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Szmal – der bescheidene Held

Kiel. Große Worte sind nicht sein Ding, große Taten hingegen schon. Doch daraus will Slawomir Szmal kein großes Aufheben machen. Niemals. Wenn jeder seiner Mitspieler bei den Rhein-Neckar Löwen seinen Namen nennt, ihn lobt, seine Extraklasse herausstreicht; wenn sein Trainer Gudmundur Gudmundsson einen Dank an ihn ausspricht, von einer herausragenden Leistung spricht – dann nimmt der Torwart die vielen Komplimente stets gelassen und mit unglaublicher Ruhe hin. Fast so, als wolle er sagen: Es ist doch mein Job, ein paar Bälle zu halten.

Besser als Omeyer

Der 1,86-Meter-Mann steht nicht gerne im Mittelpunkt, macht keine Show wie etwa der Berliner Schlussmann Silvio Heinevetter. Und trotzdem sprachen am Mittwochabend alle nur über ihn. Die Löwen hatten gerade überraschend das Spitzenspiel beim THW Kiel mit 33:31 gewonnen – und Szmal wieder einmal mehr als nur ein paar Bälle gehalten. Oder anders ausgedrückt: Der 32-Jährige hielt den Sieg fest, ragte aus einer wunderbaren Mannschaftsleistung noch heraus. „Mit solch einem Torhüter ist es natürlich leichter, in Kiel zu gewinnen“, sagte Linksaußen Uwe Gensheimer und dachte an die vielen spektakulären Rettungstaten des Polen, der sein Gegenüber Thierry Omeyer klar in den Schatten stellte.

Schon in der ersten Halbzeit parierte Szmal allein vier Siebenmeter. Reihenweise traten die THW-Weltstars gegen ihn an, doch wie sie auch hießen – der Vize-Weltmeister von 2007 war meistens der jubelnde Sieger. Zum Vergleich: Welt-, Europameister und Olympiasieger Omeyer zeigte bis zur Pause insgesamt nur drei Paraden. Keine Frage: Der Löwen-Keeper machte den entscheidenden, den siegbringenden Unterschied. Nach 60 Minuten hatte er die Norddeutschen mit unglaublichen 22 Glanztaten entnervt. Bei jeder Parade ging ein Raunen durch die mit 10 250 Zuschauern ausverkaufte Arena. Es waren Laute der Verzweiflung und der Anerkennung.

Erwartungsgemäß wollte der badische Held nicht über seine Leistung reden. „Wir haben alle stark gespielt und waren 60 Minuten besser als der THW“, stellte der Pole das Kollektiv in den Vordergrund, was wenig verwunderte. Denn auch Bescheidenheit gehört zu seinen Prinzipien. Der Nationalspieler hatte ohnehin ganz andere Sorgen. „Eigentlich ist es schade, dass wir gewonnen haben. Vor der Saison habe ich auf den Meister THW Kiel getippt. Aber wir müssen auch an uns denken“, meinte der Torwart, der sich nach dem Ausfall von Børge Lund und Bjarte Myrhol schnell auf den neuen Mittelblock Zarko Sesum/Oliver Roggisch eingestellt hat: „Das sind zwei tolle Spieler. Aber auch mit den anderen beiden hat es gut geklappt. Das sollten wir nicht vergessen.“

Ehrliche Aussagen wie diese machen Szmal, den Musterprofi und fürsorglichen Familienvater, so sympathisch. Er hebt nicht ab, denkt rational. Und „realistisch“ lautet sein Lieblingswort, weshalb ihm in der Stunde des Triumphs keine Kampfansage zu entlocken war. Wer in Kiel gewinnt, der kann jeden schlagen, Pokalsieger werden, die Champions League holen, oder? „Das wäre schön“, meinte Szmal, der mit den Löwen schon vier Endspiele verlor (drei Mal DHB-Pokal, einmal Europacup der Pokalsieger), aber man müsse eben „realistisch“ bleiben.

Knie bereitet weiter Probleme

Ende Februar musste sich der Torhüter noch einer Meniskusoperation unterziehen, nach wenigen Wochen kehrte er aber schon zurück auf die Platte. Der Ehrgeiz treibt ihn an, auch wenn das „Knie nach jedem Spiel wieder dick wird“, wie er sagt. Doch weil sein Abschied ansteht, will Szmal unbedingt spielen, die letzten Monate bei den Gelbhemden genießen. Am Saisonende wird der 32-Jährige die Löwen, die am Samstag (19 Uhr/SAP Arena) auf Flensburg treffen, verlassen. Nach sechs Jahren bei den Badenern befindet er sich auf Abschiedstournee. Er heuert in der Heimat bei Vive Kielce an.

Ein wenig Wehmut, gesteht „Kasa“, verspüre er bereits. „Ich muss mich langsam von meinen vielen Freunden verabschieden, meinen Umzug organisieren“, berichtete Szmal – und erzählte eine Geschichte aus seiner Kindheit. „Ich habe als kleiner Junge angefangen, Handball zu spielen. Damals habe ich im Fernsehen ein Spiel aus der Kieler Halle gesehen. Es war daraufhin mein Traum, dort zu spielen und zu gewinnen.“ Diesen Traum hat er sich vorgestern erfüllt.

Von Marc Stevermüer

 08.04.2011