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So machen die Löwen Spaß (RNZ)

Göppingen. Sie schlichen aus der Halle. Die Schultern hängend, der Blick leer. Manche fluchten noch auf der Flucht, andere schwiegen, wirkten wie gelähmt. Die Enttäuschung war riesig, kaum in Worte zu fassen. Am Sonntag, es war gegen 17 Uhr, glich die Göppinger EWS-Arena einer Trauerfeier, einem Begräbnis mit über 4000 Trauergästen. Gemeinsam nahm man Abschied. Vom perfekten Saisonstart, vom erhofften Derbysieg. Denn am Ende jubelten die Falschen. Die Gelben, nicht die Grünen. Die Bundesliga-Handballer der Rhein-Neckar Löwen machten das unmöglich erscheinende tatsächlich möglich, siegten bei Frisch Auf Göppingen mit 30:25 (13:12). Und das verdient, ganz souverän. Thorsten Storm, der Manager, sah es ähnlich. Er grinste, lobte alle: „Die Mannschaft war heute überragend. Jeder hat für den anderen gekämpft. Bei uns herrscht ein ganz neuer Geist.“

Los ging es bei den Badenern mit fünf Neuen: Gedeon Guardiola, Kim Eckdahl du Rietz, Alexander Petersson, Marius Steinhauser und Niklas Landin. Das erste Tor machte trotzdem ein alter Löwen-Hase: Uwe Gensheimer, der Kapitän, die Tormaschine aus Friedrichsfeld. Er traf zum 1:1. Per Siebenmeter. Danach ging es zunächst hin und her, vor und zurück. Um jeden Zentimeter wurde gekämpft. Und das mit einem bärenstarken Petersson. Der Ex-Berliner riss immer wieder Löcher in die Göppinger Abwehr-Mauer. Der Lohn: In der 11. Spielminute legten die Löwen erstmals vor, führten mit 8:7. Gedeon Guardiola, dem spanischen Kreis-Torero im XXL-Format, sei Dank. Mit einem Dreher zwirbelte der Zwei-Meter-Riese den Ball im Fallen an Bastian Rutschman, dem ehemaligen Krösti im Frisch-Auf-Tor, vorbei.

Und plötzlich war der Löwen-Motor auf Betriebstemperatur. Im Eiltempo legten die Gäste zwei weitere Treffer nach. Vorne die Kunstschützen, hinten Niklas Landin, der Teufelskerl zwischen den Löwen-Pfosten. Mehrfach brachte er noch die Finger dazwischen, hexte auf einem ganz hohen Niveau. Selbst von der Siebenmeter-Linie war der Däne nicht zu bezwingen. Zur Pause war Göppingen dann wieder dran. Die Schwaben nutzten unter anderem eine doppelte Unterzahl der Löwen aus. Vorne lagen Gensel und Co. trotzdem noch. Hauchdünn, mit 13:12.

Die ersten 30 Minuten waren also bereits sehr gut. Und die Zweiten? Die waren noch besser. Oder anders: Es war die Landin-Show. Jeden zweiten Ball krallte sich der Däne. Eiskalt trat er auf, der Nordmann. In der EWS-Arena, auch Hölle Süd genannt, wurde es derweil immer ruhiger. Die 4500 Zuschauer schienen so langsam zu realisieren, dass hier und heute nichts mehr geht. Nicht gegen diese Löwen, nicht gegen diesen Landin, der es auf insgesamt 18 Paraden brachte.

Angesprochen auf den Helden im Kasten begann auch Gudmundur Gudmundsson zu schwärmen. Der Trainer über seinen letzten Mann: „Was Niklas da heute gezeigt hat, war unglaublich gut.“ Gudmi lächelte, als er das sagte. Es war sein Siegerlächeln. Doch er vergaß in der Stunde des Triumphs auch die anderen nicht. Die die vielen Reflexe von Landin erst ermöglichten: „Unsere Abwehr“, erklärte Gudmundsson, „unsere Abwehr stand spitze.“ Widerspruch zwecklos. Immer wieder verschob sich der Abwehrriegel, hatte auf die Angriffslist der Göppinger eine Antwort.

Auch Storm nickte das ab und verteilte zur Feier des Tages noch ein Sonderlob: „Was Marius Steinhauser heute bei seiner Bundesliga-Premiere gezeigt hat, hat nicht nur mich beeindruckt.“

Das Göppingen-Fazit: Genau so machen die Löwen Spaß. Mit weniger Weltstars, dafür aber als Team, als verschworener Haufen.

Göppingen: Rnic 10/3, Markicevic 6, Oprea 3, Kneule 2, Schöne 2, Haaß 1, Maximilian Schubert 1
Löwen: Gensheimer 10/2, Petersson 8, Ekdahl du Rietz 5, Sesum 4/1, Guardiola 1, Myrhol 1, Steinhauser 1
Zuschauer: 4500, Strafminuten: 6/12

Von Daniel Hund