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Nicht nur die blauen Flecken schmerzen (MM)

HAMBURG/MANNHEIM. Die Titelverteidigung früh verspielt, zwei Trainerwechsel, Verletzungspech, das Champions-League-Aus – beim amtierenden Meister HSV Hamburg lief es zuletzt alles andere als rund. Auch in der Liga waren die Nordlichter ins Trudeln geraten, selbst die erneute Qualifikation für die Königsklasse ist keinesfalls sicher. Doch im direkten Duell mit den Rhein-Neckar Löwen meldete sich der HSV als Tabellenvierter mit dem 28:24-Erfolg zurück und brachte wieder zwei Punkte zwischen sich und den badischen Verfolger, der die lange Heimreise nutzte, um Wunden zu lecken.

„Dass sich Hamburg irgendwann wieder fangen würde, war klar. Dass es ausgerechnet gegen uns sein musste, ist allerdings bitter“, hatte sich Löwen-Abwehrchef Oliver Roggisch gegen die deutlich angeschlagenen Hamburger sicher mehr ausgerechnet. Doch noch liegen acht Spiele vor den Badenern und Roggisch macht seine eigene Rechnung auf: „Nach Kiel sind wir die beste Rückrundenmannschaft. Wenn wir alle Partien gewinnen, spielen wir nächstes Jahr in der Champions League. Von so einem Ergebnis lassen wir uns jetzt nicht runterziehen.“

Lange auf Augenhöhe

Und das Restprogramm spricht trotz der Niederlage in Hamburg tatsächlich für die Löwen. Auswärts müssen die Gelbhemden nur noch bei den Aufsteigern Hildesheim und Hüttenberg ran, zu Hause warten noch Spiele gegen die direkte Konkurrenz aus Berlin und Flensburg. Und auch beim amtierenden Meister waren die Löwen schließlich lange auf Augenhöhe.

Warum es trotzdem nicht klappte? „Weil der HSV zu Hause gespielt hat“, meinte Roggisch trocken und spielte damit auf die Schlussphase an, als die Hamburger den ohnehin schon rustikalen Charakter der Begegnung in der eigenen Defensive nochmals verstärkten, während sich die Löwen laut Manager Thorsten Storm nicht mehr so viel erlauben durften. „Wir haben das Ding mit gesunder Härte gewonnen“, fand Hamburgs Torsten Jansen umschreibende Worte. „Andere Schiedsrichter lassen das nicht zu“, setzte Storm dagegen.

Generell war die Partie nichts für Handball-Ästheten. Ellenbogen, Trikotziehen, Ringkämpfe, üble Griffe in den Wurfarm, Rudelbildungen – alle Grenzbereiche wurden ausgetestet, oft war es zu viel des Schlechten. Hamburgs Bertrand Gille verließ das Schlachtfeld gar mit einer angerissenen Sehne in der Schulter. Das Saison-Aus droht. „Es war nicht immer ganz fair“, murmelte Hamburgs Matthias Flohr, während Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson deutlichere Worte fand. „Mit Handball hatte das teilweise nichts mehr zu tun“, schüttelte der Isländer mit dem Kopf. Insgesamt elf Zeitstrafen gingen auf die Teams nieder, allerdings wurde noch lange nicht jedes Vergehen entsprechend geahndet.

Letztlich aber nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Akteure 48 Stunden zuvor noch den Abschluss der dreitägigen Olympia-Qualifikationen gespielt hatte. „Es wird eben jede Fernseh-Minute herausgequetscht“, wiederholte Löwen-Geschäftsführer Storm seine Kritik an der Spielansetzung und musste sich bestätigt sehen. Denn während bei den Löwen in der Schlussphase vor allem die fehlende geistige Frische in Form von Ballverlusten und überhasteten Abschlüssen zu Buche schlug, hatte der HSV Hamburg etwa einen Michael Kraus in seinen Reihen, der weit weg von DHB-Maßnahmen und Olympia-Qualifikationen über Ostern ordentlich Kräfte sammeln konnte und im ersten Durchgang allein sechs Mal traf.

Auch diese Tore taten den Löwen in der Endabrechnung richtig weh – von den blauen Flecken nach dem Hamburger Haudrauf-Happening einmal ganz abgesehen.

Von Thorsten Hof