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Löwen stellen sich ihrer Pokal-Geschichte

Trainer Nikolaj Jacobsen will die miserable Final-Four-Bilanz nicht ausblenden / Alle Mann an Bord für Hamburg-Trip

Nikolaj Jacobsen wollte sich nicht die Mühe geben, um den heißen Brei herumzureden. „Wir können unsere Geschichte nicht ausblenden, das geht nicht. Und diese Geschichte ist, bei aller Stärke der Gegner, auch unsere größte Herausforderung“, sagte der Trainer der Rhein-Neckar Löwen am Mittwochmittag in Kronau. Vier Tage vor dem Halbfinale gegen den SC Magdeburg beim REWE Final Four in Hamburg hatte der Deutsche Meister zur Pressekonferenz ins Sportzentrum geladen.

An den Aussagen des Trainers wie auch am hohen Medieninteresse lässt sich gut ablesen, was dieser Trip für den Verein bedeutet. Zum elften Mal fahren die Löwen aus Kronau die rund 600 Kilometer nach Norden in die große Hansestadt, um endlich den DHB-Pokal zu gewinnen. „Die Begeisterung bei unseren Fans ist ungebrochen“, sagte Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann mit Blick auf die Rekordzeit, in der alle 1200 Tickets für die Barclaycard Arena im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld an den Mann und die Frau gebracht worden sind. Gilt diese Euphorie auch für die Mannschaft? „Es ist nicht so, dass wir alle nur permanent daran denken, dass wir als Verein schon zehnmal gescheitert sind. Wir freuen uns auf dieses Wochenende“, sagte der Sportliche Leiter der Löwen Oliver Roggisch. Und Jennifer Kettemann ergänzte: „Natürlich wollen wir diesen Pokal gewinnen. Aber wir sollten nicht vergessen, dass es nicht selbstverständlich ist, sich wie wir immer wieder für dieses Finalturnier zu qualifizieren. Es ist eine Ehre, in Hamburg dabei zu sein.“

Schmaler Grat zwischen Anspannung und Verkrampfen

Dabei sein und am Ende auch als Sieger dastehen – das ist das erklärte Ziel der Löwen. Entsprechend schmal ist der Grat zwischen gesunder Anspannung und ungesundem Verkrampfen, zwischen Vorfreude und Erfolgsdruck, zwischen Lockerheit und Wettkampfhärte. Ob es ein Vorteil für Magdeburg sei, anders als die zuletzt zwei Wochen lang spielfreien Löwen in der Bundesliga gefordert gewesen zu sein, wollte ein Reporter von Oliver Roggisch wissen: „Das werden wir dann am Samstag sehen. Ich denke nicht, dass es für uns ein Nachteil ist. Niko versteht es, im Training Spielsituationen zu simulieren, da habe ich keine Bedenken.“ Auch der steile und konstante Formanstieg der „Mannschaft der Stunde“ macht den Löwen keine Angst. „Wir haben in der Liga in Magdeburg gewonnen und auch gegen die beiden anderen Mannschaften, die beim Final Four dabei sind (Hannover und Wetzlar, Anm. d. Red.), keine Punkte abgegeben. Wenn wir unsere Leistung bringen, sind wir das beste Team bei diesem Turnier. Aber auch nur dann“, sagte Nikolaj Jacobsen.

Ähnlich offensiv geht Torwart Andreas Palicka an die Hamburg-Tour. „Ich nehme die Favoritenrolle gerne an“, sagte der schwedische Vize-Europameister wie sein Trainer unter dem Vorbehalt, dass man auch an die eigene Leistungsgrenze zu gehen versteht. „Palle“ blickte auch noch einmal auf die in der vergangenen Woche finalisierte Vertragsverlängerung und nannte als Gund neben dem Heimatgefühl in der Rhein-Neckar-Region die herausragende sportliche Perspektive beim amtierenden Deutschen Meister und aktuellen Tabellenführer der DKB Handball-Bundesliga. Anders als die meisten seiner Teamkollegen weiß der Schwede, wie es sich anfühlt, den Pott in Hamburg in die Höhe zu stemmen: Mit dem THW Kiel gewann er 2009 sowie von 2011 bis 2013 insgesamt viermal den DHB-Pokal.

„Noch nie so böse Blicke gesehen“

Vielleicht gelingt es ja, dieses Sieger-Gen auf die Löwen zu übertragen. Das eigene Handicap auszublenden, hält der Trainer jedenfalls für ausgeschlossen. „Das können wir nicht. In dieser Woche vor dem Turnier kommen die negativen Emotionen wieder hoch, dagegen lässt sich nichts machen. Ich habe auch noch nie so böse Blicke auf mich gerichtet gesehen wie nach dem Ausscheiden im Halbfinale beim Final Four“, berichtet der Löwen-Coach von seinen ganz persönlichen Erfahrungen. Um aus Hamburg statt eines Unglücksortes eine Löwen-Partyzone zu machen, braucht es vielleicht genau jene Offenheit und Direktheit, mit welcher der Trainer seine Jungs ins lange Wochenende führt. Schon am Donnerstag bricht der Löwen-Tross gen Norden auf, einen Tag früher als sonst. „Das bringt uns vielleicht ein bisschen mehr Ruhe. Ob das etwas zum Erfolg beiträgt, wissen wir hinterher.“

Positiv aus Löwen-Sicht: Verletzt hat sich in den vergangenen zwei Wochen keiner, alle Jungs fahren – bis auf die Langzeitverletzten – fit nach Hamburg. Das Spiel wird am Samstag, 15.15 Uhr, live in der ARD zu sehen sein. Das zweite Halbfinale zwischen Hannover und Wetzlar überträgt der Free-TV-Sender Sky Sport News HD ab 18 Uhr.