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Nur noch zwei Siege bis zum Titel (MM)

MANNHEIM. Als das Finalturnier erreicht, der Gegner bezwungen und der Druck abgefallen war, tanzten die Löwen Pogo. Es wurde keine Rücksicht genommen, auch nicht auf Maskottchen Conny, das im Jubel-Rudel fast zerquetscht wurde. Passend zur ausgelassenen Stimmung dröhnte der Partyschlager „Hey, das geht ab, wir feiern die ganze Nacht“ aus den Lautsprechern, Oliver Roggisch posierte noch einmal vor dem Fanblock und reckte die Fäuste in die Höhe. Rechtzeitig zum Viertelfinal-Rückspiel der Rhein-Neckar Löwen im EHF-Pokal gegen den SC Magdeburg war der Abwehrchef wieder fit geworden, auch dank seiner starken Leistung erreichte der Handball-Bundesligist durch einen 27:20 (12:11)-Erfolg über den Ligarivalen das Final Four am 18./19. Mai in Nantes.

Riesige Last fällt ab

„In solch einem Spiel spürt man keine Schmerzen. Im Europapokal will man nur die nächste Runde erreichen“, sagte Roggisch und stützte sich völlig erschöpft mit beiden Händen auf den Oberschenkeln ab. Die 60 unheimlich intensiven Minuten gegen den SCM hatten Nerven gekostet – und vor allem ganz viel Kraft, musste doch ein 28:31 aus dem Hinspiel umgebogen werden.

„Noch zwei Siege, dann halten wir einen Pokal in unseren Händen“, fasste Alexander Petersson die Ausgangslage vor der Endrunde in Frankreich sachlich zusammen. Trainer Gudmundur Gudmundsson blickte dagegen auf das Bundesliga-Spiel am Dienstag (19 Uhr) bei den Berliner Füchsen. Doch so weit wollte Roggisch, der unermüdliche Kämpfer und Arbeiter, noch nicht gehen: „Jetzt genießen wir erst einmal den Sieg, dann denken wir an den nächsten Gegner.“

Als die Party auf dem Spielfeld beendet war, ging die Feier in der Kabine weiter. Es wurde gelacht und gefeixt, laute Musik schallte bis in den Flur der GBG Halle. Keine Frage: Von allen Löwen war eine riesige Last abgefallen, denn in diesem Jahr soll es endlich klappen mit dem ersten Titel. „Im Viertelfinale wurde dieser Wettbewerb erst richtig interessant – und da drohte uns plötzlich das Aus. Das wäre wirklich sehr ärgerlich gewesen“, meinte Manager Thorsten Storm.

Die Qualifikation für das Finalturnier erhöht den finanziellen Spielraum des Geschäftsführers für Neuverpflichtungen aber nur minimal. Nach wie vor suchen die Löwen nach einem Halblinken, nach wie vor ist Momir Ilic ein Thema. Der Serbe passt sportlich in Anforderungsprofil, wie Storm bestätigte, finanziell hingegen (noch) nicht. MKB Veszprém würde die Forderungen des Noch-Kielers erfüllen, doch wie zu hören ist, ziert sich Ilic, weil er lieber in Deutschland bleiben würde. Der Poker geht also weiter – und die Löwen schauen notgedrungen auf jeden Cent. Der EHF-Cup ist eben nicht die Champions League, er bietet aber immerhin die Chance auf eine Trophäe. „Wir schauen nur auf das Sportliche. Titel sind immer schön“, sagte Storm und grinste.

Die ganz große Jubelstimmung wollte bei ihm nicht aufkommen, gleichwohl gefiel ihm, was er zuvor gesehen hatte. Nach durchwachsenen ersten 30 Minuten ließen die Löwen im zweiten Durchgang dem SCM keine Chance mehr, was nicht zuletzt am neunfachen Torschützen Andy Schmid lag.

„Wir haben das Spiel zu lange offen gehalten, weil wir zunächst zu viele Möglichkeiten ausließen. Ich bin trotzdem sehr zufrieden mit unserer Leistung. In der ersten Halbzeit waren die Abwehr und Torwart Niklas Landin stark, nach der Pause war die Abwehr im Zusammenspiel mit Niklas überragend. Und dann lief es auch im Angriff besser“, freute sich Gudmundsson nach dem Coup vor 1800 Zuschauern, die die ausverkaufte GBG Halle in einen echten Hexenkessel verwandelten. Mini-Vuvuzelas sorgten für einen ohrenbetäubenden Lärm bei Magdeburger Ballbesitz, frenetisch unterstützten die Fans von der ersten Minute an die Löwen. Der Funke sprang endlich einmal von den Rängen auf die Mannschaft über, oft genug lief es in der Vergangenheit in der riesigen SAP Arena umgekehrt.

„Ich spiele gerne in solch einer kleinen Halle, da bekommt man die direkte Rückmeldung von den Fans viel besser mit. Es ist unglaublich, was die veranstaltet haben“, sprach Roggisch den Anhängern ein Kompliment aus und fühlte sich an einen der lautesten Handball-Tempel auf der Welt erinnert: die 5000 Zuschauer fassende Veszprém Aréna, wo am Samstag der THW Kiel spielte. „Ich habe die erste Halbzeit im Fernsehen gesehen. Was da los war, haben unsere Fans eine Nummer kleiner auch hinbekommen“, sagte Roggisch und formulierte einen Wunsch: „Diese Tröten sollten wir in der SAP Arena verteilen.“

 

von Marc Stevermüer