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THW Kiel entführt beide Punkte aus der SAP Arena

Löwen kassieren unglückliche Heimniederlage gegen den Rekordmeister

Die Rhein-Neckar Löwen haben das Spitzenspiel in der Handball-Bundesliga gegen den THW Kiel verloren. Durch die 28:29 (12:11)-Niederlage vor 13.200 Zuschauern in der ausverkauften SAP Arena haben nun beide Teams vier Minuspunkte, die Badener bleiben aber aufgrund des besseren Torverhältnisses Tabellenführer. Es war für die Löwen die erste Heimniederlage nach 27 Bundesligasiegen in Serie.

Die Halle tobte, die Halle bebte. 200 Sekunden waren noch zu spielen, Alexander Petersson hatte gerade durch zwei Treffer in Folge zum 27:27 ausgeglichen. Für die Löwen war nun wieder alles drin. Ein Sieg. Zumindest ein Punktgewinn, nachdem der THW Kiel im Verlaufe der zweiten Halbzeit immer stärker geworden war. Doch Joan Canellas, der überragende Kieler, legte erst einmal wieder vor für den Rekordmeister, bevor Gensheimers Ausgleichtreffer die Halle zum Orkan anschwellen ließ. Noch knapp eineinhalb Minuten waren da zu spielen. Doch dann traf Domagoj Duvnjak. Ausgerechnet jener Duvnjak, der am 2. März 2013, damals  noch im Trikot des HSV Hamburg, für die letzte Heimniederlage der Löwen gesorgt hatte. Anschließend traf Kim Ekdahl du Rietz nur die Latte, die Löwen hatten zehn Sekunden vor dem Ende allerdings nochmals den Ball, Ekberg stoppte du Rietz mit einem Foul. Die Hausherren bekamen einen direkten Freiwurf, da die Uhr bereits abgelaufen war, der sogar nochmals wiederholt werden musste. Doch auch der zweite Versuch von Andy Schmid fand nicht den Weg ins Tor. Die Kieler feierten, die Löwen lagen sprichwörtlich am Boden. „Um gegen Kiel zu gewinnen, müssen alle auf Topniveau spielen, das haben wir heute nicht geschafft“, sagte ein sichtlich enttäuschter Löwen-Spielmacher Andy Schmid nach der Partie.

Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen befand beim abschließenden Pressegespräch: „Man hat gemerkt, dass beide Mannschaften sehr gut aufeinander eingestellt waren, daher gab es zu Beginn wenig Tore. Wir hätten in der ersten Hälfte trotzdem wegziehen können, haben aber zu viele Fehler gemacht. Nach dem Wechsel haben wir dann besser nach vorne gespielt, aber die Abwehr war nicht mehr so, wie wir uns das vorgestellt haben. Auch Niklas hat nicht mehr so gut gehalten. Zum Schluss sind es Kleinigkeiten, die so ein Spiel entscheiden.“ Sein Gegenüber Alfred Gislason urteilte: „Es war sehr schwer, beide Teams hätten gewinnen können. In der ersten Hälfte sind wir zu oft an Landin gescheitert, in der zweiten Halbzeit sind wir besser reingekommen. Die Abwehr war stabiler.“

Die Löwen erwischten einen guten Start in die Partie. Wenn man berücksichtigt, dass der Gegner nicht irgendwer war, sondern THW Kiel hieß, eigentlich sogar einen sehr guten Start. 3:1 stand es für die Gelbhemden nach acht Spielminuten. Es war ein Kampf, schon fast eine Schlacht, die die Löwen in der Abwehr betrieben. Die Kieler bekamen im Angriff nichts geschenkt. Überhaupt nichts. Kein Tor, keinen freien Wurf, kein einfaches Anspiel. Die Zuschauer in der SAP Arena und die Löwen-Abwehr verschmolzen in den ersten Minuten zu einer schier undurchdringlichen Wand für die Angriffe des THW Kiel, Torhüter Niklas Landin parierte einige Bälle, bei denen der Ausdruck Weltklasse schon fast untertrieben ist, fast bei jeder Offensivaktion der Norddeutschen in der Anfangsphase zeigten die Schiedsrichter Zeitspiel an. Es dauerte über neun Minuten, bis die Kieler durch Steffen Weinhold das erste Tor aus dem Spiel heraus erzielten – zuvor hatte nur Joan Canellas per Siebenmeter getroffen.

Auffällig war jedoch in der Anfangsphase, wie schlampig die Badener im Angriff mit ihren Chancen umgingen, beste Einschussmöglichkeiten und Tempogegenstöße wurden vergeben, Bälle verloren – nach einer Viertelstunde hatten die Gastgeber schon sechs „Fahrkarten“ geschossen. Dadurch verpassten die Gelbhemden die Chance, sich zu Beginn deutlich abzusetzen. Stattdessen gelang dem Meister aus Kiel, die Begegnung fast in der gesamten ersten Hälfte ausgeglichen zu gestalten. Nach dem 1:3 glich der THW zum 3:3 (10.) aus, verkürzte nach einem Löwen-Zwischenspurt auf 5:6 (20.).

