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Rhein-Neckar Löwen auf Meisterschaftskurs: 33:19-Sieg gegen Lemgo (RNZ)

Sechs Spiele vor Saisonende bauten die Badener ihre Tabellenführung vor der SG Flensburg-Handewitt aus

Als alles vorbei war, stiefelte Nikolaj Jacobsen auf die gelbe Fan-Wand zu. Ganz langsam tat er das. In Mini-Schritten. Und der Däne schien jeden einzelnen zu genießen. Die Arme hatte er dabei ausgestreckt, reckte sie in Richtung Arena-Dach. Klatschte und jubelte mit 10 845 Zuschauern um die Wette. Ja, es war mal wieder ein Handball-Feiertag gestern in der SAP Arena. Ein Schützenfest mit badischen Hauptdarstellern. Mit 33:19 (17:9) fegten die Löwen über den TBV Lemgo hinweg und setzten somit das nächste dicke Ausrufezeichen auf dem Weg zum ersten deutschen Meistertitel.

Zu dem wurde dann sogar schon gratuliert. Vom wem? Na, von Florian Kehrmann, dem Trainer des TBV Lemgo. Der war tief beeindruckt. „Es war schon ein Erlebnis vor über 10 000 Zuschauern gegen den Meister zu spielen“, grinste er auf dem Pressepodium. Und Jacobsen? Der lächelte zurück: „Florian, diese Glückwünsche nehme ich sechs Spieltage vor Schluss noch nicht an. Aber ich hoffe, dass ich sie in ein paar Wochen annehmen kann.“

Gefeiert wurde übrigens schon vor dem Spiel. Geschäftsführer Laras Lamadé leitete die gelbe Party im feinen Anzug ein: Sekunden vor dem Duell griff er zum Mikrofon und verkündete drei Personalentscheidungen: Trainer Nikolaj Jacobsen, Spielmacher Andy Schmid und Rückraum-Granate Mads Mensah Larsen haben verlängert. Bis 2020. Also noch eine halbe Ewigkeit.

Die Arena glich da einem Tollhaus, Applaus brandete auf. Und der setzte sich fort. Denn es war meisterlich, was die Löwen unten auf die Platte zauberten. Hinten kompakt, vorne wieselflink. In Zahlen: Nach sechs Minuten stand es 3:0. Nach und nach kam dann auch Lemgo besser in Fahrt. Gegen bissige Löwen muss da aber schon mehr kommen. Um im „Ufo“ etwas zu reißen, muss ein Sahnetag her, bemüht zu sein, reicht da nicht. Und so zog der Spitzenreiter weiter auf und davon.

Beim 10:4 (19.) durch Europameister und Kreis-Riese Hendrik Pekeler deutete schon vieles auf eine Vorentscheidung hin. Zu überlegen waren sie, die Löwen. Hungrig ohne Ende. Und ja, auch so leichtfüßig. Teilweise tänzelten Uwe Gensheimer und Co. regelrecht durch den gegnerischen Abwehrriegel. Die zehntägige Spielpause machte es möglich. Die Akkus waren voll. Ex-Löwe Jonas Maier, der beim Altmeister zwischen den Pfosten stand, konnte einem phasenweise regelrecht leidtun. Das kleine Harzbällchen krachte ihm nur so um die Ohren.

Ein Vorwurf war Maier aber nicht zu machen. Im Gegenteil: Ihm war’s zu verdanken, dass Lemgo nicht völlig abgeschossen wurde. Aber gerade wenn Schmid angeflogen kam, war auch er machtlos. Der Regisseur traf und traf. Acht Mal bis zur Pause. Selbst aus elf, zwölf Metern. Unglaublich, dieser Schweizer.

Und so wunderte es nicht wirklich, dass beim Seitenwechsel ein beruhigendes 17:9 vom Videowürfel leuchtete. Eigentlich ein Zwischenstand, bei dem man schon etwas runterfahren kann und bereits in den Final-Four-Modus schalten kann, doch nicht die Löwen. Die machten weiter. Sicher auch, um das nächste deutliche Signal gen Norden zu schicken, hoch zu den Titelrivalen aus Flensburg und Kiel.

Zurück in die Zukunft. Und die sieht seit gestern wieder deutlich rosiger aus. Denn gerade mit den vorzeitigen Verlängerungen von Jacobsen und Schmid haben sich Löwen zwei der begehrtesten Unterschriften in der Handball-Welt gesichert. Das sind zwei, die den Unterscheid machen. Der eine dirigiert von außen, der andere lenkt das Spiel zwischen den Kreisen. Abwerbeversuche gab es einige. „Klar hatte ich auch andere Anfragen. Auch weil die Sache mit dem Ersatz für den Hauptsponsor unklar war“, verrät Jacobsen, stellt aber klar: „Die Löwen waren immer meine erste Priorität.“ Und was ist mit der Tormaschine aus der Alpenrepublik? Der schließt sich mit einer Liebeserklärung an die Rhein-Neckar-Region an. Schmid: „Sie ist zu unserer zweiten Heimat geworden, hier sollen unsere Kinder aufwachsen. Sportlich passt auch alles.“

Einer, der nächsten Kandidaten, die langfristig verlängern werden, ist nach RNZ-Infos Patrick Groetzki. Ein neuer Torhüter soll ebenfalls bereits gefunden sein: Andres Palicka, der ehemalige Kieler.

Jetzt fehlt eigentlich nur noch eins: ein Titel. Am Wochenende soll’s klappen. In Hamburg, beim Final 4. Flensburg wartet am Samstag im Halbfinale. Lamadé ist bereits heiß: „Ich hoffe, dass wir beim neunten Anlauf endlich etwas mitbringen.“ Der Grundstein für den Pokal-Coup wird in dieser Woche im Kronauer Trainingszentrum gelegt, ehe man am Freitag Nachmittag in der Hansestadt einschweben wird.

Von Daniel Hund