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Lenker der Löwen (BNN)

Schmid so gut wie nie

Heidelberg. Andy Schmid sitzt in einem Café in Heidelberg, gelassen und zufrieden. Der Handballer der Rhein-Neckar Löwen ist mit sich und der Welt um ihn herum im Reinen. Das ändert sich auch nicht, als das Gespräch auf seine Socken gelenkt wird: Skurril und bunt kommen diese daher. „Die habe ich selbst entworfen“, sagt Schmid, der gerade dabei ist, gemeinsam mit einem Kumpel aus Jugendtagen und seinem Teamkollegen Uwe Gensheimer ein Modelabel zu gründen. Andy Schmid ist ein kreativer Mensch – in und außerhalb der Handball-Halle.

Am Wochenende kämpfen die Löwen in Nantes um den Gewinn des EHF-Pokals und wenn der Club aus Mannheim seinen ersten Titel in die Vereinsvitrine holen will, muss Schmid in Hochform sein. Der 29 Jahre alte Schweizer lenkt die Geschicke seiner Mannschaft und tut dies in dieser Saison besser denn je. Als er im Sommer 2010 aus Bjerringbro in Dänemark zu den Löwen gewechselt war, blieb Schmid zunächst hinter den hohen Erwartungen zurück. Aus dem Kreativkopf mit großem Ideenreichtum wurde ein „Bank-Angestellter“, der nur selten auf dem Feld stand. „Es war damals nicht einfach für mich. Mein Fokus lag komplett auf dem Handball und wenn es dann dort nicht läuft, ist es schwer, aus der Negativspirale herauszukommen“, sagt Schmid heute.

So richtig startete er erst in dieser Saison durch, als die Löwen zum Überraschungsteam der Liga wurden und bis in den Februar hinein als Tabellenführer sogar am Thron des Handball-Dominators und erneuten Meisters THW Kiel zumindest zaghaft rüttelten.

Zwei Gründe gibt es für den Leistungsaufschwung des Spielmachers: Nach dem Neuaufbau des „Löwen-Rudels“ infolge des Rückzugs von Mäzen Jesper Nielsen schenkte Trainer Gudmundur Gudmundsson Schmid volles Vertrauen. „Ich spüre die Rückendeckung und kann mich innerhalb der Leitplanken, die der Coach setzt, frei entfalten“, sagt Schmid. Ein weiterer Grund für die Ausgeglichenheit Schmids heißt Lio und ist knapp zehn Monate alt. Im vergangenen August kam sein Sohn zur Welt und durch ihn verschoben sich die Prioritäten. „Lio ist es egal, wie ich gespielt habe. Wenn ich nach Hause komme, empfängt er mich immer gleich“, sagt Schmid.

Wahrscheinlich sieht er der Endrunde um den EHF-Pokal auch deshalb gelassen entgegen. Schmid glaubt den Grund zu kennen, warum die Löwen in den Jahren zuvor stets an ihrem großen Vorhaben scheiterten, einen Pokal zu gewinnen: „Es ist die gleiche Situation wie bei einem Single. Wenn der mit aller Macht eine Freundin sucht, wird er es nicht schaffen, weil er angespannt ist und sich von kleinen Rückschlägen aus der Bahn werfen lässt.“ In dieser Lage wähnt er sich und das Team nicht mehr.

Da ficht es Schmid auch nicht an, dass im Halbfinale am Samstag ausgerechnet Göppingen wartet: Gegen den Liga-Rivalen und Titelverteidiger waren die Löwen im Vorjahr in der Vorschlussrunde des Wettbewerbs.

Von Michael Wilkening