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Thorsten Storm: Diese WM hätte niemand gebraucht

Heidelberg. Das desaströse WM-Abschneiden der deutschen Handball-Nationalmannschaft wirft viele Fragen auf. Löwen-Manager Thorsten Storm spricht im RNZ-Interview Klartext, prangert Missstände an.

> Thorsten Storm, die deutschen Handballer haben bei der WM in Schweden einen historischen Tiefpunkt erreicht. Wie ist dieses Misserfolg zu erklären?

Der deutsche Handballer hat es vielleicht zu leicht. Schon bevor er etwas erreicht hat, ist er als Nationalspieler in der Bundesliga sehr bekannt, verdient viel Geld, ist ein kleiner Star. Ein ähnlich guter ausländischer Spieler muss mehr geben, um sich in Deutschland einen Namen zu machen. Tatsächlich ist der talentierte deutsche Spieler mit seinem Wechsel in die Bundesliga noch nicht am Ende der Fahnenstange.

> Was heißt das konkret?

Er muss weiter gefördert werden, vor allem auch im Einzelcoaching. Nur dann fördert man die individuelle Stärke und Leistungsfähigkeit. Nur nicht zufrieden sein mit dem Erreichten, immer nach Höherem streben. Das ist die Basis, um einen kompletten Spieler zu formen. Darin muss der jeweilige Klub sich seiner Rolle bewusst sein und den Nachwuchsmann unterstützen. Und das bedeutet auch, ihn wohltuend auf dem Boden zu halten.

> Es wird gefordert, dass mindestens vier deutsche Spieler im Kader eines Bundesligisten stehen sollten …

Mit einer Begrenzung von Ausländern wird unsere Situation nicht besser, eher schlechter. Kämpfen. Job ernst nehmen. Hunger haben auf Erfolg, aber auch Konsequenzen spüren. Das führt dazu, dass man auch Verantwortung oder Führung in einer Mannschaft übernehmen kann.

> Anders gefragt: Wie realistisch ist eine Ausländerbeschränkung?

Sie wäre sehr schwer zu realisieren. Man stelle sich vor, dass pro Verein nur sechs Ausländer möglich wären. Dann wäre der Markt für die restliche Besetzung des Kaders durch deutsche Spieler sehr begrenzt. Und knappes Gut wird dann noch teurer. Wer soll das finanzieren? Die Vereine? Warum setzt sich ein talentierter ungarischer Spieler bei einer WM gegen einen talentierten deutschen Spieler durch? Weil es keine Selbstbeschränkung gibt?

> Viele Bundesliga_Spieler gaben bei der WM kein gutes Bild ab …

Die WM hatte einen wirtschaftlichen Hintergrund, aber keinen sportlichen Sinn! Alle Bundesliga-Akteure auf den spielentscheidenden Positionen im Rückraum haben bei dieser Weltmeisterschaft verloren. Die Nationalspieler aus anderen Ligen waren kräftemäßig und mental voll da. Sie hatten die längere Vorbereitungszeit, dagegen ist bei uns in der stärksten Liga der Welt die Frequenz enorm hoch.

> Sollte man den Terminplan entzerren?

Ja. Diese Häufung von WM und EM entwerten den Sport und ihre Bedeutung. Diese WM hätte niemand gebraucht. Das gleiche gilt für manches Ligaspiel und manche Europacup-Begegnung.

> Wäre es ratsam, wenn die Liga und der Verband näher zusammenrücken, um so gemeinsam die Krise zu bewältigen?

Sicherlich. Es geht nur gemeinsam. Tatsächlich ist es aber so, dass der DHB sich allein als Weltmeister 2007 fühlt, für die Niederlagen aber alle anderen verantwortlich macht. Es wird Zeit, sich an einen Tisch zu setzen. Die Gründe für den Abstieg im Mutterland des Handballs sind längst bekannt. DHB-Präsident Ulrich Strombach spricht davon, dass der DHB in der wesentlich besseren Verhandlungsposition ist. Gegen wen will er denn verhandeln? Wir sitzen doch alle in einem Boot. Aber das scheint man dort nicht so zu sehen. Er sagt, dass eine deutsche Liga, die alleinverantwortlich handelt, international nicht anerkannt werden würde.

> Und wie geht es in dieser Sache nun weiter?

Das werden wir sehen. Ohne die Bundesliga ist das Handball-Licht jedenfalls aus. Ich bin mir sicher, dass die Spieler sich immer für die Bundesliga entscheiden würden, weil das ihr Arbeitsplatz ist, der sie und ihre Familien ernährt. Solche Argumente wie die des DHB-Präsidenten sind kontraproduktiv und keine Verhandlungsposition.

Von Daniel Hund

 28.01.2011