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Löwen-Trainer Jacobsen: „Die Qualität der Spiele fand ich nicht so gut“ (RNZ)

Nikolaj Jacobsen zieht im RNZ-Interview sein persönliches WM-Fazit – Gestern wieder Trainingsbeginn in Kronau

Doha. (miwi) Gestern Morgen stieg Nikolaj Jacobsen mit einem großen Kopfkissen bewaffnet in das Flugzeug, das ihn von Doha aus in Richtung Frankfurt brachte. Gestern Abend übte der Trainer der Rhein-Neckar Löwen schon wieder mit seiner Mannschaft in Kronau. Zuvor blickte der Däne noch einmal auf die Handball-WM in Katar zurück, die er als Experte für das dänische Fernsehen vor Ort begleitete.

Nikolaj Jacobsen, wie fällt Ihr sportliches Fazit nach der WM in der Wüste aus?

Ich finde, dass die beste Mannschaft in diesem Turnier die Goldmedaille gewonnen hat. Die zweitbeste Mannschaft, Spanien, wurde Vierter und die drittbeste, Dänemark, Fünfter.

Und was sagen Sie zu den Rahmenbedingungen bei der ersten Weltmeisterschaft im arabischen Raum?

Ich denke, dass das organisatorisch gepasst hat. Und es war für alle Beteiligten angenehm, das Turnier in einer Stadt zu spielen, ohne zusätzlichen Reisestress. Allerdings hat es sich in den Hallen nicht wie eine WM angefühlt, wenn Katar nicht gespielt hat. Es waren zwar überraschend viele dänische, deutsche und französische Fans vor Ort, aber die Hallen waren leer, wenn Katar nicht dabei war. Und das ist schade für eine Weltmeisterschaft, die auch von ihrer Atmosphäre leben sollte.

Ist eine WM in einem Land ohne Handball-Tradition ein Verlust oder ein Gewinn für die Sportart?

Ich denke, beides ist der Fall. Ohne Zuschauer ist die Veranstaltung ein Verlust gewesen, gleichzeitig hat Katar gezeigt, wie es dieses Turnier organisieren kann. Und dass es zusätzliche Showelemente einbauen kann wie die Auftritte von Pharrell Williams oder Kylie Minouge. Das ist neu für eine WM, hat aber natürlich auch damit zu tun, dass dieses Land viel mehr Geld zur Verfügung hat als jedes andere.

Wie beurteilen Sie die Zustände in dem Land, die Gegensätze zwischen arm und reich?

Ich habe eigentlich nur das Hotel und die Halle gesehen, weil ich wirklich viel zu tun hatte als TV-Kommentator. Deshalb war ich nicht so viel draußen, um die Dinge anzusehen. Ganz grundsätzlich bin ich aber traurig, dass die Arbeitsbedingungen in Katar so sind und die Leute nicht frei entscheiden dürfen. Gerade in einem Land, das finanziell die Möglichkeiten hätte, etwas zu ändern, ist das bitter. Leider gibt es überall auf der Welt zu viel Ungerechtigkeit.

Katar kann sich fast alles leisten, heißt es. Haben Sie den Eindruck, dass es sich auch den sportlichen Erfolg gekauft hat?

Es gab in den K.o.-Phasen schon einige Momente, in denen man den Eindruck haben konnte, dass Katar auch die Schiedsrichter gekauft hat. Nüchtern betrachtet war es aber nicht so schlimm, finde ich. Polen hat sich im Halbfinale selbst geschlagen, Deutschland im Viertelfinale auch. Der Ärger im Anschluss an diese Partien hatte viel damit zu tun, dass man schon mit dem Gedanken aufs Feld gegangen war, dass die Katarer manipulieren wollen, und deshalb wirkt manche Entscheidung dann erst Recht befremdlich. Und ganz ehrlich: 2007 bei der WM in Deutschland oder 2009 in Kroatien gab es beispielsweise auch Hilfe für die Heimmannschaften.

Haben Sie sportlich in den Tagen von Katar neues entdeckt? Entwicklungen, die den Handball prägen können?

Nein. Die Qualität der Spiele fand ich nicht so gut. Mit zunehmendem Turnierverlauf hat man bemerkt, dass die Spieler müde werden und das war der Qualität nicht zuträglich. Die Spieler geraten an ihre Belastungsgrenze und der Handball sollte die Qualität seiner Sportart im Auge behalten und nicht die Quantität.

Sie haben am Montag wieder mit dem Training im Verein begonnen.

Ich muss etwas auf die Jungs aufpassen. Gerade auf die, die viel gespielt haben während der Weltmeisterschaft. Die WM-Teilnehmer haben noch bis Donnerstag frei, aber eigentlich ist das ja auch zu wenig. Ich hoffe, dass ich die Spielzeit in den kommenden Wochen gut verteilen kann, in der Vorrunde ist uns das gut gelungen.

Von Michael Wilkening