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Storm wütend: Das ist einfach indiskutabel
Mannheim. Zum Jahresabschluss gab es noch eine Blamage in der Handball-Bundesliga: Die 26:31-Niederlage bei TuS N-Lübbecke ärgerte Thorsten Storm gewaltig. Im Interview blickt der Manager der Rhein-Neckar Löwen auf die vergangenen Monate zurück.
Herr Storm, die Löwen gehen mit elf Minuspunkten in die Winterpause. Damit können Sie nicht zufrieden sein, oder?
Thorsten Storm: Nein, das bin ich auch nicht. Und das Schlimme ist: Unsere Niederlagen in Berlin, in Lübbecke und in eigener Halle gegen Flensburg waren verdient. Das kann eigentlich nicht wahr sein. Denn wir haben den Anspruch, solche Spiele zu gewinnen. Aber es hilft jetzt kein Jammern. Die Hinrunde haben wir uns anders gewünscht. Die Rückrunde in der vergangenen Saison war natürlich deutlich besser. Aber man muss immer nach vorn blicken. Die Mannschaft allein kann beweisen, dass sie zurecht unser Vertrauen genießt. Die Spieler fordern von uns auch sehr viel. Es reicht eben nicht, zwei- bis dreimal zu glänzen. Wir brauchen Beständigkeit, Herz für die Löwen und Verlässlichkeit, wenn es einmal eng wird. Wir brauchen Spielertypen, die sich für die Löwen – gerade in der Abwehr – zerreißen. Bei tollem Wetter kann jeder gut aussehen.
Warum wurden Partien wie in Lübbecke oder Berlin verloren?
Storm: Es fällt natürlich auf, dass die Mannschaft in Stresssituationen in Hektik verfällt und nicht mehr ihre Qualität auf die Platte bringt. Irgendetwas stimmt also im Kopf nicht. Außerdem muss sich die Defensive steigern: Wir haben die Torhüter-Duelle gegen Berlin, Lübbecke und Flensburg verloren. Das ist ein Problem. Aber auch die Abwehrarbeit muss besser werden. Es tut dem Gegner nicht weh, wenn er gegen uns spielt, weil er nur gestreichelt wird. Alle unsere Jungs können verdammt gut Handball spielen. Aber Handball ist auch Arbeit.
In der Offensive hakte es zuletzt aber ebenfalls.
Storm: Das stimmt. Auch ich bin sprachlos, wenn ich sehe, dass Nationalspieler mit WM-Erfahrung den Ball zum vierten Mal ans Schienbein bekommen, ihn nicht fangen oder zum Gegner werfen. Das ist einfach indiskutabel.
Warum passieren den Löwen immer wieder diese Ausrutscher?
Storm: Wenn wir das wüssten, hätten wir es schon geändert. An den Rahmenbedingungen kann es auf jeden Fall nicht liegen. Wir haben herausragende Trainingsbedingungen, eine tolle medizinische Abteilung und die Spieler bekommen pünktlich ihr nicht gerade schlechtes Gehalt.
Geht es den Jungs zu gut?
Storm: Rahmenbedingungen können nicht zu gut sein. Es gibt nur gute und schlechte Spieler. Und wenn die Rahmenbedingungen gut sind, dürfen auch entsprechende Leistungen erwartet werden.
Hat das Team ein Problem mit der Einstellung?
Storm: Nein. Wir haben tolle Spielertypen in unserer Mannschaft und eine sehr gute Stimmung. Aber wenn ich von einigen Jungs vor der Saison höre, dass wir Meister werden wollen, frage ich mich, ob sich da nicht der eine oder andere überschätzt. Meister kann nur der werden, der eine entsprechende Leistung zeigt. Und von der Vereinsführung ist immer der dritte Platz als Ziel ausgegeben worden.
Doch auch der ist jetzt gefährdet.
Storm: Absolut. Wir müssen nicht von der Champions League reden, wenn wir immer wieder Leistungen wie in Lübbecke zeigen. Wenn das so weitergeht, können wir froh sein, überhaupt den Europapokal zu erreichen.
Welche Schuld trifft den Trainer an der Misere?
Storm: Ola Lindgren genießt selbstverständlich zu 100 Prozent das Vertrauen der Klubführung. Er kann am wenigsten für die Misere, denn Ola hat den Kader nicht zusammengestellt. Wir leiden eben darunter, dass unsere Saisonplanung zu einem großen Teil noch mit anderen Personen abgestimmt wurde oder aus Verletzungsgründen mit vorgegeben wurde. Trotzdem dürfen wir uns nicht so präsentieren wie in Lübbecke.
Warum schaffen es Mannschaften wie Flensburg und Göppingen, die wesentlich weniger investieren, vor den Löwen zu stehen?
Storm: Für die erste Formation investieren viele andere Vereine nicht immer weniger Geld. Flensburgs erste Sieben ist sicher nicht schlechter als unsere. Wir spielen Champions League im zweiten Jahr. Das sind andere Belastungen als Bundesliga und ein Europacup. Aber man muss die Gesamtentwicklung bei uns sehen. Und jeder kann nur das Geld investieren, was er im Umfeld auch einnimmt. Dafür muss man sich nicht rechtfertigen. Wir arbeiten alle hart dafür.
Welche Bedeutung hat die große Personalfluktuation für die immer wiederkehrenden Rückschläge?
Storm: Es ist auch im Umfeld des Klubs sehr viel in sehr kurzer Zeit passiert. Und es war auch ein Auftrag, das Gesicht dieser Mannschaft komplett zu verändern. Man darf nicht vergessen, wie viele deutsche Nationalspieler in unserer Mannschaft stehen und wo der Verein vor drei Jahren gestanden hat. Man kann auch jedes Jahr nur ein bisschen verändern, aber das gab unser vorgegebenes Zeitfenster nicht her.
Michael Kraus wirkt mit der Situation beim TBV Lemgo nicht gerade glücklich. Werden sich die Löwen um ihn bemühen, um zukünftig in der Offensive mehr Optionen zu haben?
Storm: Wir haben mit Kraus gesprochen, bevor er vor einem halben Jahr in Lemgo verlängert hat. Dass er sich dort jetzt nicht wohlfühlt, haben wir auch mitbekommen. Es ist nie gut, wenn man sich nicht wohlfühlt. Dann ist es schwer, einen guten Job zu machen.
Von Marc Stevermüer
02.01.2010