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„Wir haben praktisch keine Ruhepausen mehr“

Kim Ekdahl du Rietz im Interview

Er ist ein besonderer Spieler für die Rhein-Neckar Löwen, und das nicht nur wegen seiner Schuhgröße 51. Seit Kim Ekdahl du Rietz bei den Löwen spielt, ist der Schwede ein Leistungsträger der Badener. Im Interview spricht der Rückraumspieler über das Ausscheiden aus der VELUX EHF Champions League, seine Rolle bei den Löwen, seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft und gibt einen Ausblick auf die kommenden Partien.

Kim, mit etwas Abstand, wie sehr schmerzt das Ausscheiden am vergangenen Wochenende aus der VELUX EHF Champions League gegen Pick Szeged?

Natürlich tut es immer noch weh, keine Frage. Aber wir müssen akzeptieren, dass Szeged in beiden Spielen gegen uns die bessere Mannschaft war. Wir haben beide Spiele verloren, das haben wir uns vorher sicher ganz anders vorgestellt.

Waren sich die Löwen vielleicht zu sicher, den Sprung ins Viertelfinale zu schaffen ? Nach der Auslosung wurde Szeged von vielen als der einfachste der möglichen Gegner bezeichnet.

Ich glaube, einfache Gegner gibt es in einem Achtelfinale der Champions League nicht mehr. Sicher, wir haben  das Potenzial, Pick Szeged zu schlagen, aber das haben wir leider in beiden Spielen nicht geschafft. Das ist schon sehr enttäuschend. Denn wir wissen, dass wir besser spielen können, als wir es gezeigt haben.

Dennoch schien es, als wäre ein Weiterkommen im Rückspiel noch möglich gewesen, die Löwen führten schon mit 7:4…

Ja, es war mit Sicherheit möglich. So ein Rückstand von vier Toren, wie wir ihn in Szeged vor dem Spiel hatten, ist im Handball nichts.  Aber wir haben am Ende einfach zu viele Fehler gemacht, ich glaube, wir hatten 18 Fehlwürfe in der Partie, damit kann man einfach nicht gewinnen.

Woran hat es noch gelegen?

Mit Sicherheit auch an unserer Leistung im Hinspiel. Wir verlieren mit vier Toren und bekommen 34 Gegentreffer, das sagt eigentlich alles. Dennoch war es möglich, in Szeged noch zu gewinnen und weiterzukommen.

Fehlte euch am Ende vielleicht auch die Kraft, die Wende noch zu schaffen?

Ja, ich glaube, auch das spielt eine Rolle. Die Saison ist schon lang, und die Spiele werden immer härter für uns.

Andere Mannschaften haben einen breiten Kader.

Wir haben leider nicht die finanziellen Möglichkeiten und damit auch nicht den großen Kader wie die anderen Mannschaften in der Champions League. Von den Vereinen im Viertelfinale haben die meisten einfach ganz andere Möglichkeiten als wir, das sollte man schon realistisch so einschätzen.

Ist es ein Vorteil, dass ihr nach dem Aus in der Champions League direkt wieder in der Bundesliga gefordert seid?

Ich denke schon. Wir haben gar nicht viel Zeit, uns mit dem vergangenen Spiel zu beschäftigen. Direkt nach der Rückkehr aus Szeged haben wir uns auf das Auswärtsspiel in Lemgo vorbereitet, und direkt nach Lemgo auf das Spiel morgen gegen Gummersbach. Der Spielplan in der Bundesliga ist unheimlich hart und auch ein Nachteil für die deutschen Clubs gegenüber den ausländischen Mannschaften in der Champions League.  Wir haben praktisch keine Ruhepausen mehr.

Ist es deshalb vielleicht ein Vorteil für euch, vor dem kommenden Final4 um den DHB-Pokal keine Partie in der Champions League spielen zu müssen?

Das kann natürlich schon ein Vorteil sein, jede Pause tut uns gut. Aber ich bin Sportler und möchte am liebsten jedes Spiel gewinnen, und natürlich würde ich lieber im Viertelfinale der Champions League stehen als jetzt ausgeschieden zu sein.

Besonders du solltest dich doch über eine zusätzliche Pause freuen können, spielst du bei den Löwen doch auf der so genannten Königsposition im linken Rückraum.

Dieser Begriff „Königsposition“ ist typisch deutsch, oder? Im Ausland gibt es das gar nicht, meine Rolle unterscheidet sich nicht so viel von der meiner Mitspieler.

Auf jeden Fall bis du ein Leistungsträger bei den Löwen.

