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Löwen tanzen auf der Klinge

Mannheim. Wenn fünf Sekunden vor Schluss der entscheidende Treffer zum fast schon nicht mehr möglich geglaubten Sieg fällt, ist der Jubel normalerweise grenzenlos. Doch nach dem 27:26 (16:18) gegen den TSV Hannover-Burgdorf hielt sich die Ausgelassenheit bei den Rhein-Neckar Löwen – abgesehen von einer kurzen Freuden-Traube – in Grenzen.

Alle Beteiligten in Gelb wussten nur zu genau, dass sie in der Handball-Bundesliga gegen einen krassen Außenseiter nur haarscharf an einer weiteren bitteren Blamage vorbeigeschrammt waren. Als Patrick Groetzki die Niedersachsen fünf Sekunden vor Schluss von Rechtsaußen mitten ins große Kämpferherz traf, war das insgesamt erst die vierte Führung – doch das genügte immerhin, um die Badener im Rennen um Platz drei zu halten.

„Wir spielen hier russisches Roulette, irgendwann trifft uns die Kugel“, wusste Routinier Ólafur Stefánsson, dass der Sieg nicht gerade verdient war. Henning Fritz, der die Löwen mit seinen Paraden und nur acht Gegentoren im zweiten Durchgang überhaupt erst im Spiel hielt, bedankte sich beim „Glücksengel“ des Tabellenfünften, der nach dem Krimi in Großwallstadt (28:27) nun auch in der SAP Arena noch rechtzeitig einschwebte.

„Normalerweise wird so etwas bestraft. So eine Fehlerquote darf bei unseren Ansprüchen nicht passieren“, versuchte sich der Keeper den Tanz auf der Rasierklinge mit „Kopfproblemen“ zu erklären. Doch dass von solchen mentalen Blockaden oder Schwierigkeiten mit der Einstellung gegen einen vermeintlichen Punktelieferanten gleich eine komplette Mannschaft heimgesucht wird, war schon bemerkenswert. Nur die beiden Außen Uwe Gensheimer (8/1) und Patrick Groetzki (4) sowie phasenweise Carlos Prieto erreichten ihr Niveau, auf den Halbpositionen (drei Feldtore) herrschte dagegen völlige Flaute.

Zu keiner Zeit Sicherheit

„Das war einfach nur schlecht“, schluckte da auch Trainer Ola Lindgren, der versuchte sein Team beim 4:7 (14.) das erste Mal wachzurütteln. Doch nach dem 7:13 (22.) fanden die Löwen erst gegen Ende des ersten Durchgangs halbwegs die richtige Einstellung zum Spiel und zum Gegner. Selbst der Ausgleich und der zweite Führungswechsel durch Stefanssons Strafwurf (20:19/36.) brachte aber nicht die nötige Sicherheit. Dass Oliver Roggisch nach 45 Minuten aufgrund der dritten Zeitstrafe Rot sah, machte das Unterfangen nicht leichter. Hannover zog wieder auf 23:25 davon (49.). Lindgren versuchte es nun mit Tkaczyk auf Halblinks, der sich allerdings nahtlos dem üblen Niveau auf dieser Position anpasste und das Wenige, was noch zu retten war, fast noch kaputtmachte.

Dass der „geschenkte Sieg“ (Lindgren) in Mannheim blieb, war letztlich Stefánssons Siebenmeter (26:26/58.) und Hannovers Übermut zu verdanken. Statt das Remis über die Zeit zu bringen, versuchte sich Piotr Przybecki (4) als Matchwinner, Fritz hielt den geblockten Ball und die Kugel fand gerade noch rechtzeitig Patrick Groetzki.

„Einfach nur das Ding reinmachen“, ging dem 20-Jährigen da nach eigener Aussage durch den Kopf, doch die Freude des Youngsters war schnell relativiert. „Dieses Spiel können wir so nicht stehenlassen“, sagte Groetzki selbstkritisch, während es in Manager Thorsten Storm nach der seiner Meinung „schlechtesten Saisonleistung“ merklich brodelte: „Wir sollten unser Glück nicht überstrapazieren.“

Von Thorsten Hof

 22.03.2010