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Rückkehr des Eiskriegers

Mannheim. Es brodelte in ihm. Gudjon Valur Sigurdsson war die Wut anzusehen. Bei den Rhein-Neckar Löwen lief es nicht rund gegen RK Celje, eine Niederlage drohte im Champions-League-Duell mit dem slowenischen Meister. Nach zehnmonatiger Verletzungspause war der Kapitän des badischen Handball-Bundesligisten zu Beginn der zweiten Halbzeit ins Team gerückt. Und nur drei Tage nach seinem Kurz-Comeback gegen den THW Kiel schwang sich der „Eiskrieger“ gleich wieder zum Anführer auf. Der Linksaußen rüttelte die Löwen wach, blies mit seinem Treffer zum 22:23 nach Kempa-Trick zur Aufholjagd – und feierte in letzter Sekunde einen 33:32-Sieg.

„Es tut natürlich gut, wieder auf dem Feld zu stehen“, sagte der 1,87-Meter-Mann, der drei Tore erzielte und sich gewohnt bescheiden gab: „Es geht nicht um mich. Kein Einzelner ist größer als der Klub. Das Wichtigste ist immer der Erfolg der Mannschaft.“ Typisch Sigurdsson: Sich in den Vordergrund zu drängen, ist nicht seine Sache.

Zehnmonatige Leidenszeit

„Er gibt dieser Mannschaft unheimlich viel“, lobte Manager Thorsten Storm den lange vermissten Kapitän. Wer den Linksaußen am Samstag gesehen hat, der weiß genau, was Storm mit seinen Worten meinte. Das ganze Team kann sich stets auf „Goggi“ verlassen und sich an ihm aufrichten. Den langen Ausfall des Isländers kompensierten die Gelbhemden in sportlicher Hinsicht ohne einen Qualitätsverlust durch den überragenden Uwe Gensheimer, als Führungsfigur fehlte Sigurdsson aber seinem Team. Doch nun fand die lange Leidenszeit des WM-Torschützenkönigs von 2007 ein Ende.

Vorbei sind die Wochen, in denen der 31-Jährige einsam und verbissen an seinem Comeback arbeitete. Ein entzündetes Narbengewebe am linken Knie machte Anfang Februar eine Operation unumgänglich. Von einer dreimonatigen Pause war zunächst die Rede, doch dann musste sich der Blondschopf im Mai einem erneuten Eingriff unterziehen. Erst danach ging es aufwärts – wenn auch nur langsam. Er musste sich in Geduld üben, durfte nichts überstürzen. Ein Rückfall wäre des Schlimmste gewesen, was ihm hätte passieren können.

„Ich hatte starke Schmerzen. Jetzt hat es zwar lange bis zu meiner Rückkehr gedauert, aber es war die beste Lösung. Ich bin den Ärzten wirklich sehr dankbar. Sie haben meine Karriere gerettet“, lobte der Rechtshänder die Mediziner, aber auch den Löwen-Physiotherapeuten Sven Raab. Wenn seine Laune im Keller gewesen sei, habe Raab das mehr als einmal zu spüren bekommen – und dafür sogar Verständnis gehabt.

Familie gibt Halt

Halt fand Sigurdsson in dieser schwierigen Zeit in der vertrauten heimischen Umgebung. „Meine Familie ist wunderbar, meine Frau hat mir viel geholfen. Es gibt diese Tage, an denen man in Selbstmitleid zerfließt und denkt, das Leben sei ungerecht“, berichtete der Isländer: „Aber dann kommt man nach Hause zu seinen Kindern – und denen ist es vollkommen egal, ob man fit ist oder nicht.“ Ab sofort sehen seine zwei Töchter Ina und Jona ihren Vater aber auch wieder auf dem Spielfeld – wo er gegen Celje gleich auftrumpfte. Doch der Kapitän bleibt vorsichtig, setzt sich kein bisschen unter Druck: „Ich weiß nicht, ob ich wieder der Alte werde. Warten wir mal ab, was die Zukunft bringt.“

Sein Trainer Gudmundur Gudmundsson ist auf jeden Fall froh über die Rückkehr des 31-Jährigen. „Er ist als Persönlichkeit unglaublich wertvoll für diese Mannschaft, wird aber erst einmal ein paar Spiele machen müssen, um seinen Rhythmus zu finden“, sagte der Coach, der auch als isländischer Nationaltrainer arbeitet und Sigurdsson zweifelsohne gut bei der WM im Januar gebrauchen könnte.

„Daran denke ich jetzt überhaupt nicht. Erst einmal zählen für mich nur die Löwen“, äußerte sich Gudmundsson ähnlich zurückhaltend wie der Linksaußen. „Solch ein Turnier ist unglaublich hart und lang. Ich muss erst einmal die Bundesligaspiele überleben, bevor ich mir darüber Gedanken mache“, sagte Sigurdsson, der momentan einfach nur froh ist, wieder das machen zu dürfen, was er so sehr liebt: Handball spielen.

Von Marc Stevermüer

 06.12.2010