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Teufelskerl Appelgren rettet Löwen zwei „Big Points“

Torwart bei 32:27 im Spitzenspiel gegen Flensburg der entscheidende Faktor

Mit einer über weite Strecken bärenstarken Leistung haben die Rhein-Neckar Löwen ihre Ambitionen in der DKB Handball-Bundesliga untermauert und die SG Flensburg-Handewitt am Donnerstagabend in der ausverkauften SAP Arena mit 32:27 (20:16) geschlagen. Es war das erwartete Top-Duell zwischen Spitzenreiter und Verfolger Nummer eins, ein Handballspiel auf sehr hohem Niveau. Überraschend hoch war das Tempo, das beide Teams von Beginn an anschlugen. Es ging sofort Schlag auf Schlag, wobei sich die Gelbblauen in der Abwehr äußerst beweglich und diszipliniert sowie im Angriff deutlich effizienter und variabler zeigten. Zu Beginn der zweiten Halbzeit waren die Flensburger drauf und dran, die Partie zu drehen. Dann schlug die Stunde von Mikael Appelgren, der die Löwen mit Weltklasse-Paraden auf der Gewinnerstraße hielt.

Mit dem Sieg gehen die Löwen als Tabellenführer in das letzte Spiel vor der Winterpause beim TVB Stuttgart am zweiten Weihnachtstag. Passend zur Löwen-Gala auf der Platte gab der Deutsche Meister kurz vor dem Anpfiff die Vertragsverlängerung mit Gudjon Valur Sigurdsson bekannt. Der Isländer bedankte sich für das Vertrauen mit zehn Treffern. Ein Wehrmutstropfen ist die Verletzung von Momir Rnic: Der Serbe hat sich unter der Woche im Training am Fuß verletzt, die genaue Diagnose steht noch aus. Zu befürchten ist eine lange Pause. Beste Torschützen waren bei den Löwen Sigurdsson mit zehn sowie Andy Schmid und Hendrik Pekeler mit je sechs Treffern. Bei den Gästen traf Rasmus Lauge achtmal.

„Hervorragender Handball“

Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen zeigte sich „hoch zufrieden“ und sprach in den ersten 20 Minuten von „hervorragendem Handball“. „Allerdings hat das auch viel Kraft gekostet. Danach haben wir uns schwerer getan im Eins-gegen-eins. Nach der Pause war klar, dass die Abwehr stabil sein musste. Und dann hatten wir einfach den besseren Torhüter.“ Andy Schmid lobte den Mann des Tages: „Der Knackpunkt war, dass Appelgren uns beim Stand von 21:19 den A… gerettet hat.“ Der so herzlich Gelobte nahm die warmen Worte gerne an: „Die Paraden sind in den richtigen Momenten gekommen. Es ist kaum zu fassen, wie dieses Spiel verlaufen ist. Wir wussten, dass wir gegen die starke Flensburger Abwehr aufs Tempo drücken mussten. Schön, dass wir uns so bei den Fans bedanken konnten.“ Flensburgs Trainer Maik Machulla gratulierte zu „zwei verdienten Punkten“ und ergänzte: „Wir waren in der ersten Halbzeit zu passiv in der Abwehr, haben da unsere Form nicht gefunden. In der zweiten Hälfte haben wir uns gut drangekämpft, das Spiel war offen. Appelgren hat da eine wichtige Rolle gespielt – und wir haben uns um den Lohn gebracht.“

