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Löwen wollen auch in Lemgo feiern (RNZ)

Kronau. Als alles vorbei war, wurde es emotional. Bei Zarko Sesum, 26, zum Beispiel. Der Serbe riss sich sein verschwitztes Trikot vom Oberkörper und wedelte es in kreisenden Bewegungen wild durch die Mannheimer GBG-Halle. Es hatte etwas von einem Hubschrauber kurz vor dem Abheben. Mitten auf der Platte stand er dabei. Dort, wo ihn jeder sehen konnte. Und der Funke sprang über: Die Fans hinter den Werbebanden tobten, hüpften vor Glück.

Und auch der DJ spielte nach dem 28:25-Sieg der Rhein-Neckar Löwen über Kolding mit. Aus den Boxen dröhnte ein Hit der Atzen, ein Gassenhauer: „Hey, was geht ab? Wir feiern die ganze Nacht!“ Gut, so lange wird es diesmal nicht gewesen sein, schließlich war nach Kolding, vor Lemgo. Doch ein bisschen Party war erlaubt. Gerade bei Sesum. Der schlidderte zuletzt bekanntlich von einem Trauerspiel zum nächsten. Er traf einfach nicht mehr. Draufgehauen hat trotzdem niemand. Im Gegenteil: Die Löwen-Macher sprachen ihm Mut zu. Am Sonntag fühlte sich Thorsten Storm, der Manager, dann bestätigt. Er sagt: „Es ist wichtig, dass du auch dann hinter Sportlern stehst, wenn es bei ihnen mal nicht so läuft.“

Es klang wie einer dieser Sprüche, die es auf kleinen Zetteln zu lesen gibt, sobald man im China-Restaurant gezahlt und den Glückskeks geknackt hat. Trainer Gudmundur Gudmundsson klang weniger weise, doch auch er sah den „Fall“ Sesum als gelöst an: „Toll, was er da gespielt hat.“ Und jetzt kommt’s: „Bei Zarko“, lächelt Gudmi, „bei Zarko ist der Knoten jetzt geplatzt.“

Aber gegen Kolding war es nicht nur Sesum, der glänzte. Einer überstrahlte ihn sogar fast noch: Torwart Goran Stojanovic. Gegen die Dänen glich er einer Wand. Hoch und massiv, kaum zu überwinden. Und das nach mehreren Wochen, in denen ihm das Pech an den Händen zu kleben schien. Egal, wie die Bälle auch aufs Tor flogen, irgendwie rutschten sie über die Linie, rein ins Netz. Phasenweise konnte der Montenegriner einem fast schon leid tun.

Am Sonntag war nun alles anders. Hier war er der gefeierte Held. Die Zuschauer klatschten ihm zu, riefen immer wieder seinen Namen. Manche heben da ab – nicht Stojanovic: „Ich habe einfach alles gegeben, was ging. Aber genau das versuche ich immer.“ Er, der schon so viel erlebt hat, der Ende Februar 36 Jahre alt geworden ist. Er weiß: Gerade für einen Torhüter kann nicht immer nur die Sonne scheinen und manchmal tritt man dann sogar gestärkt wieder aus dem Schatten hervor.

Und Stojanovic und Sesum werden genau in dieser Form gebraucht. Am besten schon am Mittwoch wieder. Dann ist das Rudel ab 20.15 Uhr beim TBV Lemgo gefordert. Beim Altmeister geht es um wertvolle Bundesliga-Punkte. Die Löwen würden natürlich beide gerne mit auf die Heimreise nehmen. Doch das wird nicht nur knifflig, das wird richtig schwer. „Dieser Gegner hat neun seiner letzten zehn Spiele gewonnen“, pustet Gudmundsson tief durch. Und dann wurde er still, grübelte, befand sich gedanklich schon mitten in der Vorbereitung auf den TBV.

Ein Vollblut-Trainer. Feiern lässt er andere, er arbeitet lieber. Herr Gudmundsson, wie wäre es denn dann vielleicht noch mit einem kleinen Ausblick auf den Schluss-Spurt der Gruppenphase im EHF-Cup? „Damit beschäftige ich mich nicht. Für mich ist bis Mittwoch nur noch Lemgo.“ Dann eben Lemgo: „Dort erwartet uns eine Hammeraufgabe und das nach einer ganz langen Reise.“

Stimmt, rund 400 Kilometer sind kein Pappenstiel: Mit dem Bus, nicht mit dem Flieger, über die Autobahn. Das schlaucht, kann gerade einem Zwei-Meter-Handballriesen lange in den Knochen stecken.

Von Daniel Hund