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„Unser Konzept muss es sein, entwicklungsfähige Spieler zu holen“

Jennifer Kettemann im Interview über die Lage der Löwen, durchwachsenen Saisonstart, Umbruch und Neuaufstellung im sportlichen Bereich

„Unser Konzept muss es sein, entwicklungsfähige Spieler zu holen“. Jennifer Kettemann spricht im Interview über die Lage der Löwen.
Jennifer Kettemann in ihrem Büro in der Löwen-Geschäftsstelle.

„Unser Konzept muss es sein, entwicklungsfähige Spieler zu holen“: Seit Mai 2016 lenkt sie als Geschäftsführerin die Geschicke der Rhein-Neckar Löwen. Drei große Titel – zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg – konnte sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit feiern. Spätestens seit 2018 steckt Jennifer Kettemann mit ihren Löwen mitten in einem Erneuerungs- und Umbauprozess. Es geht um die strategische Ausrichtung für die kommenden Jahre. Darüber haben wir mit der Löwen-Managerin genauso gesprochen wie über die aktuelle sportliche Entwicklung und die Zielsetzung für die laufende Saison. Das Interview ist exklusiv im Löwenrudel – dem Magazin der Rhein-Neckar Löwen erschienen und auch nur dort in voller Länge zu lesen. An dieser Stelle findet sich eine stark gekürzte Version.

Jenni, die ersten Wochen der Saison 2021/22 liegen hinter uns. Da war ganz schön was los – im Guten wie im Schlechten. Wie fällt dein Fazit aus?

Jennifer Kettemann: Das ist gar nicht so leicht. Die ersten Wochen haben uns sportlich viel abverlangt. Natürlich sind wir alle sehr enttäuscht über das Ausscheiden in der Qualifikation zur Euro League. Eines unserer Saisonziele war es, wie in der vergangenen Spielzeit das Finalturnier zu erreichen und um diesen internationalen Titel bis zum Ende mitzuspielen. Leider haben wir mit Benfica Lissabon nicht nur ein sehr attraktives, sondern auch ein sehr, sehr schweres Los gezogen, und mussten uns am Ende einer richtig abgezockten Mannschaft geschlagen geben.

Wie sehr hat dich das persönlich geärgert?

Kettemann: Sehr. Das muss ich zugeben. Ich mag diese Begegnungen auf internationalem Parkett, die neuen Herausforderungen, Länder und Kulturen. Das hat uns, wie ich finde, auch als Mannschaft immer gutgetan, und uns als Klub weitergebracht. Die Euro League ist zudem hochkarätig besetzt, da sind echte europäische Spitzenteams vertreten. Und dann muss man noch sehen: Wir haben seit der Saison 2006/07 immer europäisch gespielt. Dass wir das in dieser Saison nicht geschafft haben, schmerzt schon sehr.

Die Löwen befinden sich mitten in dem vielleicht größten personellen Umbruch der Klub-Geschichte, zumindest aber in dem größten Umbruch der letzten zehn Jahre. Was bedeutet das für die Rhein-Neckar Löwen 2021/22?

Kettemann: Dass wir alle geduldig sein müssen. Da geht es mir nicht anders als unseren Fans. Ich würde auch lieber Woche für Woche nur Siege feiern und um die Meisterschaft mitspielen. Aber das, so ehrlich müssen wir sein, geht aktuell nicht. Davon sind wir ein ganzes Stück entfernt. Aber da wollen wir wieder hinkommen. Und dafür stellen wir jetzt die Weichen. Dabei werden wir den einen oder anderen Rückschlag in Kauf nehmen müssen. So schwer das auch ist und so unschön sich das anfühlt.

„Unser Konzept muss es sein, entwicklungsfähige Spieler zu holen“: Gestiegener Druck & eigener Weg

„Unser Konzept muss es sein, entwicklungsfähige Spieler zu holen“. Jennifer Kettemann spricht im Interview über die Lage der Löwen.
Jennifer Kettemann.

Siehst du Parallelen zwischen der Zeit Anfang der 2010er Jahre und heute, wo wir wieder dabei sind, eine neue Mannschaft aufzubauen?

Kettemann: Die Situation ist schwer vergleichbar. Damals mussten wir erst einmal von unserem hohen Ross herunterkommen und aus einem ziemlich schwer zu steuernden Star-Ensemble eine echte Mannschaft formen. Diese Ausgangslage von damals ist eine gänzlich andere als die aktuelle. Wir kommen gerade aus einer Phase des Erfolgs, den wir – meiner Meinung nach – auch noch mit einer super sympathischen Mannschaft erreicht haben, und das kombiniert mit wirtschaftlicher Vernunft und Weitsicht. Diesen Weg wollen wir weitergehen – auch wenn der Druck und die Erwartungshaltung aufgrund dieser Erfolge deutlich gestiegen sind. Es ist der einzig gangbare Weg für diesen Klub.

Kannst du uns diesen Weg ein bisschen genauer erklären?

Kettemann: Wir sind nicht der THW Kiel. Wir können keine fertigen Weltklasse-Spieler holen und damit auch gewissermaßen eine Erfolgsgarantie geben. Aber wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass man mit Know-how, Leidenschaft und dem nötigen Quäntchen Glück selbst die absolute Spitze in der stärksten Liga der Welt angreifen und erobern kann. Unser Konzept muss es sein, entwicklungsfähige Spieler zu uns zu holen und aus ihrem Talent das Optimum zu machen. Das gilt insbesondere für unsere eigene Nachwuchsarbeit, mit der wir in Süddeutschland Maßstäbe setzen, und von der wir in Zukunft noch mehr auch in der Profi-Mannschaft profitieren wollen.

Kritik gab es zuletzt an der Leistung, aber auch am Kader-Management. Es wurde von der Entmachtung Oliver Roggischs gesprochen und geschrieben. Was sagst du dazu?

Kettemann: Zunächst einmal ist sachliche Kritik immer willkommen. Ich mag nichts weniger, als Dinge schönzureden. Wir analysieren hier bei den Löwen sehr genau und nehmen alles mit, aus dem wir lernen können. Das gilt auch für den sportlichen Bereich, in dem wir uns gerade neu aufstellen. Oliver Roggisch wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Zu seinem veränderten Tätigkeitsfeld kann man nur sagen: Oli ist weiter in die sportliche Planung involviert, trägt jedoch nicht mehr die alleinige Verantwortung für die Kaderplanung. Er bekommt dabei zusätzliche Unterstützung, und leistet umgekehrt einen zusätzlichen Beitrag bei der immer wichtiger werdenden Sponsorenpflege und -akquise.

Übrigens sind wir ständig dabei, nicht nur Prozesse, sondern auch Strukturen zu hinterfragen, und das im gesamten Klub. Der sportliche Bereich bekommt nicht zuletzt mit dem kommenden neuen Cheftrainer eine angepasste Struktur. Wir wollen schließlich immer besser und unseren Ansprüchen gerecht werden.