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Lokalmatador im Starensemble

Zur Champions League zieht der Handball-Bundesligist Rhein-Neckar Löwen regelmäßig um. Von der monströsen Arena in Mannheim, dem Stammquartier, geht es in die 70 Kilometer entfernte Europahalle nach Karlsruhe. Die ist etwas kleiner und lässt sich zu den weniger attraktiven Vorrunden-Spielen der Handball-Königsklasse besser füllen.

Erst am vergangenen Sonntag (05.10.09) hat sich der Umzug wieder gelohnt. Immerhin 3.000 Zuschauer sahen den 32:29-Erfolg im Auftaktmatch der Gruppenphase gegen MKB Veszprém KC. Für Patrick Groetzki sind es besondere Spiele in Karlsruhe. Er ist ein Kind der Region. Geboren und aufgewachsen ist er in Pforzheim, in Karlsruhe ist er zur Schule gegangen. „Klar ist es schön, wenn man den einen oder anderen auf der Tribüne kennt. Meine Leistungen will ich aber auch in jeder anderen Halle bringen“, sagt der Rechtsaußen der Rhein-Neckar Löwen. Vor den Partien in Karlsruhe ist es Usus, dass Groetzki in seiner alten Schule, dem Karslruher Otto-Hahn-Gymansium, vorbeischaut und den ehemaligen Schulkameraden Freikarten zusteckt. „Wenn Patrick in Karlsruhe spielt, ist die halbe Schule am Start“, hat Manager Thorsten Storm einmal gesagt.

Der Aufstieg des schmächtigen Jünglings

Patrick Groetzki ist neben Uwe Gensheimer der einzige Lokalmatador im hochdotierten Team der Rhein-Neckar Löwen. Als 17-Jähriger wechselte Groetzki 2007 von der SG Pforzheim/Euringen zur SG Kronau-Östringen, aus der die Rhein-Neckar Löwen entstanden sind. Der junge Pforzheimer galt als hoffnungsvolles Talent, das erst einmal langsam an die Bundesliga herangeführt werden sollte.

Doch dann schoss der schmächtige Jüngling empor wie kein Zweiter deutscher Nachwuchshandballer. Er eroberte sich gleich in seiner ersten vollen Saison einen Stammplatz im Starensemble des ambitionierten Klubs und wurde 2009 zum „Rookie des Jahres gewählt“ – zum besten Nachwuchsmann der Bundesliga. Zudem krönte der 1,89 Meter-Schlacks eine tolle Serie mit dem Gewinn der U20-WM, bei der er ins All Star Team berufen wurde. „Patrick besitzt neben seiner ausgezeichnete Spielintelligenz eine ungeheure Dynamik und Schnelligkeit. Er hat einen guten Wackler, arbeiten muss er noch an seiner Wurfvariabilität“, sagt Junioren-Nationaltrainer Martin Heuberger über seinen Schützling. Der Jungstar spielte sich ins Blickfeld von Bundestrainer Heiner Brand und absolvierte sogar schon seine ersten beiden Länderspiele.

Jetzt kommt die schwierige Phase

Gleichwohl ist der steile Aufstieg nicht spurlos an dem Shootingstar vorbeigegangen. Zum Auftakt dieser Saison musste Groetzki erkennen, dass es nicht immer nur bergauf geht. Ein, zwei schwache Bundesliga-Partien zum Saisonstart, und prompt fand sich Groetzki auf der für ihn ungewohnten Reservebank wieder. Der Grieche Alexandros Alvanos übernahm seine Position.

Eine Entwicklung, die David Szezlak aber ganz normal findet. „Als Patrick bei der U20-WM war, haben sich die anderen Spieler erholt. Als Patrick dann nach der WM pausierte, haben die anderen schon wieder trainiert“, erklärt Szezlak, sein Vorgänger auf der Rechtsaußen-Position und mittlerweile zuständig für Marketing-Aufgaben im Klub. Interessant sei es jetzt zu beobachten, wie Groetzki auf diese Situation reagiere, so Szezlak. „Bislang ist für Patrick alles optimal gelaufen. Erst jetzt kommt eine schwierige Phase. Jetzt erwartet man konstante Leistungen von ihm. Aber er wird seinen Weg gehen, auch wenn es Rückschläge geben wird“, versichert Szezlak, und Bundestrainer Heiner Brand gibt zu Bedenken: „Wenn man bekannt ist als junger Spieler, wächst der Druck. Es wird sich zeigen, wie er damit zurechtkommt.“

Wieder ein Star vor der Nase?

Beim Klub scheint man sich jedenfalls nicht mehr so sicher, ob es richtig ist, allein dem jungen Groetzki das Vertrauen auf der Rechtsaußen-Position zu schenken. Seit Wochen macht das Gerücht die Runde, dass die Löwen den kroatischen Starspieler Ivan Čupić verpflichten wollen. Groetzki hätte womöglich von einem Tag auf den anderen seinen Stammplatz verloren. Er selbst sieht die Čupić -Verpflichtung mit gemischten Gefühlen. „Wir haben pro Saison ein Mammutprogramm mit 50 Pflichtbegegnungen, die kann ich nicht auf höchstem Niveau durchspielen. Insofern käme mir eine Entlastung entgegen. Auf der anderen Seite hätte ich natürlich weniger Spielanteile, was nicht so schön wäre“, sagt Groetzki.

Heiner Brand wundert sich nicht

Auch Heiner Brand hätte es lieber, sein Nachwuchsmann würde so viele Einsatzzeiten wie möglich bekommen. „Dass man einem Spieler wie Patrick Groetzki das Vertrauen schenkt, finde ich gut. Dass jetzt ein anderer Spieler kommen soll, finde ich nicht so gut. Aber bei der Vereinspolitik des Herrn Storm habe ich damit gerechnet“, sagt Brand.

Nun liegt es an Groetzki selbst, dass sein Manager vielleicht noch einmal Abstand nimmt von der Verpflichtung des Kroaten. Im Champions-League-Spiel am heutigen Donnerstag (08.10.09) gegen SC Vive Kielce kann er seine Kritiker wieder überzeugen. So wie am vergangenen Sonntag, als er wieder ein Klasse-Spiel machte und sechs Treffer erzielte. Die Schulkameraden aus Karlruhe werden ihn jedenfalls erneut tatkräftig unterstützen.

Von Jens Mickler

Sportschau.de, 09.10.2009