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Rückkehr an den Unglücksort

Karol Bielecki spricht nicht mehr gerne über dieses Thema. Er hat es abgehakt und kann die ständigen Fragen nicht mehr hören. Kein Wunder, schließlich fallen die Antworten des Polen stets gleich aus. Der Rückraumspieler der Rhein-Neckar Löwen muss damit leben, dass er vor knapp vier Monaten auf dem linken Auge erblindete. Der Rechtshänder nahm sein Schicksal an und machte das Beste aus der Situation. Er kämpfte verbissen um seine Karriere – und wurde für diesen unglaublichen Ehrgeiz belohnt.

Gute Wünsche vom Gegner

In welche Halle auch immer Bielecki kommt – es wird über ihn gesprochen. Die Menschen in Balingen oder Barcelona sind neugierig, aber vor allem bewundern sie diesen Mann, für den ein Karriereende nie in Betracht kam. Auch am Sonntag wird der 28-Jährige wieder im Mittelpunkt stehen. Vermutlich sogar noch mehr als sonst. Mit den Löwen tritt er in der Champions League in seiner Heimat Polen an. Dort ist der Rotschopf ein Held. Die Badener bekommen es um 15 Uhr mit Vive Kielce zu tun und spielen genau in der Halle, in der sich Bielecki am 11. Juni im Länderspiel gegen Kroatien so schwer verletzte.

„Ich habe großen Respekt vor Karol. Es ist der absolute Wahnsinn, was dieser Kerl leistet. Seine Willenskraft ist bewundernswert“, lobt Bertus Servaas, niederländischer Geldgeber des polnischen Meisters, den Löwen-Spieler: „Für ihn wird es bestimmt ein emotionales Erlebnis. Aber ich glaube, dass er gefestigt genug ist, um damit umzugehen. Auch wenn es schlecht für meine Mannschaft wäre, hoffe ich, dass Karol eine gute Leistung zeigt.“

Servaas sieht der Begegnung gelassen entgegen, obwohl sein Team nach drei Niederlagen in Serie eigentlich unter Druck stehen müsste. Der Niederländer dämpft die Erwartungen. „In dieser schweren Vorrundengruppe müssen wir nicht die nächste Runde erreichen“, sagt der Unternehmer, der in Kielce eine europäische Spitzenmannschaft aufbauen will. Dafür werden nach und nach die polnischen Nationalspieler zurück in die Heimat geholt.

In diesem Sommer kam Michal Jurecki aus Lübbecke, vor zwölf Monate wurde Mariusz Jurasik von den Löwen verpflichtet. „Das Duell mit seinem Ex-Klub ist für ihn etwas Besonderes“, glaubt Servaas, der zur kommenden Saison mit Slawomir Szmal schon den nächsten Spieler der Badener unter Vertrag genommen hat.

Im Poker um Bielecki zog der polnische Meister vor wenigen Monaten allerdings den Kürzeren. Der Rückraumspieler verlängerte seinen Vertrag bei den Löwen bis 2015. Er erhielt den Kontrakt zwar vor seiner Augenverletzung, doch das Vertrauen in den Rechtshänder ist bei den Gelbhemden nach wie vor groß. Da würde es doch nur allzu gut in diese Geschichte passen, wenn Bielecki ausgerechnet in Kielce glänzt.

Von Marc Stevermüer