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Viel Glanz, kaum Leerlauf (RNZ)

Heidelberg. Sieben Minuten vor Schluss huschte Uwe Gensheimer ein Lächeln übers Gesicht. Ein kurzes, ein zartes, aber eines, das nicht zu übersehen war. Es war sein vorgezogenes Siegerlächeln. Denn der Kapitän wusste: Hier und Heute brennt nichts mehr an. 32:25 stand es da. Für die Löwen, gegen Gummersbach. Kurz darauf war es dann vollbracht: Die Gelben gewannen mit 35:27 (17:14) beim Altmeister. Verdientermaßen: Souverän traten sie auf, die Badener, dominierten die Oberbergischen nach Belieben.

Und nach dem Abpfiff beherzigten Karol Bielecki und Co. auch das, was ihr Trainer Pressegespräch für Pressegespräch gebetsmühlenartig fordert: Sie freuten sich endlich mal, ballten die Fäuste, hüpften und sprangen ausgelassen durch die Eugen-Haas-Halle. „Genau so muss es sein“, sagte Gudmundur Gudmundsson: „Denn in dieser Liga gewinnt man gegen niemanden einfach so. Sich zu freuen ist da ganz wichtig.“

Er selbst freute sich draußen mit. Ganz entspannt sah er aus, richtig zufrieden über 60 Minuten mit viel Glanz und ganz wenig Leerlauf. „Gudmi“, der Glückliche: „Wir haben einen Gegner, der gut gespielt hat, beherrscht. Und das in einer Art und Weise, die mir gefiel: mit Kampf und Können.“ Auch seine Taktik ging auf. Gegenstöße, immer wieder sollten Gegenstöße gelaufen werden. Schnelle, einfache Tore waren das Ziel. 15 Mal hat das am Ende geklappt. Beeindruckend!

Begünstigt wurde der badische Hochgeschwindigkeits-Rausch aber vor allem durch einen, der nie trifft. Goran „Teufelskerl“ Stojanovic. Der Montenegriner, der Ex-Gummersbacher, machte hinten dicht. Wieder einmal. Gudmundsson hat genau aufgepasst, zählte und addierte. Das Ergebnis: Stojanovic pendelte sich bei einer Quote von über 40 Prozent ein, parierte 20 Bälle. Seine alten Weggefährten verzweifelten an seinen Reflexen. Er war ihnen gedanklich meist einen Schritt voraus. Antizipation nennt man das. Wobei der stille Held auch einen wichtigen Verbündeten hatte: seine Abwehr. Gudmundsson nickt, lobt: „Was wir hinten gezeigt haben, war phasenweise überragend.“

Alles in allem ein Ausflug, den die Löwen in guter Erinnerung behalten werden, quasi ein Lehrfilm in Sachen: Wie stürmt man eine fremde Halle. Gut, ein paar Szenen müssen verdrängt werden. Zum Beispiel die, in der Andy Schmid umknickte. Oder die, in der Bjarte Myrhol brutal von den Beinen geholt wurde. Und natürlich die, in der Zarko Sesum schreiend vor Schmerzen in Richtung Auswechselbank humpelte. „Da mussten wir phasenweise wirklich einiges erleben, das uns nicht gefallen hat“, pustete Gudmundsson tief durch.

Doch der Reihe nach: Schmid geht es mittlerweile wieder besser, nach der Pause stand er sogar wieder auf der Platte. Anders Myrhol. Nachdem VfL-Kreismann Patrick Wiencek kurzeitig die Sportart gewechselt hatte und ihn in bester Wrestler-Manier durch die Luft schleuderte, musste der Norweger das Feld verlassen. Gudmundsson brachte diese Aktion auf die Palme. Der Isländer: „Das war eine Tätlichkeit, eine unglaubliche Attacke. Wiencek ging es nicht um den Ball.“

Bleibt Sesum. Und beim Serben sieht es gar nicht gut aus. Nach einem unglücklichen Zusammenprall hielt er sich den Unterarm, beziehungsweise den Ellenbogen. Betreuer brachten ihn aus der Halle, wenig später kehrte er zurück und mit ihm die Ungewissheit. Keiner wusste, was genau passiert ist. Offenbar hatte sich der Rechtshänder den linken Ellenbogen ausgekugelt, den er in den Katakomben wieder eingerenkt bekam. Seit gestern herrscht nun Klarheit: Sesum hat sich mehrere Bänder im Ellenbogenbereich gerissen. Gudmundsson: „Ich gehe davon aus, dass Zarko uns vier Wochen fehlen wird. Eine Operation ist allerdings nicht nötig.“

Beim Pokal-Knaller gegen Hamburg (20.45 Uhr, SAP Arena) wird der Rückraum-Mann demnach nur zuschauen. Fragezeichen stehen auch hinter Börge Lund, Myrhol und Schmid. „Das sind große Personalsorgen“, grübelte Gudmi, „wobei ich davon ausgehe, dass Schmid spielen wird.“ Patrick Groetzki steht zudem vor einem Blitz-Comeback.

Unterdessen hat die Suche nach einem Nachfolger für Robert Gunnarsson, der die Löwen im Sommer verlässt, begonnen. „Klar hat man ein paar Männer auf dem Zettel“, verrät Gudmundsson, „aber noch ist es zu früh, um Namen zu nennen.“ Das letzte Wort soll jedenfalls der Trainer haben, kein Gesellschafter. Doch die reden vorher. Gudmundsson: „Es müssen Gespräche mit dem Vorstand und den Gesellschaftern geführt werden.“ Oder anders ausgedrückt: Der finanzielle Rahmen für den neuen Kreistäter muss noch abgesteckt werden.

Von Daniel Hund