Und das gefällt mir, seit ich bei den Löwen bin, trage ich Verantwortung.

Du bist vor der Saison 2012/2013 aus Nantes zu den Löwen gekommen.  Es scheint, Anpassungsprobleme in der Bundesliga hattest du eigentlich keine.

Ich bin selbst überrascht, wie gut es lief. Ich war eigentlich direkt Stammspieler und wohl auch Leistungsträger, das hätte ich sicher nicht erwartet.

Wie zufrieden bist du selbst mit deiner Entwicklung?

Ich versuche, mich immer noch zu verbessern. Ich glaube, es gibt auch noch clevere Spieler als mich. Spieler, die die Situation im Spiel schneller erahnen und dann besser und schneller reagieren können. Da gibt es noch einiges zu lernen für mich.

Wo siehst du den Unterschied zwischen der heutigen Zeit und deiner Anfangsphase bei den Löwen?

Ich bin reifer geworden und habe mich in der Abwehr wohl am besten entwickelt.

Obwohl du erst 25 Jahre alt bist, hast du schon eine beeindruckende Karriere hinter dir. Mit 16 Jahren hast du schon in der ersten schwedischen Liga gespielt.

Damals war ich noch Linksaußen, eine Position, die bei den Löwen mit Uwe Gensheimer und Stefan Sigurmannsson zum Glück hervorragend besetzt ist. (lacht)

Wie bist du eigentlich zum Handball gekommen?

Familiär vorbelastet bin ich auf jeden Fall nicht. Ich habe mich als Kind eigentlich für alle Ballsportarten interessiert, beim Handball bin ich am Ende geblieben.

Das Thema Nationalmannschaft hast du allerdings schon abgeschlossen, du hast deinen Rücktritt erklärt.

Ja, mit der Nationalmannschaft habe ich wirklich abgeschlossen. Das war sicher keine einfache Entscheidung, und ich habe wirklich mehrere Monate jeden Tag daran gedacht. Ich verbinde einige meiner besten Erinnerungen mit der schwedischen Nationalmannschaft, aber am Ende war die Belastung einfach zu viel. Meine Knieprobleme haben mich am Ende dazu gezwungen, zukünftig auf die Nationalmannschaft zu verzichten, auch wenn bei großen Ereignissen wie den Olympischen Spielen oder einer Weltmeisterschaft immer etwas Wehmut aufkommt.

Was ist in dieser Saison für die Löwen noch möglich?

Eigentlich ist alles wie letzte Saison. Wir müssen wohl jedes Spiel gewinnen, damit wir einen Titel holen. Ich hoffe, das klappt.

Zuletzt habt ihr am Mittwoch in Lemgo mit elf Toren gewonnen.

Das war wirklich ein gutes Spiel von uns. Ich selbst war etwas angeschlagen und bin erst am Spieltag nach Lemgo angereist. Ich hatte die Nacht zuvor Fieber und hätte eigentlich gar nicht spielen sollen. Da aber auch Mads Mensah nicht spielen konnte, wollte ich der Mannschaft helfen. Wir wissen genau, mit jedem Ausrutscher kann der Kampf um die Meisterschaft jetzt schon vorbei sein.

Am morgigen Samstag kommt der VfL Gummersbach in die SAP Arena, was erwartest du von dem Spiel?

Auch auf Gummersbach haben wir nach dem Spiel in Lemgo nur eine kurze Vorbereitungszeit. Ich persönlich bin hoffentlich gegen den VfL wieder fitter als noch in Lemgo. Ansonsten haben wir im letzten Heimspiel gegen Minden gesehen was passieren kann, wenn wir nicht richtig konzentriert sind. Dann kriegen wir gegen jedes Team der Liga Probleme. Aber für uns zählen gegen Gummersbach auch nur zwei Punkte, die müssen wir irgendwie bekommen.

Am Osterwochenende geht es dann zum Duell mit dem THW Kiel.

Das ist das Spiel, worauf jeder wartet. Sicher fällt dort eine Vorentscheidung. Wir sind selbstbewusst, haben Kiel im Pokal geschlagen. Das war allerdings vor unseren Zuschauern, nun geht es nach Kiel, deshalb ist der THW für mich in diesem Spiel auch der Favorit. Aber wir werden alles geben um auch dort zu punkten.

Letzte Frage, was macht Kim Ekdahl du Rietz neben dem Handball?

Ich studiere Psychologie, das finde ich sehr spannend. Ansonsten lese ich viel und reise gerne, auch wenn ich durch den engen Spielplan dafür leider nicht wirklich viel Zeit habe.