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Pokal-Niederlage: Hamburg war mal wieder keine Reise wert (RNZ)

Rhein-Neckar Löwen beim Final Four im Halbfinale ausgeschieden: Es war eine bittere 26:30-Niederlage gegen Flensburg-Handewitt.

Hamburg. Manche verdeckten ihr Gesicht. Sie versteckten es unter ihrem Trikot, das sie sich über den Kopf gestülpt hatten: Am Samstagmittag gegen 17 Uhr wollten die Spieler der Rhein-Neckar Löwen nur noch eins: alleine sein. Niemand sollte sie so sehen. So niedergeschlagen, so bitter enttäuscht. Denn Hamburg war für die Besten aus dem Südwesten wieder mal keine Reise wert. Raus ging’s schon im Halbfinale – und das ohne Applaus. Vielmehr mit Mitleid, denn das, was die Gelben beim Final Four in der Hansestadt zwischen den Kreisen brachten, war Handball zum Vergessen. Chancenlos und orientierungslos gingen sie unter, wurden von abgezockten Flensburgern vernichtend mit 26:30 (12:16) geschlagen. Richtig, von den Flensburgern, gegen die Kapitän Uwe Gensheimer und Co. in der Liga zwei Mal gewonnen hatten. Im Finale hat es dann auch für die Norddeutschen nicht gereicht. Flensburg verlor gegen die Füchse Berlin mit 21:22 (11:11).

Unmittelbar nach der Schluss-Sirene war dann Ursachenforschung angesagt. Mit Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson. Und dem fiel das nicht leicht. Er rang nach Worten, sprach leise, in kurzen Sätzen. Vor allem diesen wiederholte er dabei ständig: „Wir haben verdient verloren, Flensburg war einfach besser.“ Ehrliche Worte, doch wer Gudmi kennt, der weiß: Gerade die fallen ihm in solchen Momenten besonders schwer: Verlieren ist nicht sein Ding. Egal wo, egal gegen wen. Aber er stellte sich, ging höflich und gewissenhaft von Mikrofon zu Mikrofon. Ein Profi durch und durch. Die meisten seiner Spieler wählten einen anderen Weg. Den bequemeren. Frisch geduscht stiefelten sie zielstrebig in Richtung Hinterausgang. Das Handy am Ohr, die Sporttasche lässig über der Schulter hängend. Heißt so viel wie: „Bitte nicht ansprechen, nicht nach so einem Spiel.“

Doch auch bei den Löwen bestätigen Ausnahmen die Regel. Es gibt da ja noch Patrick Groetzki, 24. Der Pforzheimer redet immer, zeigt Größe auf und abseits der Platte. Der rechte Flügelmann: „Wir hätten heute die Leistung auf den Punkt hin gebraucht. Da bringt es dir nichts, wenn du in den letzten Wochen richtig gut warst. Ausruhen sollte man sich nie.“ Er selbst hat das auch nicht getan. „Johnny“ erwischte einen Sahnetag, war mit Abstand der beste Löwe an der Elbe. Sein Auge, seine Präzision, seine Schnelligkeit: Neun Tore steuerte der Linkshänder bei. Eine Gala, die nichts nutzte. Weil die Löwen-Abwehr diesmal nicht stand und weil „vorne die Durchschlagskraft fehlte“ (Groetzki).

Stefan Sigurmannsson sah’s ähnlich, verpackte es aber anders: „Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass wir nie richtig in diesem Spiel drin waren.“ Sagt es und zieht die Augenbrauen hoch: „Es fällt wirklich schwer, darüber zu sprechen.“ Fakt ist: Die Partie war eigentlich bereits nach zwanzig Minuten entschieden. Flensburg führte permanent, erarbeitete sich schnell ein Drei-, Vier-Torepolster, an dem sich die Löwen die Zähne ausgebissen haben. Erschwerend kam hinzu, dass es Zeitstrafen ohne Ende hagelte. Teilweise mühten sich vier Gelbe gegen sechs Schwarze – das kann nicht gut gehen. Berechtigt waren die Zweiminutenstrafen nicht immer. Oder anders: Das Schiedsrichter-Gespann Christoph Immel/Ronald Klein präsentierte sich ebenfalls nicht in Topform. „Ich würde sie aber trotzdem nicht für die Niederlage verantwortlich machen“, betonte Sigurmannsson, „die haben wir schon selbst verschuldet.“

Starke Worte, denen nun wieder starke Taten folgen sollen. Denn nach Hamburg ist vor Kiel: Bereits unmittelbar nach der Halbfinal-Pleite gegen die Grenzstädter machte sich der Mannschaftsbus auf gen Heimat. Gudmundsson erklärt: „Wenn diese Niederlage gegen Flensburg etwas Gutes hatte, dann dass wir jetzt einen Tag mehr zur Vorbereitung für Kiel haben.“ Mit einem Sieg in der SAP Arena könnten die Badener bekanntlich die Tabellenführung übernehmen. Allerdings sind die Vorzeichen seit Samstag nicht gut. Das Selbstvertrauen ist weg, oder zumindest stark angeknackst. Und alle wissen, was auf dem Spiel steht.

Es droht nun gar ein Horror-Szenario: Der Tanz auf drei Hochzeiten könnte innerhalb von einer Woche komplett ausgetanzt sein. Der DHB-Pokal ist bereits Geschichte. Bleiben die Meisterschaft und die Champions League, wo die Löwen am Ostersonntag im Viertelfinal-Hinspiel den FC Barcelona empfangen.

Der Druck ist riesig. Groetzki spürt ihn auch, aber im positiven Sinne. Der Nationalspieler sagt: „Für mich ist dieser Druck ein schöner. Er beflügelt mich eher, als dass er mich belastet.“ Apropos positiv, auch an ein Happy End beim Final Four glaubt Groetzki nach wie vor. „Irgendwann“, schmunzelt er leicht gequält, „irgendwann sollte es mit uns schon noch mal klappen.“ Sprach’s, schnappte sich seine Tasche und folgte dem Rest in Richtung Bus.

Zum Abtauchen hinter getönten Scheiben.

Von Daniel Hund