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Weltrekord mit Wow- und Wir-Gefühl (BNN)

Rhein-Neckar Löwen bezwingen HSV-Handballer vor über 44 000 Fans in Frankfurts Fußballarena

Frankfurt/Main. Fünf Minuten vor Spielschluss schwappte La Ola durch die Frankfurter Arena. Aber nicht, weil die Eintracht auf dem Weg zu einem Heimsieg gewesen wäre, sondern die Zuschauer im Fußballtempel feierten die gastgebenden Handballer der Rhein-Neckar Löwen – und sich selbst. Denn sie verbesserten gemeinsam den Besucher-Weltrekord um rund 7 500 auf offiziell 44 189 Zuschauer, die einen 28:26 (17:8)-Sieg der Badener im BundesligaSpiel gegen den HSV Hamburg sahen. Die Löwen taten mit dem Sieg vor der Rekordkulisse etwas für Bank- und Punktekonto. Sie bauten ihre Tabellenführung auf 8:0 Zähler aus. Der HSV hat nur 2:6 Punkte nach vier Spieltagen.

„Das war ein riesiges Wow-Gefühl, als wir in die Arena eingelaufen sind“, erzählte Uwe Gensheimer. Der Löwen-Kapitän gab zu, dass während des Spiels die Kulisse nicht so präsent war. „Man nimmt es schon ein bisschen wahr, aber du bist ja auf dein Spiel konzentriert“, sagte der Linksaußen. Rechtsaußen Patrick Groetzki erklärte: „Es hat viel Spaß gemacht. Wir haben damit ein Ausrufezeichen für den deutschen Handball gesetzt, der zuletzt ja nicht für so gute Nachrichten gesorgt hat.“

HSV-Manager Christian Fitzek sprach von einer „Riesen-Veranstaltung“, die dem Handball gutgetan habe. „Ich weiß nicht, ob man es wiederholen kann, aber man sollte es versuchen.“ Auch die deutschen Handball-Bosse waren sich einig, dass der vom bisherigen Löwen-Geschäftsführer Thorsten Storm initiierte Event zur Förderung des Wir-Gefühls der um mediale Aufmerksamkeit ringenden Sportart eine Neuauflage erfahren sollte. „Das war ein rundherum gelungener Tag für den Handball. Es war richtig, diesen Weg zu gehen. Das Wagnis hat sich gelohnt“, sagte Verbands-Präsident Bernhard Bauer, der den Tag des Handballs wie ein Turnfest aufziehen möchte, also alle paar Jahre. Uwe Schwenker, Chef der Bundesliga HBL, meinte: „Der Weltrekord ist ein schöner Nebeneffekt. Das Rundherum ist für mich viel wichtiger.“ Löwen-Team-Manager Oliver Roggisch plädierte für nächste Male, aber nicht in jedem Jahr: „Sonst verliert die Veranstaltung ihren Event-Charakter.“ Und damit den Reiz des Besonderen, der die Zuschauer abseits von Fußball ja erst in Scharen lockt.

Löwen-Geschäftsführer Lars Lamadé freute sich nicht nur über die zwei Punkte, sondern auch über eine Einnahme, die höher gewesen sei als bei einem ausverkauften Spiel in der SAP-Arena.

Seit Mai 2011 lag der Weltrekord bei 36 651 Besuchern, aufgestellt im Bröndby-Stadion der dänischen Hauptstadt zwischen dem späteren Sieger AG Kopenhagen und dem BSV Bjerringbro-Silkeborg. Löwen-Coach Nikolaj Jacobsen war damals Ko-Trainer des Verlierers. Am Samstag sagte der Däne: „Ich bin sehr zufrieden, dass ich bei einer so großen Veranstaltung auch mal gewinnen durfte. Das macht einfach mehr Spaß. Ich habe meinen Spielern gesagt: Wenn ihr das Erlebnis genießen wollt, müsst ihr auch zwei Punkte holen.“

Die Löwen nahmen sich die Worte des Trainers zu Herzen. Sie hatten überhaupt keine Anpassungsschwierigkeiten. Nach 38 Sekunden traf der insgesamt achtmal erfolgreiche Alexander Petersson zum 1:0 in jenes Tor, hinter dem auf der Tribüne ein großes Plakat verkündete: „Wir sind Weltrekord.“ Die Hanseaten wirkten dagegen sehr beeindruckt. „Die ersten 30 Minuten hat uns diese Atmosphäre komplett gelähmt. Unsere Mannschaft hat die Emotionen nicht in positive Energie umsetzen können“, sagte Fitzek. Nach 14 Minuten lag der Vizemeister bereits mit fünf Toren vorn (8:3), in der 28. Minute stand es 16:7. Nach der Pause schalteten die Löwen einen Gang zurück. Seine Spieler hätten gedacht, sie könnten auch mit 80 Prozent Einsatz gewinnen, monierte Jacobsen. Bis zur 42. Minute verkürzte der HSV auf 16:20. Weil der Löwen-Coach dann auch den Reservisten zum Weltrekord-Einsatz verhalf, lagen die Gastgeber zum Schluss nur noch zwei Tore vorn.

Der langjährige Bundestrainer Heiner Brand zeigte sich davon überzeugt, dass Deutschlands Ballsportart Nummer zwei die Gelegenheit zur Werbung in eigener Sache nutzte. „Der Tag des Handballs ist eine gute Sache. Der Gedanke sollte sein, ihn zur Dauereinrichtung werden zu lassen. Dass 1600 Jugendliche vorher ein Turnier gespielt haben, zeigt unsere Stärke im Jugendbereich“, sagte der Leiter der Nachwuchsförderung beim DHB. Der 62-Jährige fungierte als Coach des Promi-Teams um Ex-Nationalspieler Stefan Kretzschmar, das im Vorprogramm das Match gegen die Mannschaft aus Sport- und Show-Größen um TV-Kommentator Frank Buschmann mit 27:22 gewann.

Rhein-Neckar Löwen: Petersson (8), Myrhol (5), Gensheimer (4), Groetzki (3), Schmid (3), Ekdahl du Rietz (2), Guardiola (1), Kneer (1), Larsen (1).

Hamburg: Hanisch (5), Lindberg (5), Mahé (5), Jansen (3), Schröder (2), Toft Hansen (2), Pfahl (2), Flohr (1), Hens (1).

Von Reinhard Sogl