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Storms zerbrochene Welt (MM)

Kiel. Das hatte sich Thorsten Storm alles ganz anders vorgestellt. Der Manager der Rhein-Neckar Löwen hatte eine Vision, große Ziele. Er wollte zusammen mit Zvonimir „Noka“ Serdarusic Titel gewinnen, den badischen Handball-Bundesligisten an die europäische Spitze führen. So lautete der Plan. Doch umgesetzt wurde dieser nie. Gestern sahen sich die beiden vor dem Kieler Landgericht wieder. Serdarusic, dem Ex-Trainer des THW Kiel, wird ebenso wie Uwe Schwenker, dem ehemaligen Geschäftsführer des norddeutschen Klubs, vorgeworfen, 2007 das umkämpfte Final-Rückspiel in der Champions League gegen die SG Flensburg-Handewitt durch Schiedsrichter-Bestechung manipuliert zu haben. Beide Angeklagte bestreiten das. Pikantes Detail am Rande: Manager der vor vier Jahren im Endspiel unterlegenen SG war damals ausgerechnet Storm.

Matheis zurückgetreten

Doch um das Endspiel an sich ging es gestern nicht, sondern vielmehr um die Frage, wie Storm 2008/2009 von der angeblichen Bestechung erfahren hatte. Als der Löwen-Geschäftsführer den Gerichtssaal 232 betrat, saß Serdarusic in sich gekehrt auf der Anklagebank, wenige Meter neben ihm lehnte sich Schwenker lässig und selbstsicher zurück.

Ausführlich schilderte Storm die Geschehnisse zwischen Dezember 2008 und März 2009. Er sprach leise, die über sechsstündige Befragung strapazierte seine Nerven. Doch der Löwen-Manager wirkte gut vorbereitet, während Schwenker die Aussagen Storms mal mit höhnischem Lächeln, mal mit heftigem Kopfschütteln quittierte. Auch ein lautes „Schwachsinn“ kam ihm über die Lippen.

Der Geschäftsführer des badischen Bundesligisten widersprach dem Vorwurf der Verteidigung, er habe den THW Kiel und Schwenker mit seinem Wissen um die Manipulationsvorwürfe erpressen wollen, um die Ablösesummen für die von den Löwen umworbenen Kieler Profis Nikola Karabatic und Vid Kavticnik zu drücken. Um sich abzusichern, habe er am 25. Januar sowohl zu einem Treffen mit THW-Gesellschafter Georg Wegner als auch bei einem Besuch im Hause Serdarusic am gleichen Tag den Anwalt Christian Wiegert mitgenommen.

„Was man uns vorwirft, stimmt nicht. Wir haben dieses Wissen nicht als Druckmittel benutzt“, sagte Storm, der fast beiläufig eine Neuigkeit verkündete, die die Löwen bislang überhaupt noch nicht kommunizierten: Dieter Matheis, der in dieser undurchsichtigen Affäre durch einen öffentlich gewordenen Brief an Schwenker in die Schlagzeilen geraten war, gehört bereits seit mehreren Monaten nicht mehr dem Aufsichtsrat des Klubs an. „Die Entwicklungen im Handball haben ihm mit Blick auf diese Geschichte nicht gefallen. Damit wollte er nichts mehr zu tun haben“, sagte Storm, der anschließend sehr präzise von einem weiteren Gespräch im Hause Serdarusic am 11. Februar 2009 berichtete.

Das Treffen sei auf Drängen der Löwen, bei denen Serdarusic zur Saison 2009/2010 Trainer hätte werden sollen, zustande gekommen, um den Manipulationsgerüchten nachzugehen. Der ehrgeizige Coach habe zuvor immer etwas angedeutet, sei aber nie konkret geworden, berichtete Storm: „Ich befand mich zwischen zwei Gefühlswelten. Ich wusste nicht, ob er die Wahrheit sagte oder auf Rache aus war.“

Der Trainer war im Sommer 2008 im Unfrieden vom THW geschieden und hatte sich damals auch mit seinem einstigen Freund Schwenker überworfen. Storm berichtete von emotionalen Gesprächen, insbesondere Serdarusic‘ Ehefrau Mirjana habe in Schwenker ein „klares Feindbild“ gesehen. Er selbst habe deshalb nie zu 100 Prozent gewusst, was an den Vorwürfen wirklich dran gewesen sei.

An jenem Treffen am 11. Februar 2009, an dem auch Löwen-Gesellschafter Jesper Nielsen und Anwalt Wiegert teilnahmen, seien ihm von den Eheleuten Serdarusic dann Dokumente gezeigt worden, die angeblich die Schiedsrichter-Bestechung beweisen würden. So seien ihm Casino-Belege, Kontoauszüge und eine Selbstanzeige von Serdarusic‘ Mittelsmann Nenad Volarevic vorgelegt worden. „Darin stand, dass das Geld für die Schiedsrichter war, er im Auftrag von Schwenker gehandelt habe und um Schuldmilderung bitte“, sagte Storm. Beim Anblick dieser Schriftstücke sei für ihn „eine Welt zusammengebrochen“ und ihm klar geworden, dass die Löwen den bereits mit Serdarusic geschlossenen Vertrag auflösen müssten: „Wir hatten ein Problem, für das wir nichts konnten.“ Anwalt Wiegert habe von einem „Pulverfass“ gesprochen.

Fortsetzung heute

Für die angeblichen Manipulationen habe Familie Serdarusic einzig Schwenker verantwortlich gemacht, sagte Storm. Ihm gegenüber habe der Ex-THW-Manager aber nie eingeräumt, an Bestechungen beteiligt gewesen zu sein. Vielmehr habe der Angeklagte behauptet, alle Vorwürfe widerlegen zu können. „Uwe hat gesagt, er kann das Gegenteil belegen“, berichtete Storm, der sich heute den Fragen der Verteidigung stellen muss und gespannt auf Schwenkers Reaktionen sein darf.

Einst war der Angeklagte sein Lehrmeister beim THW, später trennten sich die Wege. Aus befreundeten Kollegen wurden ernsthafte Rivalen. Sie kämpften erbittert um Titel und Transfers, doch jetzt steht viel mehr auf dem Spiel: Es geht um ihren Ruf, ihre Glaubwürdigkeit.

Von Marc Stevermüer