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„Ich musste Handballer werden“

Nikola Manojlović im Interview vor dem Duell gegen den TV Großwallstadt

Nach der Verletzung von Grzegorz Tkaczyk waren die Verantwortlichen der Rhein-Neckar Löwen gezwungen, einen Ersatzmann für den polnischen Spielmacher zu verpflichten. Fündig wurden die Badener beim HCM Constanţa, dem Rumänischen Meister. Dorthin wechselte Nikola Manojlović, als er im Sommer die Bundesliga und Frisch Auf Göppingen verlassen hatte. „Jetzt soll ich Grzegorz ersetzen, der zu den besten Spielern der Liga gehört“, sagt der 27-Jährige ehrfürchtig und hat vorerst einen Vertrag bis Juni 2010 bei den Löwen unterschrieben. Gemeinsam mit Snorri Guðjónsson, der ebenfalls kurzfristig verpflichtet wurde, soll der Serbe dem Spiel der Löwen die nötigen Impulse geben. Im Interview vor dem Heimspiel gegen den TV Großwallstadt (Mittwoch, 19:15 Uhr, SAP ARENA) spricht Manojlović über den kurzfristigen Transfer, die rumänische Liga, seine Heimat Serbien und verrät, warum die Nationalmannschaft im Augenblick für ihn kein Thema mehr ist.

Herr Manojlović, Sie haben Ihren Klub aus Constanţa nach nur wenigen Wochen wieder verlassen, um zu den Löwen zu wechseln. Was hat den Ausschlag gegeben?

Als die Anfrage kam, habe ich lange mit meiner Familie überlegt, was das Beste in der augenblicklichen Situation ist. Nach ein, zwei Tagen sind wir zu dem Entschluss gekommen, dass es besser ist, wieder in die Bundesliga zurückzukehren. Deshalb ging der Transfer dann auch schnell über die Bühne.

Was reizt Sie an den Löwen?

Die Rhein-Neckar Löwen sind eine Topmannschaft in der Bundesliga. Hier kann ich um Titel kämpfen und habe absolute Spitzenspieler um mich herum. Beides hat mich ungemein gereizt, denn im Grunde möchte jeder Spieler in einer solchen Mannschaft stehen.

Im Sommer haben Sie Frisch Auf Göppingen nach dreieinhalb Jahren verlassen. Warum?

Ich hatte in Göppingen eine tolle Zeit, aber ich war der Meinung, dass ich mir nach fast vier Jahren eine neue Herausforderung suchen sollte. Zudem habe ich in Göppingen keinen Titel gewonnen. Wir standen einmal im Endspiel des EHF-Pokals, anschließend schafften wir es aber nicht mehr soweit. Und irgendwann möchte man auch angreifen, und nicht nur um Platz 6 kämpfen.

Ursprünglich wollten Sie gar nicht nach Rumänien, sondern nach Dänemark zu Silkeborg-Bjerringbro wechseln.

Ja, das stimmt. Ich habe mit dem Klub verhandelt und eigentlich waren sich beide Seiten einig über einen Wechsel. Dann hat es aber plötzlich doch nicht mehr geklappt, was für mich ärgerlich war, denn ich hatte in dieser Zeit andere Anfragen abgelehnt.

Und dann blieb am Ende nur Constanţa?

Die Zeit hat gedrängt, aber für mich war Constanţa auch eine gute Option, weil dort ein paar gute Freunde von mir spielen. Ich hatte mich eigentlich darauf eingestellt, dort zu bleiben. Immerhin hatte ich ja für zwei Jahre unterschrieben.

Und auch ein Saisonspiel absolviert.

Ja, beim ersten Match war ich noch dabei. Wir haben haushoch gewonnen. Ich habe in der ersten Halbzeit sieben Tore erzielt und danach nur noch auf der Bank Platz genommen, weil die Partie schon entschieden war. Das hat am Ende auch dazu geführt, dass ich wieder in die Bundesliga wollte. Das Niveau in Rumänien ist einfach nicht so hoch.

Zunächst war unsicher, ab wann Sie für die Löwen spielberichtigt sind. Gab es Probleme mit dem Visum?

Nein, es gab keine besonderen Probleme. Serbien gehört eben nicht zur EU, wir leben quasi wie auf einer Insel mitten in Europa. Deshalb ist viel Bürokratie nötig. Ich war drei Tage in Belgrad, um alle Papiere zu besorgen, und letztendlich hat ja alles wunderbar geklappt. Nur die Möbel konnte ich nicht mitnehmen.

Wie meinen Sie das?

Ich habe meine Möbel nach meinem Weggang aus Göppingen nach Belgrad gebracht. Und das war auch nicht so einfach, weil man Zölle zahlen muss, da Serbien nicht innerhalb der EU liegt. Wenn ich die Sachen jetzt wieder nach Deutschland eingeführt hätte, wäre das wieder fällig geworden. Es ist für mich billiger, mich hier neu einzudecken. Deshalb musste ich in den zurückliegenden Tagen die Möbelhäuser abklappern.

Ist Ihre Familie eigentlich schon hier in der Region?

Ja, zwei Tage nach dem Spiel gegen den HSV sind meine Frau Ivana und unser Sohn Mateja gekommen. Gemeinsam richten wir uns seither hier ein. Wir haben eine Wohnung in Östringen gefunden und die wollen wir jetzt gemütlich gestalten.

Sie haben bei den Löwen die Rückennummer 9 erhalten, obwohl Sie früher immer die 23 trugen. Was war der Grund dafür?

