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Nach dem Urlaub gleich in die Laufschuhe (MM)

Hinter Löwen-Kapitän Uwe Gensheimer liegen turbulente Monate – jetzt ist der Mannheimer heiß auf die neue Saison

KRONAU. Die Sonne, sie kennt kein Erbarmen. Gudmundur Gudmundsson auch nicht. Der Trainer der Rhein-Neckar Löwen bittet zur Laufeinheit. Und zwar täglich. Der Schweiß fließt bei den Profis des Handball-Bundesligisten nicht nur, er rinnt in Strömen an den muskelbepackten Körpern herunter. „Die ersten zwei Wochen einer Saisonvorbereitung sind immer die schlimmsten“, weiß Kapitän Uwe Gensheimer aus Erfahrung.

Es wird geschuftet und gelitten, ab und zu bietet immerhin der Rasensprenger auf dem Kronauer Sportplatz eine kleine Erfrischung. Diese Schinderei, sie setzt den Spielern zu. Doch die Profis wissen genau, warum sie sich quälen. Die Bundesliga-Saison steht vor der Tür – und die nächste Runde wird noch anstrengender als die vergangene. Stichwort Champions League.

Neben 20 Bundesliga-Partien stehen für die Badener bis zum Jahreswechsel sieben Auftritte auf internationaler Bühne an. Hochkarätige Gegner warten auf die Löwen, die in der vergangenen Runde den EHF-Pokal gewannen, in diesem Wettbewerb aber erst nach der WM-Pause so richtig gefordert wurden. „Wir hatten gegenüber den Champions-League-Teilnehmern gerade in der ersten Saisonhälfte einen großen Vorteil“, erinnert Gensheimer daran, dass sich die Gelbhemden fast ausschließlich auf die Liga konzentrieren konnten, während Flensburg, Kiel, Hamburg und Berlin durch Europa tourten.

Nun müssen die Badener mit dieser Zusatzbelastung klarkommen. „Alle drei Tage zu spielen, beim Rückflug aus St. Petersburg schon den Fokus auf die nächste Bundesligapartie zu richten, immer die Konzentration aufrecht zu halten – das wird die große Herausforderung für uns alle sein“, sagt der Kapitän der Löwen: „Wir müssen jetzt weiter Gas geben, hart arbeiten – und dürfen uns nicht auf dem Europapokalsieg ausruhen.“

Mit der vergangenen Saison, der erfolgreichsten der Vereinsgeschichte, hat der Linksaußen längst seinen Frieden gemacht. Im November war ihm die Achillessehne gerissen, nach monatelangem Reha-Training kehrte der waschechte Mannheimer rechtzeitig zum großen Saisonhöhepunkt zurück. Im EHF-Cup-Finale gegen Gastgeber Nantes avancierte er zum Matchwinner und erzielte zehn Treffer. Eine Geschichte wie diese gibt es eigentlich nicht. Vielleicht in Hollywood – oder in einem Märchen. Aber nicht im wirklichen Leben. Weil sie so völlig unrealistisch klingt. Doch Gensheimer ist eben nicht nur ein Handballer, sondern der „weltbeste Linksaußen“, wie sein Klub-Kollege Patrick Groetzki sagt.

Schock vorm Liveticker

Die schwere Verletzung machte dem 26-Jährigen gleichwohl zu schaffen, die Zeit hinter der Bank sei nicht immer einfach gewesen, wie der 1,88-Meter-Mann zugibt. Im ersten Moment nach der Diagnose habe er sich schrecklich gefühlt. „Sechs Monate Pause. Das ist eine unglaublich lange Zeit.“ Kurz vor seiner Operation trennte sich der dienstälteste Löwe von seinem Markenzeichen, dem Schnurrbart, der eigentlich wie die bunten Socken fest zu seinem „Retro-Look“ gehörte. Er wollte ein Zeichen setzen. Für einen Neuanfang. Und mittlerweile sagt der sympathische Linksaußen: „So schwer es manchmal auch war, der Saisonabschluss mit dem Titel hat mich das alles vergessen lassen.“

Nach der gerade für ihn emotional so extremen Runde ging es erst einmal in den Urlaub, in Thailand erlitt der Torjäger dann in den frühen Morgenstunden einen Schock. „Ich saß nachts um 3 Uhr in Bangkok vorm Internet-Liveticker.“ Der Grund: Gensheimer verfolgte das EM-Qualifikationsspiel der Nationalmannschaft in Montenegro. Was er da sah, gefiel ihm gar nicht und ließ ihn später schlecht schlafen. Die DHB-Auswahl verlor das Schlüsselspiel, bei der Europameisterschaft im Januar schauen die Deutschen nur zu.

Umso mehr möchte der Rechtshänder deshalb mit den Löwen für Furore sorgen. Nach seiner Rückkehr aus Asien arbeitete der Torschützenkönig der Champions League von 2011 weiter an seiner Fitness, legte Zusatzschichten ein und nahm vor dem offiziellen Trainingsauftakt bei den Löwen an den Einheiten der Drittliga-Mannschaft teil: „Ich will meine letzten Defizite aufarbeiten, wenn ich überhaupt noch welche habe“, sagt Gensheimer und grinst. Keine Frage: Der Löwen-Anführer ist richtig heiß auf Handball, auf die neue Saison. Doch erst einmal muss er viel laufen. Gudmundur Gudmundsson kennt eben kein Erbarmen. Und die Sonne auch nicht.

Von Marc Stevermüer