Rein ins Spiel: Je zwei Anläufe pro Team bleiben ohne Torerfolg, dann schlägt Andy Schmid zu. Der schaltet nach einem Fehlwurf von Holger Glandorf schnell, leitet die erste Welle im Alleingang ein und schließt sie auch gleich ab (3.). Danach geht es im Eiltempo: Zwei Minuten nach dem 1:0 steht es 3:3. Beide Teams drücken unheimlich aufs Tempo – wohl auch aus Respekt vor der gegnerischen Abwehrreihe. Die erste Zwei-Minuten-Strafe gegen Gedeon Guardiola nutzt Rasmus Lauge zum 4:4, Mads Mensah antwortet per Schlagwurf zum 5:4. Die Löwen meistern die Unterzahl vor allem durch höchste Disziplin in der Verteidigung. Schmid erhöht auf 6:4, Glandorf verkürzt, Pekeler stellt auf 7:5 (10.). Die Fans in der SAP Arena bekommen ein Hochgeschwindigkeitsduell geboten. Groetzki bringt per Gegenstoß die Drei-Tore-Führung, Kentin Mahé hält dagegen (8:6, 12.). Nach dem 9:6 durch Alexander Petersson nehmen die Flensburger kurz das Tempo raus, die Löwen sichern sich den Ball und Gudjon Valur Sigurdsson fliegt zum 10:6. Als Petersson das 11:6 oben draufpackt und die SG den nächsten Angriff liegenlässt, hat Patrick Groetzki einen Geistesblitz und bedient Pekeler am Kreis. Es steht 12:6! Flensburg-Trainer Maik Machulla nimmt die erste Auszeit nach etwas mehr als einer Viertelstunde.

Wahnsinns-Halbzeit

Fortan darf sich Thomas Mogensen auf der Mitte des SG-Angriffs versuchen, Lauge schließt zum 12:7 ab. Groetzkis Einläufer mit Rückraum-Abschluss bringt das 14:8 – die Löwen halten die Führung mit raffinierten Offensiv-Varianten konstant. Jetzt kassieren auch die Norddeutschen die erste Zeitstrafe, Mogensen muss runter. Schmid schaltet wieder superschnell, erwischt Mattias Anderson auf dem falschen Fuß. Beim 15:8 stimmen die Löwen-Fans die ersten Jubelgesänge an, das Spiel des Meisters reißt die Leute förmlich aus den Sitzen. In der 22. Minute nimmt Löwen-Coach Jacobsen seine erste Auszeit. Es steht 16:10 für die Gelbblauen. In der 24. Minute macht Schmid sein fünftes Tor und das 18. für die Gastgeber – ein unglaublicher Wert gegen eine der besten Abwehrreihen der Liga. Glandorf und Lauge übernehmen bei Flensburg das Kommando. Glandorf packt die linke Klebe aus, markiert das 18:13. Jacobsen bringt Mikael Appelgren für den glücklosen Andreas Palicka (zwei Paraden) im Tor. Der Blondschopf ist gleich beim Siebenmeter gegen Schlitzohr Mahé gefordert: Der Franzose bringt die Flensburger auf vier Treffer ran (18:14). Auch die Gäste wechseln den Torhüter, Kevin Möller nimmt gleich zwei Löwen-Würfe weg. Appelgren will es jetzt auch wissen, sammelt seinen ersten Pluspunkt – wichtig in Unterzahl. In dieser gelingt Sigurdsson nach Taleski-Pass das 19:14, Lauge mit seinem sechsten Treffer verkürzt auf 19:15. Die letzte Aktion einer Wahnsinns-Halbzeit ist ein Siebenmeter von Sigurdsson: Der Isländer netzt cool ein zum 20:16. Bei anderen Spielen ist das der Endstand.

Wieder ein Siebenmeter eröffnet Durchgang zwei, Mahé lässt Appelgren keine Chance. Die Flensburger sind nur noch drei Treffer hinten. Umso wichtiger das 21:17 von Pekeler nach Traumpass von Schmid. Appelgren legt eine Superparade gegen Lasse Svan nach, doch Mogensen tankt sich durch und trifft zum 21:18 (34.). Nun setzt Guardiola ein Zeichen, blockt einen Glandorf-Schuss. Weil der Löwen-Angriffsmotor mächtig stockt, sich Schmid und Co. schlechte Würfe nehmen, greift Jacobsen in der 37. Minute zur Auszeit. Es steht 21:19, ein Krimi deutet sich an. Für die SG ist das schon ein Gewinn, nachdem sie bereits mit sieben Toren hinten gelegen hatten. Jacobsen setzt auf den siebten Feldspieler, holt Rafael Baena als zweiten Kreisläufer auf die Platte, um die Löwen-Offensive wieder ins Laufen zu bringen. Das nächste Tor fällt allerdings erst in Überzahl, Mensah schlägt zu (22:19). Appelgrens Parade gegen einen freien Wurf von Lauge ist in dieser schwierigen Phase Gold wert. Die Löwen-Fans skandieren „kämpfen und siegen“ – die Mannschaft setzt das um. Mit ein bisschen Pfostenglück geht der Ball an die Mannheimer, Sigurdsson nutzt den Gegenstoß zum 23:19. Svan serviert prompt die Antwort (23:20) – es bleibt spannend.