Dann folgte jedoch die beste Phase der Löwen in der ersten Halbzeit, als ihnen drei Treffer in Folge gelangen. Groetzki traf von der Außenposition, die Badener eroberten den Ball, Gensheimer war per Gegenstoß erfolgreich, Landin hielt, Kneer traf. Aus einem 6:5 hatten die Löwen fluchs ein 9:5 gemacht. Vorne lief es und wenn den Löwen ein Fehler im Angriff unterlief oder die Abwehr einen Kieler einmal nicht zu fassen bekam, dann war da ja meistens noch Niklas Landin im Löwen-Tor. Der Däne entschärfte Großchance auf Großchance der Norddeutschen, hatte nach 24 Minuten bei sechs Gegentreffern schon neun Paraden zu Buche stehen – eine sensationelle Quote. Die Halle kochte, es schien so, als käme der Deutsche Rekordmeister ordentlich ins Schlingern.

Doch in den letzten fünf Minuten vor der Pause nutzten die Kieler zum einen eine Überzahlsituation, Stefan Kneer hatte seine zweite Zwei-Minutenstrafe kassiert, zum anderen unterliefen den Löwen zu viele Fehler im Angriff, die den Gästen einige leichte Tore ermöglichten. Und auch die Abwehr stand nicht mehr so sicher wie noch zu Spielbeginn. Kiel verkürzte auf 9:10 (27.), in den letzten drei Minuten vor dem Wechsel legten die Löwen dann jeweils einen Treffer vor, Kiel zog nach. So ging es mit 11:12 in die Pause.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit gelang Kiel mit dem 12:12 der erste Ausgleich seit der zehnten Spielminute, kurze Zeit später mit dem 14:13 (34.) sogar die erste Führung der Partie. Die Löwen-Antwort ließ jedoch nicht lange auf sich warten: Alexander Petersson, Gensheimer und Kneer trafen, 16:14 stand es nach 38 Minuten. Es war jetzt eine ganz andere Partie als noch im ersten Durchgang. Tore hatten nun keinen Seltenheitswert mehr, sondern fielen schon fast am Fließband. Die Löwen zogen auf zwei davon, Kiel verkürze auf einen Treffer. So lief das bis zum 19:17 (42.). Dann verkürzte Kiel, den Löwen unterlief ein Fehler beim Anspiel, der THW glich aus – ein Knackpunkt. Und weil die Norddeutschen anschließend sogar in Führung gingen, nahm Jacobsen nach diesen schwarzen zwei Minuten aus Löwen-Sicht erst einmal eine Auszeit.

Und die Löwen kämpften sich zurück in die Partie. Myrhol und Kim Ekdahl du Rietz trafen zum 21:21 (47.), Landin parierte einen Siebenmeter von Canellas. Doch führten in weiten Teilen der Partie zuvor die Löwen stets mit einem, zwei Treffer, legten nun immer die Gäste vor, angetrieben Canellas, der nun fast jeden Angriff der Kieler erfolgreich abschloss. Der Rückraum der Kieler, lange Zeit ohne Durchschlagskraft, traf nun fast nach Belieben. Die Löwen hinkten nun hinterher, konnten stets nur auf einen Treffer verkürzen. Bevor zwei Petersson-Treffer dann für die spannenden letzten 200 Sekunden mit dem ganz bitteren Ende für den Tabellenführer sorgten.

 

Rhein-Neckar Löwen – THW Kiel 28:29 (11:12)

Rhein-Neckar Löwen: Landin, Rutschmann (für einen Siebenmeter) – Schmid (3), Gensheimer (8/4), Kneer (2), Sigurmannsson (n.e.), Myrhol (4), Larsen (1), Reinkind (n.e.), Guardiola, Petersson (5), Groetzki (2), Ekdahl du Rietz (3)

THW Kiel: Sjöstrand, Palicka – Duvnjak (1), Toft Hansen (1), Sprenger (1), Weinhold (1), Wiencek (2), Ekberg (1), Canellas (11/4), Dahmke, Klein (5), Vujin (6)

Trainer: Nikolaj Jacobsen – Alfred Gislason

Schiedsrichter: Holger Fleischer/Jürgen Rieber

Zuschauer: 13200 (ausverkauft)

Strafminuten: 4/10

Siebenmeter: 4/4 – 5/4

Landin pariert gegen Canellas

Zeitstrafen: Kneer (4) – Wiencek (4), Toft Hansen (2), Sprenger (2), Vujin (2)

Spielfilm: 3:1 (8.), 3:3 (12.), 9:5 (22.), 10:9 (27.), 12:11 (Hz.), 13:14 (34.), 16:14 (38.), 19:17 (42.), 21:21 (47.), 25:26 (55.), 28:29 (Ende)

Beste Spieler: Landin, Petersson, Gensheimer – Canellas, Klein, Vujin.