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Löwen erfüllen die Frankreich-Mission

Chambéry. Sonderlich ängstlich wirkte Ola Lindgren nicht, als er im Vorfeld des Champions-League-Duells gegen Chambéry Savoie über den Gegner referierte. Mit verschränkten Armen stand er da, der Trainer der Rhein-Neckar Löwen, gab sich selbstbewusst, sagte Dinge wie: „Wir haben zuletzt viele gute Ansätze gezeigt.“ Oder: „Wichtig ist, dass wir sie ernst nehmen.“ Das war Mitte letzter Woche. Gestern stand er anders da, geknickt, mit hängenden Schultern: Zur Halbzeit sah’s ein wenig kritisch aus.

Die Gelbhemden wankten, schienen gerade die Sache mit dem „ernst nehmen“ nicht hundertprozentig verinnerlicht zu haben. 30 Minuten später war die Frankreich-Mission aber dann doch erfüllt. Oliver Roggisch und Co. feierten einen letztlich souveränen 29:24 (12:13)-Sieg in Chambéry, hüpften im Kreis, hatten sich lieb.

Wobei die Anspannung sich gestern ohnehin in Grenzen hielt. „Wir hätten uns ja sogar eine Niederlage erlauben können“, erklärte Kent-Harry Andersson, 60, der Sportliche Berater der Löwen. Stimmt: Kielce war schon am Samstag überraschenderweise in Sarajevo (21:25) gestrauchelt. Folglich war der zweite Platz bereits unter Dach und Fach. Und der eröffnet nun alle Möglichkeiten: „Richtig schwere Gegner bleiben uns im Achtelfinale somit erspart. Außerdem haben wir im Rückspiel Heimrecht, freut sich Manager Thorsten Storm. Einen Wunschgegner hat er übrigens nicht. Storm nimmt, was kommt. Nur eins würde er gerne vermeiden: Eine lange Reise. Storm sagt: „Es wäre schön, wenn mal nicht so eine lange Anreise auf uns zu kommen würde.“

Ansonsten war gestern irgendwie alles beim Alten. Einer der Jüngsten mimte den Leitwolf, traf und traf, ballte immer wieder die Fäuste: Uwe Gensheimer, 23, spulte sein Pensum ab, überragte alle, knüpfte nahtlos an seine „fast schon unheimliche Form“ (Lindgren) an. Andersson war baff, staunte über die neuerliche Neun-Tore-Gala: „Der ist in der Form seines Lebens, ganz stark, was er Spiel für Spiel bringt.“

Doch der Trainerfuchs, der die SG Flensburg-Handewitt anno 2004 unter anderem zum deutschen Meistertitel führte, hatte noch einen anderen Matchwinner ausgemacht. Einen, der bislang selten im Rampenlicht stand, eher ein Schattendasein führt: Nikola Manojlovic. Der Serbe macht Roggisch Konkurrenz, wird langsam aber sicher zum Fels in der Brandung, zum Abwehr-Koloss: „Nikola hat sich ein Extralob verdient. In der Defensive ist er derzeit nicht wegzudenken“, verneigt sich der Schwede verbal.

Die Nacht verbrachte das Rudel auf der Autobahn. Erst heute morgen sollte der Bus vor dem Kronauer Trainingszentrum eintrudeln. Ola Lindgren wird dann feiern. Der Löwendompteur hat am 29. Februar Geburtstag, wird 46 Jahre alt.

Niklas Ruß wurde in Chambéry nicht eingesetzt. Schlagzeilen produziert er trotzdem. Aus dem Stuttgarter Raum ist zu vernehmen, dass er von mehreren Bundesligisten umworben wird, unter anderem offenbar auch von Frisch Auf Göppingen. Storm weiß davon: „Ihm soll ein Angebot der Göppinger vorliegen. Nun ist er am überlegen.“

Löwen: Gensheimer 9/2, Bielecki 7, Stefansson 3, Klimovets 3, Gudjonsson 2, Harbok 1, Müller 1, Bruhn 1, Manojlovic 1, Groetzki

Von Daniel Hund

 01.03.2010