Mir wurde die 9 vorgeschlagen und ich hatte nichts gegen die Nummer, denn meine Frau Ivana trug früher immer die 9, als sie noch Volleyball spielte.

Also eine sportliche Familie. Haben Sie sich in der Sporthalle kennen gelernt?

Wir haben zwar beide bei Roter Stern Belgrad gespielt, aber wir kannten uns schon länger, da wir in dieselbe Schule gingen. Irgendwann hat es dann gefunkt, aber das passierte nicht in der Sporthalle.

Hat Ihre Frau ihre Karriere aufgegeben, als Sie ins Ausland wechselten?

Nein, sie hatte schon vorher aufgehört, da sie gesundheitliche Probleme hatte. Aber sie war eine gute Spielerin und war in der serbischen Nationalmannschaft im Einsatz. Sie war Spielmacherin, man sagt in Deutschland glaube ich Zustellerin, also passen wir gut zusammen.

Stichwort Nationalmannschaft: In der serbischen Auswahl haben Sie den Durchbruch bisher nicht geschafft. Woran liegt das?

Das ist ein schwieriges Thema. Die Nationalmannschaft ist bei uns eine komplizierte Geschichte, weil dort viele Interessen aufeinander stoßen. Bei der Europameisterschaft 2006 war ich dabei, als wir als Serbien und Montenegro an den Start gingen, anschließend hat sich Montenegro abgespaltet. Aber das war für mich nicht der Grund, der Nationalmannschaft den Rücken zu kehren. Nach der EM wurde damals Jovica Cvetković Trainer der serbischen Auswahl, der auch schon bei Roter Stern mein Trainer war. Mit ihm hatte ich schon im Verein Probleme und deshalb habe ich damals gesagt, dass ich nicht mehr für Serbien spiele.

Sie sind im früheren Jugoslawien geboren und haben in Ihrem Leben die Veränderungen auf dem Balken hautnah erlebt. Hat Sie das geprägt?

Natürlich spielt das eine Rolle, aber ich sehe das alles nicht so dramatisch. Die meisten Menschen hatten doch gar keine Probleme miteinander. Und ich persönlich ohnehin nicht. Mein Opa kommt aus Österreich, meine Mama ist aus Montenegro und mein Papa lebt seit jeher in Belgrad. Ich bin auch in Belgrad aufgewachsen und sage deshalb: Mein Heimatland ist Belgrad.

Wie wurden Sie eigentlich zum Handballer?

Als Kind habe ich zunächst Basketball und ein wenig Handball gespielt, aber mein Vater war und ist ein begeisterter Handballer. Er hat lange bei einem kleinen Stadtteilverein in Belgrad als Trainer gearbeitet und mich als kleinen Jungen irgendwann vor die Wahl gestellt. Naja, eigentlich war es gar keine Wahl, denn er sagte, wenn ich kein Handballer würde, müsse ich ausziehen. Ich war damals neun Jahre alt.

Haben Sie das irgendwann einmal bereut?

Nein, überhaupt nicht. Und mein Papa hat es damals ganz sicher nicht wörtlich gemeint. Der Entschluss hat sich ja auch gelohnt, schließlich bin ich jetzt Profi-Handballer.

Was haben Sie sich eigentlich für Ziele mit den Löwen gesetzt?

Ich möchte natürlich so gut wie möglich abschneiden. Jetzt geht es aber erst einmal darum, in die Mannschaft zu finden. Das ist schwer, weil ich auf einer zentralen Position spiele, aber ich werde mich reinhängen, damit ich dem Team so bald wie möglich helfen kann. Das Gute bei den Löwen ist die Situation, dass wir 14 Klasse-Leute im Kader haben. Das bedeutet, dass wir immer wechseln können und niemand ständig über 60 Minuten spielen muss. Das ist viel angenehmer, weil man seine Leistung so länger auf dem höchsten Level halten kann, weil die Belastungen nicht zu groß werden.

Sie haben einen Vertrag unterschrieben, der im Juni 2010 endet. Befürchten Sie, dass es ein kurzes Gastspiel bei den Löwen wird?

Das weiß ich jetzt noch nicht. Es liegt alleine an mir. Meiner Familie und mir ist bewusst, dass dies ein gewisses Risiko beinhaltet. Aber es ist im Zweifel sicher einfacher, einen neuen Klub zu finden, wenn man zuletzt bei den Löwen gespielt hat, als wenn man aus Rumänien kommt.

Jetzt geht es gegen den TV Großwallstadt. Nach der Heimniederlage zuletzt gegen den HSV darf sich das Team keinen Ausrutscher mehr erlauben.

Das ist richtig. Wir sind jetzt gefordert. Ich bin aber davon überzeugt, dass uns ein Sieg gelingt, denn die Mannschaft ist wirklich stark. Und der TV Großwallstadt ist sicher nicht mit dem HSV gleichzusetzen. Wir werden das Spiel gewinnen und wollen den Fans eine tolle Leistung zeigen.

Nach dem Duell gegen Großwallstadt warten die ersten Aufgaben in der Champions League. Welche Erwartungen verbinden Sie mit dem europäischen Königswettbewerb?

Wir starten mit zwei Heimspielen gegen Veszprém und Kielce und diese Partien müssen wir gewinnen, um uns eine gute Ausgangslage zu verschaffen. Ich persönlich habe ein paar Jahre warten müssen, ehe ich in diesem Wettbewerb wieder ran darf. Ich bin heiß auf die Champions League und mein Wunsch ist, dass wir uns für das Final Four in Köln qualifizieren.