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Nord-Tournee: Außer Spesen nichts gewesen

Hamburg/Mannheim. Wenn sogar ein Isländer vom Norden die Nase voll hat, muss schon etwas Außergewöhnliches passiert sein. „Das reicht jetzt wirklich“, quittierte Gudmundur Gudmundsson das Ende der Rundreise zwischen Ostsee und Elbe mit einem gequälten Lächeln, denn auch der Trainer der Rhein-Neckar Löwen hatte sich die Tournee durch Flensburg, Kiel und Hamburg ganz anders vorgestellt. Zwei im Meisterschaftsrennen der Handball-Bundesliga vielleicht schon entscheidende Niederlagen; in der Königsklasse ebenfalls an die Grenzen gestoßen – Frust statt Handball-Lust hatten die Löwen mit im Gepäck nach Hause, wo bereits heute Abend (19.15 Uhr/SAP Arena) erneut der THW Kiel Gegner in der Champions League ist.

„Ein paar Bälle zu viel verworfen“

Frust vor allem deshalb, da es wohl noch nie so einfach war, bei einem der beiden Branchenführer die Punkte mitzunehmen und in Sachen Titel dick im Geschäft zu bleiben. „Wir waren lange die bessere Mannschaft“, hatte Gudmundsson richtig beobachtet, während Rechtsaußen Patrick Groetzki wusste, warum es dann doch nicht geklappt hat: „Insgesamt haben wir wohl wieder ein paar Bälle zu viel verworfen.“ So etwa im ersten Durchgang, als mehr als die 16:13-Pausenführung drin war, oder in den Schlussminuten, in denen eine 30:29-Führung bei eigenem Ballbesitz in einen 30:31-Rückstand kippte. In den letzten 15 Minuten der Partie war das neben dem Endstand der einzige Hamburger Vorsprung – der sollte dem Tabellenführer dann aber reichen.

„Da waren wir wieder nicht abgeklärt genug“, monierte Geschäftsführer Thorsten Storm. „Da bringt es uns nichts, wenn wir 55 Minuten besser sind“, meinte der 46-Jährige, der in den entscheidenden Momenten nicht zuletzt auf der Torwartposition den Vorteil bei Hamburg sah. Zwar wiesen Slawomir Szmal und Johannes Bitter beide eine relativ durchschnittliche Quote auf, letztlich parierte der HSV-Schlussmann aber die Bälle, die das Spiel endgültig zugunsten der Löwen hätten prägen können. Auf Henning Fritz, der in Kiel ein gutes Comeback absolviert hatte, verzichtete Trainer Gudmundsson überraschenderweise.

Auch was die Auswirkungen der neuerlichen Niederlage betrifft, lag Storm wohl richtig. Während sich Patrick Groetzki im ersten Frust gar nicht auf solche Gedankenspiele einlassen wollte und Trainer Gudmundsson mit Blick auf die Heimspiele gegen die Top-Teams die Variante „nordischer Trotz“ vorzog, war für den Löwen-Manager klar: „Wir spielen jetzt erst mal um Platz drei. Mehr gibt die Situation nicht her.“ Zum Vergleich: Sieben „Miese“, die die Badener nun schon aufweisen, hatte Vizemeister Hamburg in der vergangenen Saison beispielsweise erst zum Rundenende angesammelt.

Dem heutigen Duell gegen Kiel in der Königsklasse dürfte deshalb vor allem die Bedeutung zukommen, sich für den Liga-Vergleich mit den Zebras am nächsten Mittwoch an gleicher Stelle Selbstvertrauen zu holen. Anderweitig droht sogar der vorzeitige Abschied aus der Spitzengruppe. „Wir müssen jetzt viel Charakter zeigen“, hofft dabei Torwart Fritz, dass die Last-Minute-Pleite an der Waterkant keine bleibenden Spuren hinterlässt. Immerhin bietet der Kalender kaum Zeit zur Trauer: Nach dem Rückflug gestern Morgen war nur Raum für zwei Trainingseinheiten, eine davon wird sogar noch am heutigen Spieltag abgehalten. „Da müssen wir durch“, beißt Gudmundsson auf die Zähne, der sich wenigstens mal wieder auf ein Spiel in Mannheim freuen darf. Denn bis zum nächsten Heimaturlaub dürfte das Thema Norden für den Isländer nicht mit den besten Erinnerungen verbunden sein.

Von Thorsten Hof

 26.11.2010