentan ist man punktgleich (43:11). Nielsen, der Angriffslustige: „Es wäre doch toll, wenn das klappen würde und dadurch zugleich die beste Löwen-Platzierung aller Zeiten.“ Und im nächsten Jahr reicht es dann vielleicht zum ganz großenWurf, zum Titel. Halt, Stopp, Vorsicht! Da war ja was.
Etwas Einschneidendes. Nach aktuellem Stand werden sieben Spieler (Tkaczyk, Szmal, Gunnarsson, Sigurdsson, Stefansson, Bielecki und Lijewski) den Klub verlassen. Eigentlich schade, jetzt, wo es so gut läuft, wo man sich auf einem hohen Level eingependelt hat. Nielsen, der bis auf Szmal und Tkaczyk alle anderen nach Kopenhagen holen wird/will, weiß das, sagt aber auch: „Das ist der Profi-Handball. Ich vertraue da aber voll auf Gudmi. Er wird neue Spieler integrieren. Außerdem erwarte ich mir künftig auch viel von Schmid und Sesum. Sie werden nun ihren Raum bekommen.“
Gezwungenermaßen.
Von Daniel Hund
08.04.2011