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„Wir können mit Druck umgehen“ (MM)

Löwen-Trainer Gudmundsson spricht vor dem Start über gestiegene Erwartungen, die Talentförderung und seine Hoffnung auf einen neuen Rechtsaußen

MANNHEIM. Die Mühen in der Saisonvorbereitung haben ein Ende. Bei HBW Balingen-Weilstetten starten die Rhein-Neckar Löwen heute (19 Uhr) in die neue Runde der Handball-Bundesliga. „Ich freue mich riesig, dass es losgeht“, sagt Trainer Gudmundur Gudmundsson.

Herr Gudmundsson, der erste Spieltag führt die Löwen nach Balingen . . .

Gudmundur Gudmundsson: Und es ist traditionell sehr schwer, dort zu gewinnen. Uns erwartet eine kampfstarke Mannschaft in einem echten Hexenkessel.

Alle drei Neuzugänge waren zum Trainingsstart schon da. Ein Vorteil?

Gudmundsson: Leider hat sich dieser Vorteil nicht ganz so ausgezahlt, wie ich mir das erhofft hatte. Nur Runar Karason war die ganze Zeit da. Sergei Gorbok musste eine Woche auf sein Visum in Moskau warten, aus dem gleichen Grund saß Nikola Manojlovic in Serbien fest. Und dann fehlte er verletzungsbedingt auch noch eine Woche zwischendurch. Das war nicht optimal, aber beim Turnier in Ilsenburg haben beide gezeigt, dass sie uns sofort helfen können.

Was erwarten Sie von den Neuen?

Gudmundsson: Sergei Gorbok ist sehr torgefährlich, ein anderer Spielertyp als Kim Ekdahl du Rietz und deshalb eine gute Ergänzung zu ihm. Nikola Manojlovic wird uns sofort in der Abwehr helfen, in den nächsten Wochen will ich ihn aber auch als Alternative zu Regisseur Andy Schmid einbauen.

Und was ist mit Runar Karason, der zusammen mit Isaías Guardiola die Lücke des verletzten Alexander Petersson schließen soll?

Gudmundsson: Es wäre unfair, Runar mit Alex zu vergleichen. Er ist ein junger Spieler, der seine Sache bislang ordentlich macht und ich bin zuversichtlich, dass Runar zusammen mit Isaías den Ausfall Peterssons kompensieren wird. Isaías ist jetzt ein Jahr bei uns und hat sich in der Vorbereitung gerade im Offensivspiel stark verbessert. Er ist viel sicherer geworden, seine Abwehrqualitäten kennen wir ja bereits.

Durch die starke Saison 2012/2013 sind die Erwartungen gestiegen. Wie wirkt sich das aus?

Gudmundsson: Ich mache mir keine Sorgen, wir können mit Druck umgehen. Es wird aber sicherlich schwer, die zurückliegenden Erfolge zu bestätigen, weil sich auch die anderen Spitzenvereine verstärkt haben. In Kiel sind zwar einige Leistungsträger gegangen, aber neue Weltklassespieler gekommen. Flensburg ist eingespielt, Hamburg hat einen riesigen Kader und auch die Berliner Mannschaft ist interessant. Insgesamt ist das Niveau aller Teams noch besser geworden.

Und was springt am Ende für die Löwen heraus?

Gudmundsson: Im Pokal und in der Champions League können wir nur von Runde zu Runde schauen. Und in der Bundesliga wird es schwer genug, wieder unter den besten fünf Mannschaften zu landen. Niemand sollte vergessen: Alexander Petersson, Zarko Sesum und Marius Steinhauser fehlen noch monatelang.

Wenn aber alle Spieler fit sind, steht Ihnen ein großer Kader zur Verfügung.

Gudmundsson: Das freut natürlich jeden Trainer, wenn der Konkurrenzkampf groß ist und die Belastung verteilt werden kann. Gerade die Champions League wird uns alles abverlangen – und deshalb brauchen wir diesen breiten Kader. Was alles passieren kann, sehen wir an der aktuellen Verletztenliste.

Sie wollen die Löwen variabler in der Abwehr machen. Sehen wir jetzt häufiger die 5:1-Formation?

Gudmundsson: Unsere Grundausrichtung bleibt die offensive 6:0-Abwehr, in diesem System sind wir bärenstark. Trotz des Ausfalls von Oliver Roggisch am ersten Spieltag stehen mir mit Manojlovic, Bjarte Myrhol und Gedeón Guardiola genügend Alternativen zu Verfügung. Klar ist aber auch, dass wir eine zweite Variante brauchen. Deswegen haben wir in der Saisonvorbereitung häufiger mit der 5:1 gespielt, was teilweise sehr gut geklappt hat. Im Laufe der Saison werden wir dieses System nutzen und verbessern. Es soll eine weitere Waffe von uns werden.

Nicht nur bei den Löwen, sondern im gesamten deutschen Handball wird immer wieder der vermehrte Einsatz von Talenten bei den Bundesligisten gefordert. Wie schwer ist es, das umzusetzen?

Gudmundsson: Das ist ein sensibles und kompliziertes Thema. Talentförderung ist wichtig und ich freue mich über jeden jungen Spieler. Aber diese Jungs müssen auch eine gewisse Qualität mitbringen. Sehen Sie: Die Handball-Bundesliga ist die stärkste Liga der Welt. Und ich habe als Trainer die Aufgabe, Spiele zu gewinnen. Ich bin dafür verantwortlich, dass die Ziele des Klubs erreicht werden. So läuft das im Leistungssport. Da ist es manchmal schwierig, einen Kompromiss zwischen sportlichem Erfolg und Talentförderung zu finden, weil der enge Terminkalender kaum Spielraum lässt. Bis zum Jahreswechsel bestreiten wir zum Beispiel fast 30 Partien.

Was bedeutet das konkret für die Löwen?

Gudmundsson: Gerne wird vergessen, dass wir in der vergangenen Saison Marius Steinhauser das Vertrauen schenkten. Leider hat er sich verletzt. Jonas Maier kam auch zum Einsatz und soll sich nun in Schaffhausen weiterentwickeln. Ihn behalten wir im Auge, er ist ein großes Talent. Tim Suton hat ein Erstspielrecht beim Zweitligisten Saarlouis und trainiert ab und zu bei uns. Es ist also nicht so, dass wir uns diesem Thema verschließen.

Marius Steinhauser fällt noch monatelang aus. Werden die Löwen einen weiteren Rechtsaußen verpflichten?

Gudmundsson: Als Trainer kann ich nur aus sportlicher Sicht argumentieren: Und aus dieser Perspektive sage ich, dass es keine Traumlösung ist, mit Patrick Groetzki als einzigem Rechtsaußen in die Saison zu gehen. Die Belastung für ihn ist enorm, weshalb ich gerne noch einen Spieler für diese Position hätte, damit nicht die ganze Last auf Patricks Schultern liegt. Aber ich weiß auch, dass die finanziellen Rahmenbedingungen stimmen müssen, um mir diesen Wunsch zu erfüllen.

Von Marc Stevermüer