Veröffentlichung:

„Wir brauchen vom Titel nicht mehr zu reden“

Mannheim. Der Jahresabschluss ging gründlich daneben: Die Rhein-Neckar Löwen verloren am Mittwoch in der Handball-Bundesliga bei Frisch Auf Göppingen mit 31:35. Jetzt steht die WM-Pause an. Trainer Gudmundur Gudmundsson blickt auf die vergangenen Monate zurück.

Herr Gudmundsson, zur Bundesliga-Bilanz gehören in dieser Saison vier Niederlagen und zwei Remis. Damit können Sie zum Jahreswechsel nicht zufrieden sein.

Gudmundur Gudmundsson: Das bin ich auch nicht. Zehn Minuspunkte sind zu viel für unsere Ansprüche und auch für die Qualität dieser Mannschaft. Die Niederlage in Magdeburg zu Saisonbeginn durfte einfach nicht passieren, das Remis gegen Lemgo in der SAP Arena war ein unerwarteter Punktverlust. Aber wir hatten auch ein wenig Pech. In Flensburg und Hamburg haben wir jeweils knapp verloren. Diese Partien hätten wir mit ein wenig Glück genauso gut gewinnen können – und dann sähe die Tabelle etwas anders aus.

Nach dem Sieg über Kiel wirkte Ihre Mannschaft müde. War der Kräfteverschleiß zuvor zu groß?

Gudmundsson: Ende November war die Belastung sicherlich immens. Innerhalb kurzer Zeit mussten wir in Flensburg, in Hamburg und drei Mal gegen Kiel antreten. Das war anstrengend für die Mannschaft, keine Frage. Aber ich finde nicht, dass mein Team anschließend müde war. Wir haben gegen Celje und Gummersbach Spiele in der Schlussphase gedreht und gegen Lemgo noch einen Drei-Tore-Rückstand in den letzten Minuten ausgeglichen. Es ist für mich eher eine Frage der Konzentration, weshalb wir Punkte verloren haben. Wir sind zu fahrlässig mit unseren Torchancen umgegangen.

Was stimmt Sie zuversichtlich für die Rest-Rückrunde nach der WM?

Gudmundsson: Fast alle Topmannschaften müssen noch nach Mannheim kommen. Gegen Hamburg, Berlin und Flensburg spielen wir in eigener Halle. Es kann sich in der Spitzengruppe also noch sehr viel tun.

Was ist für die Löwen denn noch möglich?

Gudmundsson: Die Meisterschaft war ja nie ein Muss, sondern die direkte Champions-League-Qualifikation. In der Bundesliga geht es für uns jetzt erst einmal darum, dieses Ziel zu erreichen. Das ist das Wichtigste. Weiter nach oben müssen wir momentan nicht schauen.

Sind die Löwen also raus aus dem Rennen um die Meisterschaft?

Gudmundsson: Momentan brauchen wir sicherlich nicht mehr vom Titel reden. Aber ich will das augenblicklich auch nicht grundsätzlich ausschließen. Nach so einer bitteren Niederlage wie in Göppingen wäre es falsch, sich vorschnell zu äußern. Jetzt fahren wir erst einmal alle zur Weltmeisterschaft.

Ist Hamburg der Topfavorit auf den Titel‘?

Gudmundsson: Ich sehe den HSV noch längst nicht als Meister. Hamburg steht eine harte Rückrunde bevor und bestreitet alle Topspiele auswärts. Aber ich will nicht über die anderen reden, sondern über uns. Wir müssen unsere Spiele gewinnen und wollen nach oben in der Tabelle klettern. Dazu können wir in einer sehr schweren Vorrunde der Champions League noch Gruppensieger werden und uns im DHB-Pokal für das Final Four qualifizieren. So schlecht waren die vergangenen Monate also nicht. Wir haben immer noch die Möglichkeit, einen Titel zu holen. Deshalb bleibe ich dabei: Wir sind auf einem guten Weg.

Was unterscheidet die Löwen momentan vom HSV?

Gudmundsson: Wir spielen nicht konstant genug, insbesondere in der Abwehr. Wir bekommen zu viele Treffer.

549 Gegentore weist die Statistik auf. Nur sechs Teams sind schlechter.

Gudmundsson: Es wäre zu einfach, sich nur die Zahlen anzusehen. Man muss auch unserer Spielweise beachten. Wir laufen viele Gegenstöße, agieren mit sehr viel Tempo. Oder anders ausgedrückt: Wir spielen sehr schnell und erzielen viele Tore. Nur der HSV und Kiel werfen mehr Tore. Durch das hohe Tempo gibt es aber auch für den Gegner mehr Angriffe, weshalb er häufiger die Chance hat, ein Tor gegen uns zu erzielen. Insofern hängt die Zahl der Gegentreffer auch ein wenig mit unserer Spielweise zusammen. Trotzdem müssen wir uns in der Deckung steigern.

Und was gefällt Ihnen an Ihrem Team?

Gudmundsson: Ich bin sehr stolz auf den Charakter meiner Mannschaft. Sie glaubt immer an den Sieg, kämpft stets bis zur letzten Sekunde. Das spricht für die Mentalität meines Kaders. Keine Frage: Wir haben uns entwickelt, weil wir uns aus schwierigen Phasen befreien können. An dieser Einschätzung ändert auch die Niederlage in Göppingen nichts.

Von Marc Stevermüer

 31.12.2010