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Ich werfe, also bin ich

Löwen-Neuzugang Ivan Martinović ist der geborene Shooter und ein echter Stimmungsaufheller

Ich werfe, also bin ich: Löwen-Neuzugang Ivan Martinović ist der geborene Shooter und ein echter Stimmungsaufheller.
Ivan Martinović im Recken-Trikot gegen Lukas Nilsson.

Wenn Ivan Martinović ins Rollen kommt, kann alles passieren. So wie am 22. Dezember 2023. Da spielt der Halbrechte mit der MT Melsungen bei seinem Ex-Klub Hannover und er merkt schnell: Das wird mein Spiel. Nach ziemlich genau zwei Minuten nimmt er sich den ersten Wurf, glatter Durchbruch zum Kreis: 2:2 durch das erste Martinović-Tor. Es werden an diesem Abend 15 weitere folgen. Am Ende steht der Mann mit der Nummer 55 bei 16 Treffern aus 20 Versuchen. Frei nach dem berühmten Descartes-Zitat „Cogito ergo sum“ – Ich denke, also bin ich: Ich werfe, also bin ich. Über den Spieler des Spiels beim 34:30 von Melsungen bei Hannover muss jedenfalls nicht lange diskutiert werden.

„Ich konnte es selbst kaum glauben. Phasenweise hat jeder Wurf gesessen“, spricht der Torjäger nach der Partie ins DYN-Mikrofon. Wie gut er sich dabei gefühlt hat, kann sich jeder vorstellen, der weiß, wie gerne Ivan Martinović Tore erzielt. Für sein Leben gerne, nämlich! Muss er sich zwischen Pass und Torwurf entscheiden, so wie im Podcast der MT verlangt, entscheidet er sich blitzschnell für Torwurf. Wobei alle Tore der Welt ihn nicht trösten, wenn er mit seinem Team am Ende als Verlierer von der Platte geht. „Niederlagen ärgern mich sehr“, so der gebürtige Wiener bei „Fulle Power“, „und bleiben lange in meinem Kopf. Ich frage mich dann immer wieder: Was hätten wir, was hätte ich besser machen können?“

Den Ehrgeiz hat Ivan Martinović in die Wiege gelegt bekommen. Seine Mentalität sei ganz klar „Balkan“, sagt der in Wien geborene und aufgewachsene Kroate. Während sich sein Bruder Marin dafür entschied, für seine Wahlheimat Österreich aufzulaufen, schloss sich Ivan der kroatischen Nationalmannschaft an. Sein Ziel für das in knapp einem Monat startende olympische Handball-Turnier ist denn auch kein geringeres als eine Medaille: „Wir hoffen auf einen guten Start, damit wir die Euphorie mitnehmen können und eine starke Gruppenphase spielen. In den K.o.-Spielen ist dann alles möglich.“

Ich werfe, also bin ich: Ivan Martinović hat auch mit Kroatien viel vor

Ich werfe, also bin ich: Löwen-Neuzugang Ivan Martinović ist der geborene Shooter und ein echter Stimmungsaufheller.
Ivan Martinović beim letzten Gastspiel in Mannheim.

Nach dem machbaren Auftakt gegen Japan geht es im zweiten Spiel von Gruppe A gegen Deutschland. Dort trifft Ivan Martinović auf seine neuen Löwen-Kollegen Juri Knorr, David Späth, Jannik Kohlbacher und Sebastian Heymann. Es wird ein ganz besonderes Duell für den 26-Jährigen, der seit nunmehr sechs Jahren in Deutschland spielt und lebt, der hier eine neue Heimat gefunden hat, in der er sich absolut wohlfühlt. Dabei kommt ihm die andere Facette seiner Persönlichkeit, die österreichisch-entspannte, zugute. Genauso wie die Tatsache, dass er neben seiner Leidenschaft für Tore von Herzen Mannschaftsspieler ist.

„Ich sehe mich als Teamplayer, der seine Mitspieler pushen und motivieren will, der immer positiv ist und das auf seine Nebenleute übertragen will“, beschreibt sich Ivan Martinović selbst. Mitreißend sind seine Art und sein Spiel in jedem Fall, wie nicht zuletzt seine künftigen Melsunger Ex-Kollegen bestätigen. Dimitri Ignatov und Ben Beekmann attestieren dem österreichischen Kroaten ein meist sonniges Gemüt, nahezu durchgehend gute Laune und absolut angenehme Umgangsformen. Bestätigt wird das von Halil Jaganjac, der seinen künftigen Nebenmann im Löwen-Rückraum als „einen der liebenswertesten Menschen“ beschreibt, den er „je getroffen“ habe.