Löwen bringen Sieg nach Hause

Die Löwen stehen jetzt wieder richtig gut in der sehr beweglichen 6:0-Formation, treiben die SG an den Rand des Zeitspiels. Am Ende ist die Kugel bei den Gelbblauen und Sigurdsson macht per Siebenmeter das 25:20. Appelgren nimmt den zweiten Schuss von außen in Folge weg – die SAP Arena tobt. Schmid zieht zwei Minuten gegen Jim Gottfridsson, Appelgren legt gegen Svan die nächste Top-Parade nach, Baena das 26:20. Wanne stoppt den 3:0-Lauf der Löwen mit seinem ersten Treffer zum 26:21. Der Meister agiert weiter mit dem siebten Feldspieler und einem überragenden Sigurdsson, der das 28:22 erzielt und damit seine achte Bude macht. Flensburgs Machulla nimmt eine Auszeit, es sind noch elf Minuten zu gehen. Prompt laufen sich die Löwen fest, der Vizemeister mobilisiert alle Kräfte. Mit einer brutalen Fackel stellt Glandorf auf 28:24. Nach technischem Fehler von Harald Reinkind kommt Appelgrens achte Parade zur rechten Zeit, Groetzki trifft zum 29:24 – und Appelgren ist wieder zur Stelle. Fünf Minuten vor Schluss sind die Löwen fünf Tore vorne. In der Arena hält es niemanden mehr auf den vier Buchstaben. Schon gar nicht, als Schmid mit seinem sechsten Treffer das 30:24 hinterher schiebt. Mit Volksfeststimmung geht es in die letzten Aktionen, zwei Minuten vor dem Ende ist Sigurdsson noch einmal dran: 31:25. Nach 60 ziemlich irren Minuten steht es dann 32:27. Die Löwen-Fans singen dazu, wie schon gegen Berlin, „Oh wie ist das schön“.

Rhein-Neckar Löwen – SG Flensburg-Handewitt 32:27 (20:16)

Rhein-Neckar Löwen: Appelgren, Palicka; Schmid (6), Sigurdsson (10/3), Radivojevic, Baena (2), Tollbring, Mensah (3), Pekeler (6), Reinkind, Taleski, Guardiola, Petersson (1), Groetzki (4), Trost

SG Flensburg-Handewitt: Andersson, Möller; Karlsson, Glandorf (6), Mogensen (2), Svan (1), Wanne (1), Jeppsson, Steinhauser, Zachariassen (2), Toft Hansen (4), Gottfridsson, Lauge (8), Mahé (3/2), Heinl

Trainer: Nikolaj Jacobsen – Maik Machulla

Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies

Zeitstrafen: 2 – 3

Siebenmeter: 3 – 2

Strafminuten: Schmid (2), Guardiola (2) – Mogensen (2), Zachariassen (2), Gottfridsson (2)

Zuschauer: 13.200 (ausverkauft)

Beste Spieler: Appelgren, Schmid, Sigurdsson – Lauge, Glandorf

Spielfilm: 1:0, 1:1, 3:2, 4:3, 6:4, 7:5, 9:6, 12:6, 12:7, 13:8, 15:8, 16:10, 18:12, 19:14, 19:16, 20:16 (Halbzeit), 20:17, 21:17, 21:19, 23:19, 24:20, 26:20, 27:22, 28:23, 29:24, 30:25, 32:26, 32:27 (EN)