Zwar können die beiden diesen Sommer nicht gemeinsam bei Olympia angreifen, so wie sie es ihr halbes Handballerleben für die kroatischen Nachwuchsmannschaften und auch schon für die A-Auswahl gemacht haben. Halil arbeitet weiter hart an seinem Comeback, braucht aber noch Zeit. Ivan hingegen hat bei der EM 2022 als bester kroatischer Torschütze und zuletzt bei der EM 2024 gezeigt, dass er zum Führungsspieler gereift ist. Wäre er während des Turniers nicht mit einer mittelschweren Schulterverletzung ausgefallen, wer weiß, wohin er seine Kroaten noch geführt hätte. Der Ehrgeiz und sein Fleiß trieben ihn jedenfalls derart an, dass er weniger als drei Monate später wieder auf der Platte stand und einen neuen Höhepunkt seiner sportlichen Laufbahn erlebte.

Ich werfe, also bin ich: Emotionale Sternstunde beim REWE Final4

Ich werfe, also bin ich: Löwen-Neuzugang Ivan Martinović ist der geborene Shooter und ein echter Stimmungsaufheller.
Meistens gut gelaunt: Ivan Martinović.

Den Samstag beim REWE Final4 2024 werde er nie vergessen, sagt Ivan Martinović. Der Sieg gegen Flensburg nach taktischer Meisterleistung sei „sehr emotional“ gewesen, vor allem im Zusammenspiel mit den euphorischen MT-Fans. Dass es am Ende im Finale gegen Magdeburg nichts zu holen gab, sei zwar ernüchternd, aber letztlich zu akzeptieren gewesen – gegen eine der aktuell besten Mannschaften der Welt. Wie es sich als Pokalsieger anfühlt, kennt er aus seinen Anfangsjahren bei den Profis: 2015 bis 2017 sicherte er sich mit seinem Wiener Heimatverein Fivers Margareten, berühmt für exzellente Jugendarbeit, den ÖHB-Cup, 2016 gar das Double mit der Meisterschaft. 2017, als damals 19-Jähriger, wurde er zum Newcomer des Jahres in Österreich erklärt.

Ein Jahr später erfolgte der Wechsel nach Deutschland. In seiner allerersten HBL-Saison kam der Novize auf 141 Treffer. Anders als die allermeisten Handballer brauchte Ivan Martinović keine Anlaufzeit, um sich in der stärksten Liga der Welt zu behaupten. Und der rasante Aufstieg ging so weiter. Vom VfL Gummersbach zog es ihn nach besagter Top-Saison direkt nach Hannover, wo der Halbrechte kein bisschen weniger ablieferte und zu einem echten Topspieler in der Handball-Bundesliga reifte. Folgerichtig kam 2022 der nächste Schritt zur MT Melsungen und nun, zwei Jahre später, der Wechsel zu den Rhein-Neckar Löwen.

„Ich bin der Meinung, dass Sebastian Hinze mir sehr viel bei meiner Entwicklung helfen kann. Sowohl im Angriff als auch in der Abwehr. Ich habe in seiner ersten Saison bei den Löwen gesehen, wie sehr sich die Jungs gesteigert haben, und genau denselben Weg möchte ich auch gehen“, sagt Ivan Martinović über die Beweggründe hinter dem Vereinswechsel. Wohnen wird er ganz in der Nähe des Trainers in Schwetzingen. Ob beide gemeinsam zum Training fahren werden, ist noch nicht bekannt. Feststeht, dass sich beide in Sachen Musikgeschmack dann erst noch einigen müssten.

Während Coach Hinze handgemachte, harte Gitarrenmusik á la Pearl Jam favorisiert, ist Ivans Playlist voll mit Deutschrap im Stil von RAF Camorra. Einig würden sie sich dann aber ganz schnell beim Thema Handball sein. Beide sind extrem ehrgeizig und machen sich schier rund um die Uhr Gedanken um den Sport. „Ich denke generell viel über Handball nach und telefoniere nach jedem Spiel mit meinem Vater, der nicht nur Papa, sondern auch so etwas wie ein Trainer und ein wichtiger Kritiker für mich ist“, sagt der Familienmensch Ivan Martinović, der mit dieser Einstellung wie gemacht zu sein scheint für die Welt der Rhein-Neckar Löwen.